TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/15 92/04/0087

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Veröffentlicht am 15.09.1992
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §74 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 idF 1988/399;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des G in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Jänner 1992, Zl. 314.346/1-III/3/92, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage war dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 14. Mai 1984 u. a. gemäß den §§ 74, 77 und 81 GewO 1973 die Genehmigung zur Änderung bzw. Erweiterung der Betriebsanlage zur Ausübung eines Gastgewerbes in der Betriebsart eines "Espressos" hinsichtlich eines Sitzgartens mit zwei Tischen und vier Bänken (maximale Sitzplatzanzahl für 15 Personen) erteilt worden. Als Auflage wurde vorgeschrieben, daß der Sitzgarten längstens bis 22.00 Uhr betrieben werden darf.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 6. August 1990 wurde dem Ansuchen des Beschwerdeführers vom 7. Juli 1989 hinsichtlich der Erweiterung des Sitzgartens von 15 auf 21 Sitzplätze und des Betriebes des Sitzgartens bis 22.00 Uhr sowie hinsichtlich der Überdachung dieser Fläche und der Aufstellung eines Natursteingrillers Folge gegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 81 i.V.m. §§ 74 ff, 333 und 356 Abs. 1 GewO 1973 i.V.m. § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes die Änderung der mit Bescheid vom 14. Jänner 1983 und vom 14. Mai 1984 rechtskräftig genehmigten Betriebsanlage zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart "Espresso" im Standort K, P-Straße 139, unter Vorschreibung von Auflagen genehmigt (Spruchteil Ia); ferner wurden die Einwendungen dreier Nachbarn zurückgewiesen (Spruchteil Ib). Das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 7. Juli 1989 um Erteilung der Genehmigung zum Betrieb des Sitzgartens in der Zeit von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr wurde gemäß § 333 i.V.m. § 74 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 abgewiesen (Spruchteil II).

In der dagegen erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer gegen zwei Auflagen und gegen den Spruchteil II.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 11. April 1991 wurde der Berufung dahin Folge gegeben, als die Punkte 4 und 8 der Auflagen des erstbehördlichen Bescheides zu entfallen haben.

Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung enthält folgende Erklärung: "Der genannte Bescheid und der Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 6.8.1990 werden insofern angefochten, als mir der Betrieb des Sitzgartens in der Zeit vom 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr untersagt wurde. Die übrigen Teile des angefochtenen Bescheides bleiben unangefochten." Der Berufungsantrag enthält das Begehren auszusprechen, daß der Betrieb des Sitzgartens bis 23.00 Uhr genehmigt wird.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Jänner 1992 wurde die Berufung abgewiesen und der im Berufungsweg angefochtene Bescheid im Grunde des § 77 Abs. 2 GewO 1973 bestätigt.

Zur Begründung wurde das anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 1991 erstattete Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen wie folgt wiedergegeben:

"Zum Zeitpunkt des Augenscheines am 29. Juli 1991 war der zur P-Straße weisende Gastgarten bereits für

21 Verabreichungsplätze adaptiert und überdacht. Der Gastgarten war gut besucht. Es wurden Getränke konsumiert und Gespräche geführt. Insgesamt herrschte eine moderate Atmosphäre.

Zwischen 21.49 Uhr und 22.56 Uhr wurden in der Wohnküche des Ehepaares S (P-Straße 137, 1. Stock) Schallpegelmessungen durchgeführt. Das Schallpegelmeßgerät (Brüel & Kjaer, Typ 2230) wurde ca. 1,5 m vor dem der Betriebsanlage zugewandten geöffneten Fenster ca. 2 m über Boden aufgestellt. Das Meßgerät wurde mit dem akustischen Kalibrator (Brüel & Kjaer, Typ 4230) kontrolliert. Das zur P-Straße weisende Fenster dieses Raumes war gekippt. Es herrschte trockenes niederschlagsfreies, windstilles Wetter. Auf den Straßen waren noch vereinzelt nasse bzw. feuchte Stellen vom vorangegangenen Regen zu sehen. Die Messung ergab zwischen 21.49 Uhr und 22.00 Uhr folgende A-bewertete Schalldruckpegel:

Autobus auf der P-Straße                  .... 64 dB

Autos auf der P-Straße                    52 - 59 dB

(vereinzelt) bis                          .... 63 dB

mehrmaliges Vorbeifahren eines

Motorrades                                63 - 74 dB

(vereinzelt) bis                          .... 82 dB

Auspuffknallen des Motorrades             .... 73 dB

(das Motorrad wurde sehr "sportlich"

gefahren)

Start eines Autos in der Nähe             .... 50 dB

Abfahrt dieses Autos                      .... 45 dB

Grundgeräuschpegel                        34 - 35 dB

energieäquivalenter Dauerschall-

pegel (Leq) zw. 21.49 u. 22.00 Uhr        .... 57,6 dB

(der Leq war hauptsächlich durch

Verkehrsgeräusche und durch

Gesprächsgeräusche aus dem in Rede

stehenden Gastgarten bestimmt)

    Aus dem in Rede stehenden Gastgarten waren bis ca.

22.00 Uhr Stimmengemurmel und Gespräche hörbar, die Gespräche waren allerdings nicht verständlich. Die Gesprächsgeräusche aus dem Gastgarten konnten aufgrund der Umgebungsgeräuschsituation nicht den Meßwerten zugeordnet werden.

Nach 22.00 Uhr war der Gastgarten unbesetzt. Es waren lediglich vereinzelt Geräusche vom Aufräumen des Gastgartens (Entfernen von Geschirr) und zeitweise eine Kinderstimme hörbar. Es wurde am selben Meßpunkt beobachtet und folgende Schalldruckpegel ermittelt:

auf der P-Straße

vorbeifahrende Autos                      51 - 62 dB

(die häufigsten Werte lagen

zwischen 52 u. 56 dB)

Kleinbus auf der P-Straße                 .... 68 dB

Reifenquietschen                          .... 51 dB

Schlagen von Autotüren bzw. eines

Kleinbusses in der unmittelbaren Umgebung 52 - 63 dB

Kinderstimme                              44 - 52 dB

Manipulationsgeräusche aus dem Gastgarten

(soweit aufgrund der Umgebungsgeräusch-

situation meßbar)                         40 - 48 dB

Leq zwischen 22.00 - 22.17 Uhr            .... 50,8 dB

(hauptsächlich durch Verkehrsgeräusche

bestimmt)                                 32 - 33 dB

(während der Ruhepausen war nur das

Ticken der im Wohnzimmer des Ehepaares

S befindlichen Wanduhr zu hören)

    Zur Kontrolle wurde der Leq nochmals zwischen 22.18 Uhr und

22.28 Uhr gemessen. In diesem Zeitraum war der Leq ebenfalls

durch den Verkehr geprägt und betrug wiederum 50,8 dB. Außerdem

wurden während dieser Meßperiode folgende Werte ermittelt:

Start eines Autos                         49 - 55 dB

Abfahrt dieses Autos                      .... 48 dB

"Kavalierstart" eines anderen Autos bis   .... 64 dB

Grundgeräuschpegel                        32 - 33 dB

In der letzten Meßsequenz zwischen 22.41 Uhr und 22.56 Uhr wurde der Leq mit 52,2 dB gemessen. Ein vorbeifahrendes einspuriges Fahrzeug ergab Meßwerte bis zu 58 dB. Während des größten Teiles dieser Meßsequenz war ein "Ausblasegeräusch" hörbar und konnte mit 39 bis 40 dB gemessen werden. Der Grundgeräuschpegel war während der Meßsequenz hauptsächlich wegen des Auftretens des Ausblasgeräusches nicht meßbar.

Alle Meßwerte wurden unter Anwendung der A-Bewertung gewonnen. Während des Augenscheines wurden folgende

Verkehrsfrequenzen auf der P-Straße ermittelt:

1) 21.45 - 22.00 Uhr PKW: 60

einspurige Fahrzeuge: 3

Bus: 1

Klein-LKW: 2

2)

22.00 - 22.15 Uhr PKW: 52

einspurige Fahrzeuge: 1

Klein-LKW: 5

3)

22.41 - 22.56 Uhr PKW: 73

einspurige Fahrzeuge: 1

Klein-LKW: 3

Gutachten:

Der energieäquivalente Dauerschallpegel wurde nach 22.00 Uhr mit ca. 5 bis 7 dB geringeren Werten als in der Meßzeit vor 22.00 Uhr ermittelt. Dies kann einerseits auf einen geringfügigen Rückgang in der Verkehrsfrequenz und auf eine dem Eindruck nach "sanftere" Fahrweise der Verkehrsteilnehmer nach 22.00 Uhr zurückgeführt werden. Zum anderen konnten zwar die Geräusche aus dem in Rede stehenden Gastgarten aufgrund der Umgebungsgeräuschsituation nicht gemessen werden. Es waren aber in der Meßsequenz vor 22.00 Uhr ständig Gespräche und Gemurmel aus dem Gastgarten deutlich hörbar. Es muß daher angenommen werden, daß diese Geräusche aus dem Gastgarten einen wesentlichen Beitrag zum Zustandekommen des höheren Leq-Wertes vor 22.00 Uhr geleistet haben. Die Erhöhung des Leq in der Meßsequenz von 22.41 Uhr bis 22.56 Uhr um 1,4 dB gegenüber den beiden Meßsequenzen von insgesamt 22.00 Uhr bis 22.28 Uhr kann durchaus durch die Erhöhung der PKW-Frequenz um ungefähr 40 % erklärt werden."

Daraufhin habe der medizinische Amtssachverständige Befund

und Gutachten wie folgt erstattet:

"Befund:

"Am Abend des 29. Juli 1991 wurde in der Zeit von 21.45 Uhr bis 23.00 Uhr die Umgebungsgeräuschsituation in der Nachbarschaft der gegenständlichen Betriebsanlage auch in subjektiver Hinsicht erhoben. Der Beobachtungsplatz befand sich dabei in einer im 1. Stock des Hauses P-Straße 137, an der Nordost-Ecke dieses Hauses gelegenen Wohnküche, die ein auf die P-Straße weisendes sowie ein Fenster zur gegenständlichen Betriebsanlage besitzt. Das zur Betriebsanlage weisende Fenster war während des Augenscheins vollständig geöffnet. Während des Aufenthaltes in diesem Raum in der Nähe des geöffneten Fensters war die Umgebungsgeräuschsituation vornehmlich durch lauten an- und abschwellenden Verkehrslärm von der P-Straße gekennzeichnet. In den kurzen Phasen der relativen Verkehrsruhe war dabei anfangs vom nahen Gastgarten undeuliches Stimmengewirr zu vernehmen. Der Gastgarten war zu diesem Zeitpunkt nahezu voll besetzt. Die Gästeunterhaltung war eher moderat; hin und wieder stachen einige Kinderstimmen aus dem allgemeinen Unterhaltungslärm hervor.

Um ca. 22.00 Uhr war eine merkliche Beruhigung der Umgebungsgeräuschsituation durch den Wegfall des Unterhaltungslärms aus dem Gastgarten während der Phasen relativer Verkehrsruhe zu beobachten, was dadurch bedingt war, daß die Gäste zu diesem Zeitpunkt den Gastgarten verließen. Ab diesem Zeitpunkt war die Umgebungsgeräuschsituation nur noch durch den an- und abfahrenden Verkehrslärm von der P-Straße mit zwischen den einzelnen Verkehrsströmen zu bemerkenden Ruhepausen von unterschiedlicher Dauer gekennzeichnet."

Gutachten:

"In den Bescheiden der Vor-Instanzen wurde die Betriebszeit des Gastgartens auf die Zeit bis 22.00 Uhr festgelegt. Seitens des Konsenswerbers wurde eine Ausdehnung der Betriebszeit des Gastgartens auf 23.00 Uhr beantragt. Aus medizinischer Sicht ist daher zur Frage Stellung zu nehmen, inwieweit sich ein Betrieb des Gastgartens in der Zeit von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr auf Gesundheit und Wohlbefinden eines gesunden, normal empfindenden Erwachsenen bzw. Kindes auswirkt.

Die Zeit nach 22.00 Uhr ist üblicherweise der Nachtzeit zuzurechnen, das heißt die Zeit zwichen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr fällt in die Einschlafphase, sodaß Lärmstörungen in dieser Zeit zu einer Beeinträchtigung des Schlafes führen können. Eine Beeinträchtigung des Schlafes kann eine, zum Teil erhebliche Beeinträchtigung des Wohlbefindens, die sich anderntags in Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsmängeln bemerkbar machen kann, herbeiführen. Wird der Schlaf in einem zeitlich überwiegenden Ausmaß und über längere Zeit beeinträchtigt, sind auch die Gesundheit störende Einflüsse infolge Verlustes der Erholungsfunktion des Schlafes möglich.

Damit eine Beeinträchtigung des Schlafzustandes erfolgen kann, müssen die Lärmimmissionen einige Voraussetzungen aufweisen. Dazu gehört etwa die Intensität der Lärmeinwirkung, wobei bei zunehmender Intensität die Störwahrscheinlichkeit zunimmt. Die Intensität als absoluter Faktor ist gekoppelt mit relativen Faktoren, bezogen auf Art und Ausmaß anderer, noch vorhandener Umgebungsgeräuschimmissionen. Hiezu zählt vor allem die Anhebung des Geräuschepegels über den durchschnittlichen Schallpegel sowie die Kontinuität der Schallereignisse. Diskontinuierliche Schallereignisse besitzen einen höheren Störgrad als kontinuierliche, eher gleichförmige oder auch moderat an- und abschwellende Geräusche (wie z.B.: Verkehrslärm).

Im konkreten Fall hat der Augenschein ergeben, daß die von der gegenständlichen Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen (Gesprächslärm) im Vergleich zu den nach 22.00 Uhr vorherrschenden Umgebungsgeräuschen (Verkehrslärm) zwar nicht in bezug auf Intensität und relative Anhebung, wohl aber in bezug auf ihre starke Diskontinuität in den Phasen ablaufenden Verkehrslärms hervortreten und das Umgebungsgeräuschbild dadurch deutlich beeinflussen. Dies war auch subjektiv bei Schluß des Gastgartenbetriebes um 22.00 Uhr durch die merkliche Beruhigung der Umgebungsgeräuschsituation gekennzeichnet.

Die bei einer Ausdehnung der Betriebszeit auf 23.00 Uhr auftretenden Lärmimmissionen können daher in der Zeit nach 22.00 Uhr als geeignet angesehen werden, den Einschlafvorgang zu behindern und dadurch eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens herbeizuführen.""

Anknüpfend an diese Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens führte der Bundesminister aus, der medizinische Amtssachverständige habe nach Durchführung subjektiver Hörproben und in Kenntnis des obzitierten gewerbetechnischen Gutachtens ausgeführt, daß bei der verfahrensgegenständlichen Ausdehnung des täglichen Endes der Betriebszeit von 22.00 Uhr auf 23.00 Uhr die auftretenden Lärmimmissionen als geeignet angesehen werden können, den Einschlafvorgang zu behindern; Beeinträchtigungen des Schlafes wiederum könnten zu Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsmängeln am folgenden Tage führen; bei einer Beeinträchtigung des Schlafes über längere Zeit hinweg seien auch gesundheitsstörende Einflüsse infolge Verlustes der Erholungsfunktion des Schlafes möglich. Solche Beeinträchtigungen, wie sie der medizinische Amtssachverständige als Folge einer Erteilung der beantragten Genehmigung für möglich angesehen habe, erachte der Bundesminister keinesfalls als im Sinne des § 77 Abs. 2 GewO 1973 einem gesunden, normal empfindenden Menschen zumutbar. Da zur Verminderung der vom gegenständlichen Gastgarten ausgehenden Geräusche - der Natur dieser Anlage gemäß - keine technischen Maßnahmen denkbar seien, welche die Anlage nicht in ihrem Wesen veränderten, sei spruchgemäß die beantragte Verlängerung des täglichen Endes der Betriebszeit auch in dritter Instanz zu versagen gewesen.

Hingewiesen werde noch darauf, daß sich das medizinische Gutachten hinsichtlich der Auswirkungen der festgestellten betriebskausalen Immissionen ausdrücklich auf jene Zeiträume bezogen habe, in welchen infolge abflauenden Verkehrslärms Ruhepausen unterschiedlicher Dauer für die Umgebungssituation kennzeichnend gewesen seien. Die für diese Zeiträume erhobenen Grundgeräuschpegelwerte von 22 - 33 dB lägen aber deutlich unter den erhobenen betriebskausalen Störgeräuschen (44 - 52 dB). Die danach gegebenen möglichen Störlärmspitzen von bis zu 20 dB über dem Grundgeräuschpegel seien jedoch auch nach verwaltungsgerichtlicher Judikatur jedenfalls als unzumutbar zu beurteilen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1988, Zl. 87/04/0272, und vom 12. Dezember 1989, Zl. 86/04/0114). Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen, zumal sich auch aus der Flächenwidmung der Betriebsgrundstücke ("gemischtes Baugebiet" gemäß § 2 Abs. 6 Ktn.GemPlG) kein Verbot im Sinne des § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 ergebe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Genehmigung der die zeitliche Ausdehnung des Betriebes des Sitzgartens von 22.00 Uhr auf 23.00 Uhr betreffenden Betriebsanlagenänderung verletzt. Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, fälschlicherweise vermeine die belangte Behörde, daß die Störlärmspitzen von bis zu 20 dB über dem Grundgeräuschpegel als unzumutbar zu beurteilen seien. Die Behörde übersehe aber, daß die möglichen Störlärmspitzen keinesfalls vom Betrieb des Sitzgartens herrühren, sondern vielmehr durch den Kraftfahrzeugverkehr auf der P-Straße einerseits und auch auf der A-Straße andererseits. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens werde auch darin erblickt, daß sich die belangte Behörde in keiner wie immer gearteten Weise damit auseinandergesetzt habe, daß das Haus P-Straße 139 an einer Kreuzung liege, nämlich an der Kreuzung P-Straße - A-Straße. Durch die benachrangte A-Straße komme es sehr wohl dazu, daß PKW an der Kreuzung mit der P-Straße anhalten müssen und dann ihre Fahrt fortsetzen können, wobei beim Anfahren zweifellos ein erhöhter Lärm verursacht werde. Eine Mangelhaftigkeit der ganzen Messungen im Verfahren durch die belangte Behörde sei auch darin zu erblicken, daß keinerlei Messungen über die Häufigkeit des Befahrens durch Kraftfahrzeuge in der P-Straße vorgenommen worden seien. Die Feststellung, daß in den Messungszeiträumen so und so viele Autos gefahren seien, genüge nicht, es hätten auch die Zwischenräume zwischen den einzelnen vorbeifahrenden Autos gemessen werden müssen. Die belangte Behörde führe im angefochtenen Bescheid aus, daß der Sitzgarten gut besucht gewesen sei. Sie habe sich allerdings nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie groß die Auslastung des Sitzgartens sei. Infolge der klimatischen Situation in Klagenfurt sei die Auslastung des Sitzgartens in der Zeit vom Mai bis September durchschnittlich mit 50 % anzunehmen, sodaß die ermittelten Werte der belangten Behörde keinen repräsentativen Durchschnitt darstellten, da die belangte Behörde von einem guten Besuch des Sitzgartens spreche. Auch hätte, wie bereits ausgeführt, dem Umstand von seiten der belangten Behörde mehr Beachtung geschenkt werden müssen, daß das Gastlokal samt Garten in der P-Straße 139 im Kreuzungsbereich gelegen sei. Die A-Straße - und dies sei ebenfalls vergessen worden - sei eine Verbindungsstraße von der P-Straße zur V-Straße und es erfolge die Abkürzung der von Osten kommenden Fahrzeuge nach Westen eben über die A-Straße zur V-Straße hin. Die belangte Behörde habe sich mit der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 (Beurteilung von Schallimmmissionen, Lärmstörungen in der Nachbarschaft) nicht auseinandergesetzt. Nach dieser ÖAL-Richtlinie Nr. 3 dürfe der Grenzwert für Schallpegelspitzen zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr 59 dB betragen. Während der gesamten Meßperioden sei eine solche Überschreitung der Normwerte nie gegeben bzw. nicht auf Geräusche, die aus dem Sitzgarten gekommen wären, zurückzuführen gewesen. Da eine Überschreitung der erhobenen Grundgeräuschpegelwerte nach dieser ÖAL-Richtlinie Nr. 3 nie gegeben gewesen sei, wäre demnach dem Genehmigungsansuchen Folge zu geben gewesen.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

    Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche

Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334,

335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie ... u.a.

geeignet sind,

    1. das Leben oder die Gesundheit ... der Nachbarn ... zu

gefährden; ...,

    2. die Nachbarn durch ... Lärm ... zu belästigen, ...

Die Betriebsanlage ist im Grunde des § 77 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, ist nach § 77 Abs. 2 GewO 1973 danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf gemäß § 81 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.

Im vorliegenden Fall geht aus den Gutachten vom 30. Juli 1991 hervor, daß es nach 22.00 Uhr im Lärmgeschehen Ruhepausen gegeben habe, in denen "nur das Ticken der im Wohnzimmer des Ehepaares S befindlichen Wanduhr zu hören" gewesen sei (siehe die Anmerkung zur Angabe des Grundgeräuschpegels bei den ersten Messungen nach 22.00 Uhr im Gutachten des technischen Amtssachverständigen), nach 22.00 Uhr sei die Umgebungsgeräuschsituation nur noch durch den an- und abschwellenden Verkehrslärm von der P-Straße mit zwischen den einzelnen Verkehrsströmen zu bemerkenden Ruhepausen von unterschiedlicher Dauer gekennzeichnet gewesen (siehe den Schlußsatz im Befund des Gutachtens des medizinischen Amtssachverständigen). In den Gutachten wurde weiters dargetan, daß während der Öffnungszeit des Sitzgartens eine deutliche Hörbarkeit von Gesprächen und Gemurmel aus diesem Teil der Betriebsanlage und daß weiters nach Betriebsende noch Manipulationsgeräusche von dort in Erscheinung getreten seien (siehe hiezu ebenfalls die Ergebnisse der ersten Messungen nach 22.00 Uhr und das Gutachten des technischen Amtssachverständigen). Aus den Gutachten ergibt sich eine deutliche Beeinflussung des Umgebungsgeräuschbildes durch den Sitzgarten während dessen Betriebszeit und eine merkliche Beruhigung der Umgebungsgeräuschsituation nach dem Ende der Betriebszeit um 22.00 Uhr (siehe vorletzter Absatz des Gutachtens des medizinischen Amtssachverständigen). Vom medizinischen Amtssachverständigen wurde schließlich dargetan, daß die bei einer Ausdehnung der Betriebszeit auf 23.00 Uhr auftretenden Lärmimmissionen daher in der Zeit nach 22.00 Uhr als geeignet angesehen werden können, den Einschlafvorgang zu behindern und dadurch eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens herbeizuführen.

Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben wäre. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens lassen - unbeschadet der (auch von den Sachverständigen ins Auge gefaßten) Störlärmspitzen des Verkehrslärms und ohne daß es weiterer Feststellungen über die Gestaltung des Lärmgeschehens anläßlich der Fahrmanöver des Anhaltens und der Anfahrt zur Beachtung des bevorrangten Verkehrs, über die Verkehrsfunktion der Straßenkreuzung im Bereich der gegenständlichen Betriebsanlage oder über das Ausmaß der Zwischenräume zwischen den einzelnen vorbeifahrenden Autos bedurfte - mit hinlänglicher Deutlichkeit die Auswirkungen erkennen, die ein Betrieb des Sitzgartens zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr auf die Nachbarn hätte. Der Verwaltungsgerichtshof vermag - insbesondere auch auf dem Boden des Beschwerdevorbringens - nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde einen Anlaß gehabt hätte, den technischen oder den medizinischen Sachverständigen zu veranlassen, im Hinblick auf eine etwa in der ÖAL-Richtlinie Nr. 3 enthaltene Aussage eine Ergänzung des jeweiligen Gutachtens vorzunehmen. Weder den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens noch der vorliegenden Beschwerde läßt sich ein Gesichtspunkt entnehmen, demzufolge für den medizinischen Sachverständigen ein fachlicher Erkenntnisstand maßgebend hätte sein müssen, wonach der Grenzwert für Schallpegelspitzen zwischen 22.00 und 06.00 Uhr 59 dB betragen dürfte.

Es war nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung die von einem Betrieb des Sitzgartens nach 22.00 Uhr zu erwartenden Auswirkungen als unzumutbar im Sinne des § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1973 beurteilte. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß diese rechtliche Qualifikation etwa im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer in Treffen geführte klimatische Situation, nämlich im Hinblick auf die jahreszeitlichen Grenzen der Möglichkeit des Betriebes des Sitzgartens von Mai bis September, verfehlt wäre.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040087.X00

Im RIS seit

15.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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