TE Vfgh Erkenntnis 1990/3/15 B1174/89

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Veröffentlicht am 15.03.1990
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung B-VG Art18 Abs2 RAO §8 RAO §9 RL-BA 1977 §5 RL-BA 1977 §6

Leitsatz

Keine Bedenken gegen §§5, 6 RL-BA 1977 (Verbot der Ausübung bestimmter Tätigkeiten durch Rechtsanwälte) im Hinblick auf den Gleichheitssatz und §§8, 9 RAO; keine willkürliche Verhängung einer Disziplinarstrafe wegen Übertretung dieses Verbotes

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (künftig: OBDK) vom 13. März 1989, ZBkd 81/88-9, wurde der Berufung des Kammeranwaltes gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. November 1987 teilweise Folge gegeben und Dr. M M für schuldig erkannt, er habe dadurch, daß er im Jänner 1984 als Gesellschafter der Fa. Dr. P-L & Co Ges.m.b.H. an der Ausweitung des Unternehmensgegenstandes mitwirkte, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen, wofür er zur Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verurteilt wurde.

Die OBDK hat dies im wesentlichen wie folgt begründet:

Aus der Gesellschafterliste sei zu entnehmen, daß der Rechtsanwalt Dr. P-L und der Disziplinarbeschuldigte Geschäftsanteile in der Höhe von je S 250.000,-- bei einem Stammkapital von insgesamt S 500.000,-- erworben haben. Dr. F P-L sei im Wege eines Anfang 1984 geschlossenen Treuhandvertrages Treuhänder für Frau B P, die ihrerseits Treuhänder des Mag. L D gewesen sei.

Der Disziplinarbeschuldigte habe als Treuhänder des E P am 11. Jänner 1984 dessen Anteile übernommen und am gleichen Tag als Mitgesellschafter an einer außerordentlichen Generalversammlung dieser Gesellschaft teilgenommen, bei welcher der Firmenwortlaut in "Dr. P-L & Co Gesellschaft m.b.H." geändert und der Gegenstand des Unternehmens insbesondere um die Betriebsgegenstände

"m) Ausübung des Gewerbes zur Einziehung fremder Forderungen (Inkassobüros) gemäß §§307 ff Gewerbeordnung 1973"

und

"n) Ausübung des Gewerbes der Ausgleichsvermittlung gemäß §§271 ff Gewerbeordnung 1973"

erweitert wurde.

In der Folge habe Mag. D Aktivitäten für die Dr. P-L & Co Ges.m.b.H. (Firmenliquidation, Firmenankauf und -verkauf, Firmengründung, -umwandlung und -sanierung, Schuldregulierungen, Gläubigerverhandlungen etc.) entfaltet, die zu einer Klage des Österreichischen Rechtsanwaltsvereines Anlaß gaben. In diesem Zusammenhang sei es zu einer Disziplinaranzeige gegen Dr. M M gekommen. Der Disziplinarbeschuldigte habe hierauf unverzüglich die Treuhandschaft gekündigt und die treuhändig gehaltenen Stammanteile abgegeben.

Nach Meinung der OBDK komme der Mitwirkung des Disziplinarbeschuldigten an der Erweiterung des Unternehmensgegenstandes der Dr. P-L & Co Ges.m.b.H. um die Punkte m) ("Ausübung des Gewerbes zur Einziehung fremder Forderungen (Inkassobüros) ...") und n) ("Ausübung des Gewerbes der Ausgleichsvermittlung ...") aus folgenden Gründen disziplinäre Bedeutung zu:

"Die in diesen Punkten angeführten Gegenstände des Unternehmens sind nämlich ... Tätigkeiten, die auch zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen. Nach §5 RL-BA durfte daher der Beschuldigte als Rechtsanwalt diesem Unternehmen weder als Vorstandsmitglied, Geschäftsführer, Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter tätig sein noch einem solchen Unternehmen in anderer Art angehören. Gemäß §6 RL-BA 1977 darf der Rechtsanwalt des weiteren nicht mit Personen oder Einrichtungen zusammenarbeiten, die zur Besorgung von Angelegenheiten Dritter befugt sind oder eine solche zum Gegenstand haben (soferne er nicht unmittelbar bevollmächtigt wurde, was vorliegend aber nicht zutrifft).

Bemerkt sei, daß die Übernahme einer Treuhandschaft durchaus in den Rahmen der beruflichen Tätigkeiten der Rechtsanwaltschaft fällt und daher an sich nicht zu beanstanden ist.

Dadurch, daß der Beschuldigte und sein damaliger Anwaltskollege Dr. (F) W P-L die obzitierte Gesellschaft auch mit den in den Punkten m) und n) des Unternehmensgegenstandes bezeichneten Tätigkeiten gründeten und dadurch diese Tätigkeiten durch die genannte Gesellschaft erst ermöglichten und förderten, ist objektiv ein Verstoß gegen die erwähnten Richtlinien gegeben. Die Ansicht des Disziplinarrates, ein Verstoß gegen die Richtlinien gemäß §§5 und 6 RL-BA 1977 läge nur dann vor, wenn es sich um eine aktive Tätigkeit des Rechtsanwaltes handle, kann schon nach dem klaren Wortlaut des §5 RL-BA 1977, wonach ein Rechtsanwalt einem solchen Unternehmen nicht einmal angehören darf, nicht gefolgt werden.

...

         Tatsächlich hat der Beschuldigte ... die - nach dem

Vorgesagten den §§5 und 6 RL-BA 1977 zuwider laufende -

Ausweitung des Unternehmensgegenstandes auch auf die in den

Punkten m) und n) bezeichneten Tätigkeiten ... mit beschlossen

und dadurch tatsächlich Tätigkeiten der Gesellschaft, welche in das berufsmäßige Vertretungsrecht der Rechtsanwaltschaft eingreifen, ermöglicht bzw. gefördert.

...

         ... Tatsächlich ist es ... in der Folge ... - ermöglicht

durch die vom Beschuldigten mitbeschlossene Fassung des

Gesellschaftsvertrages - zu ... Gesellschaftstätigkeiten

gekommen, welche zu den ... Gegenmaßnahmen von Organen der

Rechtsanwaltschaft sowie zur Einleitung des gegenständlichen Disziplinarverfahrens führten. ...

Es war demnach insoferne - teilweise - der Berufung Folge zu geben und mit einem Schuldspruch vorzugehen; der Schuldspruch hatte sich jedoch darauf zu beschränken, daß durch die inkriminierte Vorgangsweise des Beschuldigten die Durchführung jener Tätigkeiten, die in das berufsmäßige Vertretungsrecht der Rechtsanwaltschaft eingreifen, nur in bezug auf die in den Punkten m) und n) des (geänderten) Unternehmensgegenstandes ermöglicht und gefördert wurden.

... Zu berücksichtigen war aber auch der geringe Schuld- und Unrechtsgehalt ..., zumal der Beschuldigte sofort nach dem Bekanntwerden der tatsächlichen Tätigkeiten der Dr. P-L Gesellschaft m.b.H. entsprechende persönliche Konsequenzen gezogen hat. Demzufolge ist das dem neu gefällten Schuldspruch zugrunde liegende disziplinäre Fehlverhalten des Beschuldigten letztlich nur als ein Formaldelikt einzustufen."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz, Freiheit der Erwerbstätigkeit und Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht, die gesetz-(verfassungs-)widrige Anwendung der §§5 und 6 RL-BA 1977, allenfalls die Gleichheitswidrigkeit dieser Richtlinien behauptet werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Der Beschwerdeführer lastet dem angefochtenen Bescheid zunächst eine Verletzung des Gleichheitsgebotes an. Die Annahme der belangten Behörde, die Erweiterung des Unternehmensgegenstandes der Dr. P-L & Co Ges.m.b.H. um die in den Punkten m) (Inkassobüro) und n) (Ausgleichsvermittlung) genannten Berechtigungen stelle objektiv einen Verstoß gegen die Richtlinien dar, sei schon deshalb unrichtig, weil dafür Konzessionen erteilt werden müßten und weil die dafür abzuwickelnden langwierigen Verfahren zur Zeit der treuhänderischen Stellung des Beschwerdeführers noch gar nicht abgeschlossen gewesen seien; eine Tätigkeit des Unternehmens für die erweiterten Betriebsgegenstände habe es daher noch gar nicht geben können. Soweit die belangte Behörde daran Anstoß nehme, daß bei den Punkten m) und n) keine sogenannte Ausschlußklausel wie im Punkt o) vorgesehen war, nämlich daß jede Tätigkeit des Unternehmens ausgeschlossen sei, die Wirtschaftstreuhändern, Notaren und Rechtsanwälten vorbehalten sei, bleibe dafür schon deshalb kein Raum, weil das Unternehmen die erweiterten Betriebsgegenstände noch gar nicht hätte ausüben können. Die Ausführungen des angefochtenen Bescheides zielten daher auf eine rein "theoretische Möglichkeit" einer Gewerbeausübung ab. Es müsse auch zwischen den rein abstrakten Möglichkeiten, die vorsorglich in einem Vertrag vorgesehen seien, und konkreten, ein Gewerbe tatsächlich auszuüben, unterschieden werden. Sohin sei es grob rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer die Förderung und Ermöglichung der Ausübung eines Gewerbes vorwerfe. Dazu komme, daß die Ausübung einer Treuhandschaft unter §5 RL-BA 1977 nicht subsumiert werden könne. Es gehe nicht an, im Wege der Analogie die in der zitierten Richtlinie genannten Betätigungen auch auf den Tatbestand des Treuhänders auszudehnen, da ein solcher nicht im entferntesten der Stellung eines Dienstnehmers, Vorstandsmitgliedes, Geschäftsführers, Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten ähnle. Wenn die belangte Behörde eine Treuhandschaft unter §5 RL-BA 1977 subsumiere, obwohl eine solche Gesetzesanwendung nicht einmal aufgrund eines Analogieschlusses denkmöglich erscheine, wie sich dies auch aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11302/1987 ergebe, sei der angefochtene Bescheid mit Gleichheitswidrigkeit belastet. Zusätzlich sei aber auch §5 RL-BA 1977 - ungeachtet der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu dessen Unbedenklichkeit - bei einer vergleichenden Betrachtung mit anderen Standesrichtlinien gleichheitswidrig. Zu diesem Ergebnis führe ein Vergleich mit den Bestimmungen des Richterdienstgesetzes (§63 RDG), der Notariatsordnung (§7 NO) und der Wirtschaftstreuhänderberufsordnung (§34 WTBO). Alle genannten Regelungen seien wesentlich liberaler als §5 RL-BA 1977. Schließlich habe die belangte Behörde auch nicht beachtet, daß die von ihr gewählte Auslegung mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit unvereinbar sei. Im Ergebnis verstoße der angefochtene Bescheid schließlich auch gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums.

3.2. Der angefochtene Bescheid beruft sich auf §§5 und 6 RL-BA 1977. Diese Bestimmungen lauten:

"§5. Der Rechtsanwalt darf als Dienstnehmer ein Dienstverhältnis, dessen Gegenstand auch Tätigkeiten umfaßt, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen, weder eingehen noch aufrechterhalten. Umfaßt der Gegenstand eines Unternehmens auch derartige Tätigkeiten, darf der Rechtsanwalt weder für dieses als Vorstandsmitglied, Geschäftsführer, Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter tätig sein noch diesem in anderer Art angehören. Tätigkeiten des Rechtsanwaltes in solchen Stellungen unterliegen jedenfalls den Grundsätzen seiner Berufsausübung.

§6. Der Rechtsanwalt darf nicht mit Personen oder Einrichtungen zusammenarbeiten, die zur Besorgung von Angelegenheiten Dritter befugt sind oder eine solche zum Gegenstand haben, wenn seine Tätigkeit nicht auf Grund eines unmittelbar erteilten Auftrages (§11) erfolgt oder eine mit Artikel IX nicht in Einklang stehende Entlohnung des Rechtsanwaltes bedungen ist."

Der Verfassungsgerichtshof verweist zunächst auf seine Rechtsprechung (VfSlg. 9537/1982, 11302/1987), in der er aus der Sicht des jeweiligen Beschwerdefalles keine Zweifel hegte, daß §5 RL-BA 1977 gesetzlich gedeckt sei. Im Erkenntnis VfSlg. 11302/1987 führte er insbesondere aus:

"Das Gebot des §9 RAO, woraus sich ergibt, daß ein Rechtsanwalt die ihm nach §8 RAO zustehenden Befugnisse dem Gesetz gemäß zu führen hat und daß er befugt ist, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, verlangt, daß der Anwaltsberuf selbständig ausgeübt wird; dazu im Widerspruch stünde, wenn ein Rechtsanwalt Tätigkeiten, zu deren Ausübung er als Angehöriger dieses Berufsstandes berechtigt ist, in dienstvertraglicher Abhängigkeit erbringt. Der erste Satz des §5 RL-BA 1977 ist somit in den §§8 und 9 RAO gedeckt.

Etwas anders zu sehen ist die gesetzliche Deckung des Verbots im zweiten Satz von §5 RL-BA 1977. Dabei geht es - was zunächst festzuhalten ist - keineswegs darum, Anwälte von einer wirtschaftlichen Beteiligung an Unternehmungen welcher Art immer auszuschließen. Ebensowenig wird - nach Inhalt des §5 RL-BA 1977 - gegen die anwaltlichen Berufspflichten oder gegen Ehre und Ansehen des Standes verstoßen, wenn sich ein Anwalt in einem Unternehmen betätigt, dessen Gegenstand mit anwaltlichen Tätigkeiten nichts oder nur am Rande zu tun hat. Allerdings können Umstände vorliegen, die nach sich ziehen, daß auch eine solche Betätigung durch die Art, wie sie ausgeübt wird, gegen den letzten Satz der zitierten Richtlinie verstößt und damit als Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes vorwerfbar ist. Wenn allerdings unmittelbarer Unternehmensgegenstand ausschließlich oder doch in essentiellem Ausmaß Tätigkeiten sind, die zu den zulässigen Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen, setzt das Verbot im zweiten Satz des §5 RL-BA 1977 ein; dahinter steht, daß die Betätigung von Anwälten in Unternehmungen mit einem solchen Gegenstand, gleichgültig, ob dies als Vorstandsmitglied, als Geschäftsführer oder in anderer Art der Fall ist, leicht zu einer Kollision zwischen den anwaltlichen Standespflichten und den Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen führen kann. Ist aber die gleichzeitige Wahrung von Unternehmensinteressen und anwaltlichen Pflichten schon von der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Berufsinhalte her nicht möglich, so ist die Ausübung solcher Beschäftigungen mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft unvereinbar und muß - wie §20 litc RAO festlegt - dem Ansehen des Rechtsanwaltsstandes zuwiderlaufen. Der zweite Satz des §5 RL-BA 1977 findet somit Deckung in der eben zitierten Gesetzesstelle."

Der Verfassungsgerichtshof sieht auch aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Soweit in der Beschwerde eine Gleichheitswidrigkeit deshalb behauptet wird, weil Regelungen, die andere freie Berufe oder den Richterstand betreffen, vergleichsweise liberaler wären, ist dies schon deshalb verfehlt, weil es sich dabei schon vom jeweiligen Berufsbild her um Unterschiedliches handelt.

Der Verfassungsgerichtshof hegt aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles aber auch keine Bedenken gegen §6 RL-BA 1977, sodaß er auch insoferne keinen Anlaß sieht, ein Verordnungsprüfungsverfahren einzuleiten.

Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen könnte eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz somit nur dann vorliegen, wenn der Behörde Willkür anzulasten wäre. Eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsausübung und auf Unversehrtheit des Eigentums würden eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes (der Richtlinien) voraussetzen.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985). Eine denkunmögliche Anwendung der Rechtsgrundlagen läge vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 10356/1983, 10482/1985).

Derartige Vorwürfe können der belangten Behörde jedoch nicht gemacht werden. Ausgehend davon, daß der Beschwerdeführer als Treuhänder für 50 % des Stammkapitals einschritt, ist es jedenfalls vertretbar, wenn die belangte Behörde im Sinne des §5 RL-BA 1977 davon ausging, daß er einem Unternehmen "angehörte", dessen Gegenstand auch Tätigkeiten umfaßt, die zu den befugten Aufgaben eines Rechtsanwaltes zählen. Das Ausmaß der Geschäftsanteile, für die der Beschwerdeführer die Treuhandschaft ausübte, räumte ihm gesellschaftsrechtlich keine Position ein, die es ausgeschlossen hätte, daß es zu einer Kollision zwischen seinen Standespflichten und seinen Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen kommen konnte. Aus den Feststellungen des Administrativverfahrens sowie den Behauptungen des Beschwerdeführers geht schließlich auch nicht hervor, daß er an die Weisungen seines Treugebers nicht gebunden gewesen wäre und daß er - insbesondere bei Auftreten einer Kollision - seine Stellung als Treuhänder jederzeit hätte zurücklegen können. Die belangte Behörde hat sich auch sonst mit den Verfahrensergebnissen eingehend auseinandergesetzt, sodaß ihr auch insoferne ein willkürliches Vorgehen nicht vorgeworfen werden kann. Ob die Behörde richtig entschieden hat, war vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; ein denkunmögliches Vorgehen kann ihr offenkundig nicht angelastet werden. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, der Frage nachzugehen, ob der angefochtene Bescheid überhaupt in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums eingreifen konnte.

3.3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

4. Da die OBDK als Behörde nach Art133 Z4 B-VG eingerichtet ist und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausdrücklich für zulässig erklärt wurde, war der Antrag auf Abtretung der Beschwerde abzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1174.1989

Dokumentnummer

JFT_10099685_89B01174_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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