TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/29 91/17/0048

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Veröffentlicht am 29.01.1993
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Index

L37019 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Wien;
L37039 Lustbarkeitsabgabe Vergnügungssteuer Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1090;
B-VG Art7 Abs1;
GetränkesteuerG Wr 1971 §5 Abs2 idF 1989/033;
GetränkesteuerG Wr 1971 §5 Abs2;
StGG Art2;
VergnügungssteuerG Wr 1963 §34 Abs3 idF 1981/016;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der B-GmbH in Wien, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 23. Jänner 1991, Zl. MDR - B 33/90 und B 39/90, betreffend Haftung für Getränkesteuer und Aussetzung der Einhebung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit er über die Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung für eine Getränkesteuerschuld der P-GesmbH. abspricht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien, Magistratsabteilung 4/7, vom 15. Mai 1990 wurde die Beschwerdeführerin "auf Grund des § 5 Abs. 2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der derzeit geltenden Fassung und der §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung" als Haftpflichtige zur Zahlung der für die Zeit vom 1. Jänner 1988 bis 15. Dezember 1988 im Betrieb in Wien, X-Gasse 63, entstandenen Getränkesteuerschuld der ehemaligen Pächterin, der Firma P-GmbH im Betrag von S 33.658,-- einschließlich Nebenansprüchen herangezogen und gleichzeitig gemäß § 171 WAO aufgefordert, diesen Betrag binnen einem Monat nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten. Begründend heißt es in diesem Bescheid unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 leg. cit. im wesentlichen, daß der Verpächter eingeschränkt neben dem früheren Pächter für jene Steuerbeträge hafte, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen. Die gesetzliche Voraussetzung für die Haft- und Zahlungspflicht sei gegeben, weil die Betriebsführung durch den genannten Pächter mit 15. Dezember 1988 geendet habe und der im Bescheid aufgegliederte Rückstand der Primärschuldnerin uneinbringlich sei. Was die Festsetzung der Getränkesteuer anlange, wurde auf den in Ablichtung beigelegten Bemessungsbescheid vom 27. Februar 1989, Zl. MA 4/7-P 11/89, verwiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin sinngemäß im wesentlichen aus, daß die im genannten Bemessungsbescheid angeführte Abgabepflichtige (P-GmbH) niemals Pächterin ihres Gastgewerbeunternehmens in Wien, X-Gasse 63, gewesen sei. Aus dem Pachtvertrag vom 1. Oktober 1987 sowie aus der anläßlich der Auflösung dieses Vertrages getroffenen Vereinbarung vom 2. Dezember 1988 gehe klar hervor, daß ausschließliche Pächterin des genannten Unternehmens eine natürliche Person (Frau R) und keine juristische Person gewesen sei. Es habe keine Änderung der Vertragspartei auf der Pächterseite während des aufrechten Pachtverhältnisses gegeben und hätte eine solche auch ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin, die allerdings nicht erteilt worden wäre, nicht erfolgen können.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 18. Juli 1990 gab der Magistrat der Stadt Wien der Berufung teilweise Folge und änderte den Bescheid vom 15. Mai 1990 dahingehend ab, daß der Haftungszeitraum auf die Zeit vom 1. Jänner 1988 bis 26. September 1988 eingeschränkt sowie der Haftungsbetrag auf S 21.242,24 herabgesetzt wurde. In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen unter Hinweis auf die von der Beschwerdeführerin eingebrachte Räumungsklage ausgeführt, daß der Haftungszeitraum auf den Zeitraum bis zu deren Einbringung eingeschränkt werde. Was weiters das Vorbringen betreffe, es habe mit der Abgabenschuldnerin kein Vertragsverhältnis bestanden, sei jedenfalls die Feststellung, daß es sich um einen Pachtbetrieb gehandelt habe, unbestritten geblieben. Aus dem vorgelegten Vertrag gehe zwar hervor, daß Frau R und nicht die P-GmbH als Pächterin aufscheine, jedoch sei aus diesem Umstand für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, weil § 5 Abs. 2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971 nur an das Vorhandensein eines Pachtbetriebes anknüpfe. Eine Unterverpachtung durch R könnte nichts daran ändern, daß ein Pachtvertrag vorgelegen sei.

Im Vorlageantrag vom 25. Juli 1990 brachte die Beschwerdeführerin noch vor, daß sich Frau R als ihre Vertragspartnerin gemäß Art. 2 des genannten Pachtvertrages verpflichtet habe, den Pachtgegenstand zur selbständigen Betriebsführung zu betreiben. Eine Unterverpachtung hätte jedenfalls der schriftlichen Zustimmung der Beschwerdeführerin bedurft; im übrigen habe es jedoch tatsächlich überhaupt kein Unterpachtverhältnis gegeben.

Auf Grund dieses Vorlageantrages der Beschwerdeführerin änderte die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Jänner 1991 den erstinstanzlichen Bescheid (gleichlautend mit der Berufungsvorentscheidung) dahin ab, daß die Haftung auf den Zeitraum 1. Jänner 1988 bis 26. September 1988 sowie auf den Betrag von insgesamt S 21.242,24 eingeschränkt werde; im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, daß sich das Vorliegen eines Pachtbetriebes unzweifelhaft auf Grund des Pachtvertrages vom 1. Oktober 1987 ergebe. Soweit die Beschwerdeführerin behaupte, daß sie mit der P-GmbH keinen Pachtvertrag abgeschlossen habe, gehe dieser Einwand ins Leere, weil das Gesetz für die Haftung einen "Pachtbetrieb" voraussetze. Die genannte Ges.m.b.H. habe außerdem der Beschwerdeführerin eine Vollmacht zur Einsichtnahme in ihre Unterlagen bei der Wiener Gebietskrankenkasse sowie bei der Stadtkasse erteilt. Daraus sei zu ersehen, daß die Beschwerdeführerin von der Weitergabe des Betriebes gewußt und diese auch akzeptiert habe, weil sie der erkennbaren Betriebsführung durch die Ges.m.b.H. nicht entgegengetreten sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH liege eine Unternehmenspacht im allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages sei. Neben den Räumen müsse dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und zu dessen wirtschaftlichem Fortbestand gehöre, also Betriebsmittel (Einrichtung und Lager), Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeute aber nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müßten. Das Fehlen einzelner Betriebsgrundlagen lasse noch nicht darauf schließen, daß Miete und nicht Pacht vorliege, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber beigestellt werden und das lebende Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbestehe. Die Geltendmachung der Haftung entspreche den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, daß der Betrag bei der Primärschuldnerin rasch eingebracht werden könne. Die auf Grund der Novellierung des Getränkesteuergesetzes nunmehr bestehenden Einschränkungen seien nicht geeignet, eine Änderung des Ausmaßes der Haftung zu bewirken, da der Pachtschilling bei einem Haftungszeitraum von neun Monaten den Haftungsbetrag weit übersteige. Auf Grund der Aktenlage ergebe sich jedoch, daß die Beschwerdeführerin bereits vor Betriebsende das Pachtverhältnis aufgelöst habe. Diese Auflösung könnte erst am 26. September 1988 erfolgt sein, da frühestens mit diesem Datum die Auflösungserklärung der Vertragspartnerin zugegangen sein könne (Postaufgabe "25." September 1988). Gegen die ziffernmäßige Richtigkeit des eingeschränkten Haftungsbetrages habe die Beschwerdeführerin trotz Vorhalt mittels Berufungsvorentscheidung nichts mehr eingewendet.

Der weitere Inhalt des angefochtenen Bescheides ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Gegen diesen Bescheid, soweit er die Inanspruchnahme zur Haftung betrifft, richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, nicht zur Haftung für die Getränkesteuerverbindlichkeiten einer P-GmbH herangezogen zu werden. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 2 Getränkesteuergesetz (GetrStG) für Wien 1971, LGBl. Nr. 2, wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1988, Slg. Nr. 11.921/1988, als verfassungswidrig aufgehoben. Die bis zum Ablauf des 30. November 1989 in Kraft gestandene Fassung lautete wie folgt:

"Erfolgte die Abgabe steuerpflichtiger Getränke in einem Pachtbetriebe, so haftet der Verpächter (Haftpflichtiger) neben dem früheren Pächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen. Die Heranziehung des Haftpflichtigen zur Zahlung hat mittels Haftungsbescheides zu geschehen."

Gemäß § 5 Abs. 2 GetrStG für Wien 1971, LGBl. Nr. 2, in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1989, LGBl. Nr. 33, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971, das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 und das Vergnügungssteuergesetz 1987 geändert werden, haftet, wenn die Steuerpflicht in einem Pachtbetrieb entsteht, der Verpächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen, mit folgenden Einschränkungen:

1. Der Verpächter haftet für jedes Kalenderjahr bis zu 110 vH des Steuerbetrages, der im zweitvorangegangenen Kalenderjahr im verpachteten Betrieb angefallen ist; hat der Betrieb nicht das ganze Vergleichsjahr bestanden, so ist der im Vergleichsjahr angefallene Steuerbetrag auf ein ganzes Jahr hochzurechnen, hat er überhaupt nicht bestanden, so ist ein vergleichbarer Betrieb heranzuziehen.

2. Der Verpächter haftet aber immer bis zur Höhe des Pachtschillings, der für den Zeitraum, für den die Haftpflicht besteht, vereinbart wurde.

Nach Art. IV Abs. 1 zweiter Satz des zuletzt genannten Gesetzes ist die oben angeführte Bestimmung auch auf Steuerzeiträume vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuwenden.

Im Beschwerdefall ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich die Rechtsfrage strittig, ob die Beschwerdeführerin für der Höhe nach näher bestimmte Getränkesteuerschuldigkeiten einer Person haftet, die nicht ihr Pächter war.

In ihrer Rechtsrüge führt die Beschwerdeführerin im Einklang mit ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren aus, es ließen sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Sinn des § 5 Abs. 2 leg. cit. keinerlei Anhaltspunkte dafür finden, daß der Verpächter auch für Abgabenverbindlichkeiten eines Dritten zu haften habe. Nach dem klaren Wortlaut der genannten Gesetzesstelle könne unter "Verpächter" wohl nur der direkte Vertragspartner, unter "Pächter" weiters nur dessen Vertragspartner sowie unter "Pachtbetrieb" ausschließlich das vom Verpächter seinem Vertragspartner überlassene bestandgegenständliche Unternehmen verstanden werden. Auch die teleologische Auslegung ergebe, daß eine Inanspruchnahme des Verpächters nur dann als sachgerecht erachtet werden könne, wenn dieser auf Grund einer bestehenden direkten Vertragsbeziehung (vinculum iuris) Vorkehrungen in die Richtung treffen könne, die getränkesteuerpflichtige Gebarung seines Vertragspartners zu kontrollieren. Es liege auf der Hand, daß ihm dies in einer Kette von weiteren Verträgen (Subpachtverträgen, sonstigen Überlassungsverträgen) nicht möglich sei. Eine "uferlose" Ausweitung der Verpächterhaftung wäre keinesfalls sachgerecht und verstieße gegen das verfassungsrechtlich geschützte Gleichheitsgebot.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.

Im Erkenntnis vom 30. November 1990, Zl. 89/17/0062, führte der Verwaltungsgerichtshof zum Wortlaut "neben dem früheren Pächter" in § 5 Abs. 2 Wr GetrStG (aF) aus, daß nach der eigentümlichen Bedeutung dieser Worte in ihrem Zusammenhang unter dem früheren Pächter lediglich eine Person oder eine Mehrheit von Personen zu verstehen sei, die den Pachtbetrieb vom Verpächter gepachtet habe. § 5 Abs. 2 Wr GetrStG in der bis zum Ablauf des 30. November 1989 in Kraft gestandenen Fassung biete auch nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß der am Anfang der Kette stehende Verpächter zusätzlich zu seinem Pächter für bestimmte Abgabenschuldigkeiten eines Afterpächters hafte; im übrigen sei die in Rede stehende Haftungsbestimmung auch im Verhältnis zwischen Pächter und Afterpächter anwendbar.

Aus einem Vergleich des Wortlautes der beiden oben zitierten Fassungen des § 5 Abs. 2 Wr GetrStG geht nun hervor, daß zwar in der nunmehr geltenden Fassung die Worte "Verpächter (Haftpflichtiger) neben dem früheren Pächter" nicht mehr aufscheinen, jedoch die Wortfolge "so haftet der Verpächter ... für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der BETRIEBSFÜHRUNG DURCH DEN PÄCHTER liegenden Kalenderjahres entfallen" im übrigen unverändert geblieben ist. Damit stimmt überein, daß nach den Erläuterungen zum Entwurf der Novelle LGBl. Nr. 33/1989 damit (lediglich), dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1988, Slg. Nr. 11.921/1988 Rechnung tragend, die Haftung ihrem Umfang nach präziser EINGEGRENZT werden sollte. Daß zugleich der Kreis der Haftpflichtigen ERWEITERT werden sollte, ist den Erläuterungen nicht zu entnehmen. Es kommt also nach wie vor auf die BETRIEBSFÜHRUNG DURCH DEN PÄCHTER an, d.h. der Betrieb muß durch den Pächter selbst geführt sein. Hat ihn ein Dritter (natürliche oder juristische Person) geführt, so würde für diesen auf Grund der Formulierung des Gesetzestextes zudem auch im übrigen ein zeitlich eingeschränkter Haftungszeitraum fehlen.

Für diese Auslegung des § 5 Abs. 2 leg. cit. spricht auch das Gebot der verfassungskonformen Interpretation (vgl. Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, Rdz 135). Der Verfassungsgerichtshof hat z.B. schon in Slg. Nr. 2896/1955 ausgeführt, daß dem Gesetzgeber durch den Gleichheitsgrundsatz bei der Umschreibung des Kreises der für eine Steuer haftenden Personen ungeachtet der zivilrechtlichen Verhältnisse "insofern eine Grenze gezogen ist, als er nur solche Personen als haftpflichtig erklären kann, bei denen eine Haftung sachlich begründet ist". In seinem Erkenntnis Slg. Nr. 5318/1966 hat es der Verfassungsgerichtshof in diesem Sinn als unsachlich angesehen, "wenn jemand verhalten wird, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, hier also auch für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflußsphäre liegen". Im schon zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1988 führte der Gerichtshof mehrere Umstände ins Treffen, deretwegen er die Einrichtung einer abgabenrechtlichen Haftung des Verpächters für bestimmte Abgabenschulden eines früheren Pächters als sachlich gerechtfertigt ansah. Zu diesen Umständen zählte er insbesondere das Bestehen eines Vertragsbandes zwischen dem Verpächter und dem Pächter mit der daraus entspringenden Möglichkeit der spezifischen Gestaltung des Pachtvertrages, die Teilnahme des Verpächters durch den Pachtzins am Ertrag des Betriebes und das Zurückfallen des Betriebes an den Verpächter nach dem Ende des Pachtverhältnisses.

Diese für das Pachtverhältnis zwischen Verpächter und Pächter charakteristischen Umstände lassen sich nicht uneingeschränkt auf das Verhältnis zwischen dem Verpächter und einem Dritten übertragen. Für eine solche abgabenrechtliche Haftung des Verpächters für Abgabenschulden eines Dritten würde daher auch die sachliche Rechtfertigung fehlen (vgl. auch hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 30. November 1990, Zl. 89/17/0062). Die belangte Behörde irrt daher, wenn sie die Ansicht vertritt, daß das Gesetz für eine Haftungsinanspruchnahme des Verpächters nur das Vorliegen eines "Pachtbetriebes" voraussetze.

Im Beschwerdefall war nach dem - von der belangten Behörde unbestrittenen - Vorbringen der Beschwerdeführerin ihre ausschließliche Vertragspartnerin R (vgl. hiezu den Pachtvertrag vom 1. Oktober 1987 sowie die Vereinbarung vom 2. Dezember 1988 anläßlich der Auflösung des genannten Pachtverhältnisses). Daß das an R verpachtete Gastgewerbeunternehmen in weiterer Folge von einer P-GmbH geführt wurde, ändert nichts daran, daß diese juristische Person nicht Vertragspartnerin der Beschwerdeführerin war. Es bestand daher kein unmittelbares Rechtsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der P-GmbH, weshalb sich der Haftungsbescheid betreffend die genannte Gesellschaft als rechtswidrig erweist.

Der Hinweis der belangten Behörde auf die der Beschwerdeführerin erteilte Vollmacht vermag daran nichts zu ändern, weil dieser Umstand - entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung - noch keinen ZWEIFELSFREIEN Schluß (§ 863 ABGB) darauf zuläßt, daß die Beschwerdeführerin eine allfällige "Weitergabe des Betriebes", in welcher Form auch immer, "akzeptiert" hätte. Dies insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Worte "Ges.m.b.H." neben dem Namen der R in der ihrer Unterschrift hinzugefügten Firmenstampiglie bei flüchtiger Betrachtung leicht übersehen werden konnten; und weiters, daß es in der Vollmacht wörtlich heißt "... in MEINEM Namen ...". Letztlich hätte aber auch eine solche Zustimmung zur Weitergabe in Form einer Afterverpachtung die P-GmbH noch nicht zur Vertragspartnerin der Beschwerdeführerin gemacht. Daß die P-GmbH selbst in den Bestandvertrag eingetreten wäre, wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht behauptet.

Daran würde sich auch nichts ändern, wenn - wie die belangte Behörde erst in ihrer Gegenschrift (und damit entgegen dem aus § 41 VwGG ableitbaren Neuerungsverbot) behauptet - die Bestandrechte von R in die P-GmbH eingebracht worden wären. Denn auch wenn eine solche Einbringung quoad dominium erfolgt wäre, wäre doch R mangels Zustimmung der Beschwerdeführerin Bestandnehmerin geblieben (vgl. Würth in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch2 I S 1932 Rz. 18). Daß eine solche (auch konkludente) Zustimmung nicht angenommen werden kann, wurde oben schon ausgeführt.

Eine allfällige Anwendung des § 12 Abs. 3 MRG schließlich scheiterte allein schon daran, daß (wie auch die - an sich entbehrlichen - Ausführungen zur Unterscheidung von Unternehmenspacht und Geschäftsraummiete im angefochtenen Bescheid zeigen) die Qualifikation des vorliegenden Bestandals Pachtvertrages unstrittig ist.

Der angefochtene Bescheid war auf Grund obiger Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Antrages, der auch einer Anwendung des Art. III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 entgegenstand - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991170048.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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