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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO NÖ 1976 §86;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der X-AG in Y, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. Mai 1992, Zl. R/1-V-91124, betreffend ein baubehördliches Bewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1) M in G,
2) Stadtgemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Anbringen vom 19. September 1990 beantragte die Beschwerdeführerin bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Neubaues auf näher bezeichneten Grundstücken der KG G. Nach dem beigeschlossenen Einreichplan ist ein Lokal mit einem Verkaufsraum von 309,40 m2 sowie entsprechenden Nebenräumen und 42 Pkw-Stellplätzen mit einer Aus- und Einfahrt von der L-Straße, einer Landesstraße, Gegenstand des Bauansuchens. Gegenüber der Verkehrsfläche B-Weg ist in dem Bauplan ein Erddamm als Schallschutz vorgesehen. Gegenüber der L-Straße ist zwischen Gehsteig und Parkplätzen nach dem Bauplan eine begrünte Böschung in einer Breite von 3 m beabsichtigt.
Auf Grund dieses Bauansuchens beraumte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde für 15. Oktober 1990 eine Verhandlung an, welche der Vorbegutachtung des Projektes unter Beiziehung der Nachbarn dienen sollte. Bei dieser Verhandlung machten Nachbarn, darunter der Erstmitbeteiligte, eine Reihe von Einwendungen geltend, insbesondere Lärmbelästigungen, Belästigungen durch Abgase der parkenden Autos, ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und der Wohnqualität sowie ein erhöhtes Sicherheitsrisiko durch die geplante Zufahrt. Insbesondere erachteten die Nachbarn ein "Einkaufszentrum" in der hier gegebenen Widmung Bauland-Wohngebiet als nicht erforderlich und regten eine Verlegung des Betriebes an. Bei der Verhandlung erklärte ein Vertreter der NÖ Umweltschutzanstalt, daß ein lärmtechnisches Gutachten über die zu erwartenden Lärmauswirkungen erstellt worden sei, zu dessen Erstellung umfangreiche Umgebungslärmmessungen zur Tag- und Nachtzeit durchgeführt worden seien. Dieses Gutachten habe die Zulässigkeit des Betriebes ergeben, was im einzelnen näher begründet wurde. Dieses Gutachten sei auch Anlaß dafür gewesen, entlang der östlichen Betriebsgrundgrenze eine Lärmschutzwand vorzusehen, durch die eine weitere Pegelreduzierung zu erwarten sei. Weiters seien hinsichtlich der kühl- und lüftungstechnischen Anlagen in diesem Gutachten der NÖ Umweltschutzanstalt Maßnahmen vorgeschlagen worden, die im nunmehrigen Projekt berücksichtigt seien.
Der Bürgermeister beraumte sodann für 12. November 1990 eine weitere mündliche Verhandlung an. Bei der Projektsbeschreibung wurde u.a. festgehalten, daß zur L-Straße ein lebender Zaun mit einer maximalen Gesamthöhe von 1,50 m errichtet werde. Der bautechnische Amtssachverständige erachtete das Bauvorhaben in der nach dem Flächenwidmungsplan gegebenen Widmung Bauland-Wohngebiet als zulässig. Eine Reihe von Auflagen wurde in Aussicht genommen. Der Erstmitbeteiligte schloß sich bei dieser Verhandlung einer Forderung, die Mindesthöhe des in Aussicht genommenen lebenden Zaunes auf 1,80 m bis 2 m zu erhöhen sowie das Ein- und Ausladen sämtlicher Waren außerhalb der Geschäftszeiten lärmgedämmt vorzunehmen, an. Er ersuchte zusätzlich um die Verlegung der Zufahrt in die Verkehrsfläche B-Weg. Weiters brachte er vor, daß für die Entladung der Waren außerhalb der Geschäftszeiten ein eigener geschlossener Verladeraum gewünscht werde. Die Kühlmaschinen seien nach den derzeit gültigen technischen Vorschriften zu betreiben und zu installieren. Der Verhandlungsschrift kann nicht entnommen werden, daß zu diesen Forderungen irgendeine Stellungnahme erfolgte.
Mit Schreiben vom 22. November 1990 ersuchte der Bürgermeister das Amt der NÖ Landesregierung um die Erstellung eines Gutachtens betreffend die Planunterlagen aus verkehrstechnischer Sicht und zur Frage, ob eine Betriebszufahrt auch weiter nach Osten verlegt werden könne bzw. ob diese Zufahrt im Bereich anderer namentlich genannter Verkehrsflächen aus verkehrstechnischer Sicht möglich wäre. Mit einem weiteren Schreiben vom 11. Dezember 1990 ersuchte der Bürgermeister den Gemeindearzt um die Erstellung eines Gutachtens bezüglich eventueller Belästigung der Anrainer durch Lärm und Geruch.
In dem verkehrstechnischen Gutachten vom 18. Dezember 1990 nahm ein Amtssachverständiger des Amtes der NÖ Landesregierung zu den Projektsunterlagen Stellung und erachtete aus verkehrstechnischer Sicht das Projekt als bewilligungsfähig. Eine Verlegung der Ein- und Ausfahrt wurde nicht befürwortet. Im Interesse der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs wurde die Vorschreibung von Auflagen angeregt.
Mit einem Schriftsatz vom 28. Februar 1991 verwiesen der Erstmitbeteiligte sowie andere Nachbarn darauf, daß bei der gewerberechtlichen Verhandlung vom 25. Februar 1991 ein neuer rechtlicher Aspekt aufgetaucht sei, und zwar die Errichtung von Abstellflächen im Wohngebiet, eine Frage, zu der ein Rechtsgutachten eingeholt werde. Die Anrainer würden ersuchen, dieses Gutachten als Grundlage für weitere Entscheidungen abzuwarten.
In der Folge stellte die Beschwerdeführerin einen beim Stadtamt am 17. April 1991 eingelangten Devolutionsantrag, mit dem sie den Übergang der Zuständigkeit an den Gemeinderat als sachlich zuständige Oberbehörde begehrte. In einer als Gutachten bezeichneten Stellungnahme vom 20. April 1991 erklärte der medizinische Amtssachverständige, bestimmte Maßnahmen seien durchzuführen, um die Lärm- und Geruchsbelästigung auf ein akzeptables Minimum zu reduzieren. Hinsichtlich des Lärms wurde vorgeschlagen, die Anlieferung und Ausladung der Waren auf der Nordseite des Gebäudes auszuführen. Die Begrenzung des Grundstückes mit einem lebenden Zaun sei sowohl zur Südseite (L-Straße) als auch zur Ostseite (A-Gasse) vorzunehmen. Die Einfahrt sei, wenn möglich mit einer eigenen Abbiegespur zum Verkaufslokal zu versehen. Die Autoabstellplätze sollten an der Ost- und Westseite des Grundstückes angelegt werden. Zur Vermeidung von Geruchsbelästigungen schlug der Sachverständige die Errichtung eines größeren, in gemauerter Ausführung nach außen abgeschlossenen Müllraumes vor.
Zu den ergänzend eingeholten Gutachten nahm die Beschwerdeführerin in einer Äußerung dahin Stellung, daß das verkehrstechnische Gutachten das vorgelegte Projekt positiv beurteile, die amtsärztlichen Feststellungen jedoch nicht geeignet seien, eine Grundlage für die Entscheidung durch die Baubehörde zu bilden. Tatsächlich würden von der geplanten Verkaufsstätte für Lebensmittel keine wie immer gearteten unzumutbaren Belästigungen für Nachbarn und Anrainer ausgehen, weder in bezug auf Lärm noch in bezug auf Geruch. Die vom Amtsarzt angeregten Projektsänderungen seien leider technisch nicht durchführbar.
Mit Bescheid vom 13. Juni 1991 erteilte der Gemeinderat die beantragte Baubewilligung und wies die Einwendungen der Nachbarn unter Hinweis auf die ergänzend eingeholten Gutachten als unbegründet ab. Sodann wird im Spruch des Bescheides folgendes festgestellt:
"Die Verhandlungsschrift über die Bauverhandlung sowie die vorhin genannten Gutachten bilden einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides und die Ausführung des Bauvorhabens hat nach Maßgabe der Sachverhaltsdarstellung, der erfolgten Auflagen bei der Bauverhandlung sowie der Erfordernisse des Verkehrsgutachtens und des ärztlichen Gutachtens zu erfolgen. Ebenfalls bilden die eingereichten Planunterlagen einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides."
Zur Begründung wurde lediglich ausgeführt, daß das Bauvorhaben mit dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan im Einklang stehe und im Hinblick auf das Ergebnis der Bauverhandlung sowie der genannten Gutachten hätte bewilligt werden können. Die Interessen der Anrainer seien bei der Erstellung des Verkehrsgutachtens sowie des Gutachtens des Gemeindearztes berücksichtigt worden und es seien daher die darin angeführten Auflagen zu erfüllen.
Gegen diesen Bescheid erhoben der Erstmitbeteiligte sowie weitere Nachbarn Vorstellung an die Niederösterreichische Landesregierung. Die Nachbarn verwiesen auf ihre Einwendungen und führten als Gründe, weshalb sie gegen den Bau eines Verkaufsmarktes seien, insbesondere aus, daß durch die Fertigstellung der Umfahrung von G ihr Wohngebiet nun endlich ein weitgehend geringeres Verkehrsaufkommen aufweise. Sie seien daher einer viel geringeren Umwelt- und Lärmbelästigung ausgesetzt. Dies werde durch das Zu- und Abfahren auf das Gelände der Beschwerdeführerin wieder zunichte gemacht. Die Beschwerdeführerin plane die Errichtung von 42 Parkplätzen. Sollten diese in Stoßzeiten nicht ausreichen, so sei ein Abstellen der Autos und Einkaufswagen vor den Gärten der Nachbarn zu befürchten. Da in G die Nahversorgung gegeben sei, sei ihrer Meinung nach die Errichtung eines Verkaufsmarktes in einem Wohngebiet nicht notwendig. Sie fänden es zweckmäßiger, Betriebe solcher Art im vorhandenen Betriebsgebiet anzusiedeln. In einer Stellungnahme vom 20. August 1991 verwies die Beschwerdeführerin auf die Entscheidung des Gemeinderates, die mit sämtlichen Verfahrensvorschriften im Einklang stehe. Es wurde beantragt, die Vorstellung als unbegründet abzuweisen.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die Niederösterreichische Landesregierung der Vorstellung Folge, behob den Berufungsbescheid und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Nach kurzer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die Gemeindeaufsichtsbehörde zunächst fest, daß nach § 16 Abs. 3 des NÖ. Raumordnungsgesetzes 1976 der vorgesehene Verbrauchermarkt in Bauland-Wohngebiet grundsätzlich zulässig sei. Gemäß § 87 Abs. 1 erster Satz der NÖ. Bauordnung 1976 (BO) dürften allerdings private Abstellanlagen innerhalb des Bauland-Wohngebietes nur insoweit errichtet werden, als sie für die Bewohner des Gebietes oder die dort Beschäftigten erforderlich sind. Die geplanten 42 Stellplätze seien für die Bewohner des dortigen Gebietes jedenfalls nicht erforderlich, was bedeute, daß lediglich so viele Stellplätze zulässig seien, als für die Beschäftigten des Verkaufsmarktes erforderlich seien. Wenngleich dem Bauakt nicht zu entnehmen sei, wie viele Beschäftigte in dem geplanten Verbrauchermarkt mit einer Verkaufsfläche von 309 m2 Arbeit finden werden, scheine es doch ausgeschlossen, daß für die dort künftig Beschäftigten 42 Stellplätze erforderlich sein werden. Sollten im vorliegenden Fall nach § 86 Abs. 1 und 2 der NÖ. Bauordnung 1976 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Z. 7 der NÖ. Garagenverordnung, wonach für je 50 m2 Verkaufsfläche ein Stellplatz herzustellen sei, mehr Stellplätze erforderlich sein als nach § 87 Abs. 1 erster Satz zulässig ist, so müßte die Bauwerberin nach § 86 Abs. 5 der NÖ. Bauordnung 1976 um eine Ausnahme von der Verpflichtung nach Abs. 1 ansuchen. Für diese nicht zulässigen Stellplätze müßte die Stadtgemeinde G dann nach § 86 Abs. 6 der NÖ. Bauordnung 1976 eine Abstellplatz-Ausgleichsabgabe vorschreiben. Da der Erstmitbeteiligte durch die Bewilligung der beabsichtigten Errichtung von 42 Pkw-Abstellplätze, welche im Widerspruch zu § 87 Abs. 1 der NÖ. Bauordnung 1976 stünden, in seinen Rechten verletzt worden sei, sei die Berufungserledigung zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückzuverweisen gewesen. Die Gemeindeaufsichtsbehörde sah sich noch zu den "verfahrensleitenden Hinweisen" veranlaßt, daß selbst bei der festgestellten grundsätzlichen Zulässigkeit eines derartigen Betriebes sowie einer bestimmten Anzahl von Abstellplätzen im Bauland-Wohngebiet es nach § 62 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976 notwendig sei, die zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit und von örtlich unzumutbaren Belästigungen der Anrainer nötigen Vorkehrungen zu treffen. Demgemäß scheine es erforderlich, die im Gutachten des Gemeindearztes relativ unbestimmt vorgeschlagenen Auflagepunkte zu konkretisieren und im Spruch des Bewilligungsbescheides in durchsetzbarer Form vorzuschreiben oder - sollte dies nicht als erforderlich erachtet werden - mit einer "einleuchtenden Begründung" davon Abstand zu nehmen. Es bedeute einen unauflösbaren Widerspruch, wenn einerseits die unveränderten Projektpläne zum Bestandteil des Bewilligungsbescheides erklärt und andererseits die Auflagen des Gemeindearztes vorgeschrieben werden. Für das fortzusetzende Verfahren verwies die belangte Behörde auch noch auf ein weiteres, ihrer Meinung nach offen gebliebenes Problem der Bauplatzschaffung, welches mit Rechtsverletzungen der Nachbarn offensichtlich in keinem Zusammenhang steht.
In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf freie Gestaltung eines Verkaufsmarktes samt Stellplätzen, insbesondere in ihrem Recht auf Errichtung von 42 Stellplätzen für den beabsichtigten Verkaufsmarkt und durch unrichtige Anwendung der §§ 86 und 87 BO verletzt. Es wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
In seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N. F. Nr. 10.317/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde in einem Fall der beschränkten Parteistellung des Berufungswerbers, wie es für Nachbarn im Baubewilligungsverfahren typisch ist, auf jenen Themenkreis eingeschränkt ist, in dem diese Partei mitzuwirken berechtigt ist. Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG sei in einem solchen Fall ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zusteht. In seither ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof an dieser Auffassung einer beschränkten Prüfungsbefugnis der Rechtsmittelbehörde festgehalten. Diese Rechtsanschauung gilt auch für das Gemeindeaufsichtsverfahren, bestimmt doch schon Art. 119a Abs. 5 B-VG, daß nur derjenige Vorstellung nach Erschöpfung des Instanzenzuges bei der Aufsichtsbehörde erheben kann, der durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Dies entspricht auch den Bestimmungen des § 61 der NÖ. Gemeindeordnung 1973.
Nach § 118 Abs. 9 der NÖ. Bauordnung 1976 werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über
1.
den Brandschutz;
2.
den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 BO sind innerhalb des Bauland-Wohngebietes private Abstellanlagen nur für Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t und auch nur insoweit zulässig, als sie für die Bewohner des Gebietes oder die dort Beschäftigten erforderlich sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun in seinem Erkenntnis vom 20. November 1984, Zl. 84/05/0131, Slg. N. F. Nr. 11.588/A, ausgesprochen und näher begründet, daß den Nachbarn auf die Einhaltung des § 87 Abs. 1 Satz 1 BO ein subjektiv-öffentliches Recht nicht zusteht. Der Gerichtshof hält an dieser Auffassung fest, betrifft doch die Frage, ob eine Abstellanlage erforderlich ist, nach dem Gesetz ausschließlich öffentliche Interessen. In diesem Zusammenhang sei nicht unerwähnt, daß der Erstmitbeteiligte zwar seiner Meinung nach drohende Belästigungen durch Stellplätze in den zunächst erhobenen Einwendungen geltend machte, in seiner Vorstellung aber befürchtete, daß die Zahl der Stellplätze in Stoßzeiten nicht ausreichen würde, was zum Abstellen der Autos und Einkaufswagen vor den Gärten der Nachbarn führen könnte. Gerade dieses Vorbringen läßt erkennen, daß der Mitbeteiligte keinen Widerspruch des Bauvorhabens zu § 87 Abs. 1 Satz 1 BO geltend machte.
Die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung widerspricht nach Auffassung des Gerichtshofes aber auch der hier maßgeblichen Rechtslage insoweit, als § 86 Abs. 1 BO bei der Errichtung von Baulichkeiten ausdrücklich auf den damit bebauten Grundstücken Abstellanlagen mit einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen verlangt, und nach § 86 Abs. 2 BO und der danach erlassenen Verordnung Mindeststellplätze vorgesehen sind. § 87 Abs. 1 Satz 1 BO kann nun nicht so verstanden werden, daß für nach § 86 BO erforderliche Stellplätze deren Zulässigkeit wieder in Frage zu stellen ist, ja sogar eine Ausgleichsabgabe zu entrichten wäre, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides meint. Eine solche Auslegung würde Sinn und Zweck der gesetzlichen Anordnungen im § 86 BO ad absurdum führen, sodaß schon aus diesem Grund eine solche Auslegung des § 87 Abs. 1 Satz 1 BO nicht in Betracht kommt. Mit einer Auslegung in diesem Sinne wäre aber letztlich auch den Nachbarn eines an sich im Bauland-Wohngebiet zulässigen Betriebes nicht gedient, wie der Erstmitbeteiligte in seiner Vorstellung zutreffend vorbrachte.
Soweit allerdings die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, die Vorstellung des Erstmitbeteiligten wäre schon deshalb zurückzuweisen gewesen, weil ein begründeter Antrag gefehlt habe, verkennt sie die Rechtslage. In der Vorstellung wurde klar zum Ausdruck gebracht, daß und aus welchen Gründen sich der Erstmitbeteiligte gegen die Erteilung einer Baubewilligung ausgesprochen hat. Zu den Erfordernissen eines begründeten Rechtsmittelantrages hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 63 Abs. 3 AVG ausgeführt, daß diese Gesetzesstelle nicht formalistisch ausgelegt werden dürfe, sodaß es jedenfalls ausreiche, wenn erkennbar ist, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Jänner 1981, Slg. N. F. Nr. 10.343/A, u.a.). In dieser Beziehung kann die Beschwerdeführerin daher der belangten Behörde nicht zu Recht die Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Last legen.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992050129.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
13.10.2010