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L4 Innere VerwaltungNorm
B-VG Art18 Abs2 B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 09.03.90, mit welcher die Nutzung des Hauses Braunau am Inn. Rupert-Gugg-Straße 14, zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution verboten wird Oö PolStG §2 Abs2Leitsatz
Zurückweisung eines Verordnungsprüfungsantrages der Hauseigentümer eines von einem Prostitutionsverbot erfaßten Hauses mangels Legitimation; bloße wirtschaftliche Auswirkungen der angefochtenen Verordnung; Zulässigkeit des Antrages hinsichtlich der die Prostitution ausübenden Drittantragstellerin; Abweisung eines Antrages auf Aufhebung der ein Prostitutionsverbot in einem bestimmten Haus anordnenden Verordnung; Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer solchen Verordnung iS des Oö PolStGSpruch
1. beschlossen:
Der Antrag des W und der A E wird zurückgewiesen.
2. gemäß Art139 B-VG zu Recht erkannt:
Der Antrag der B S wird abgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Braunau am Inn beschloß am 8. März 1990 folgende Verordnung, "betreffend das Verbot der Anbahnung oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken" (im folgenden kurz als "PrV Braunau" zitiert):
"Auf Grund des §2 Abs2 des OÖ. Polizeistrafgesetzes, LGBl. 36/1979, idF. der Novelle LGBl. 94/1985 wird verordnet:
§1
Die Nutzung des Hauses Braunau am Inn, Ruppert-Guggstraße Parz. Nr. 295/11 EZ. 619 KG Osternberg, zum Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution ist verboten.
§2
Wer diesem Verbot zuwiderhandelt begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 200.000.-S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen zu bestrafen.
§3
Diese Verordnung tritt mit dem Ablauf des Kundmachungstages in Kraft."
Die Verordnung wurde durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel in der Zeit vom 9. bis 26. März 1990 kundgemacht.
2. Die Antragsteller begehren mit dem vorliegenden, auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Antrag, die zitierte Verordnung zur Gänze aufzuheben.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.a) Die Antragsteller bringen zur Antragslegitimation nur vor, durch die angefochtene Verordnung werde ihnen verboten, das von der PrV Braunau erfaßte Haus zum Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution zu nützen.
Aus den vorgelegten Verordnungsakten ergibt sich, daß W und A E (Erst- und Zweitantragsteller) Eigentümer dieses Hauses sind. Die Antragsausführungen sind daher dahin zu verstehen, daß sich diese Antragsteller in ihrer Eigenschaft als Eigentümer des Hauses durch die Verordnung in ihrer Rechtssphäre beeinträchtigt erachten.
Durch die Verordnung wird ihnen aber nicht verboten, ihr Haus überhaupt oder an bestimmte Personen (etwa an die Drittantragstellerin) zu vermieten. Allfällige wirtschaftliche Auswirkungen der Verordnung sind Reflexwirkungen, die keinen Eingriff in die Rechtssphäre des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin bedeuten (vgl. zB VfSlg. 9042/1981, 9254/1981).
Diesen Antragstellern fehlt sohin die Legitimation zur Anfechtung der Verordnung. Ihr Antrag war daher zurückzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
b) Die Drittantragstellerin B S fühlt sich durch die PrV Braunau offenkundig dadurch in ihrer Rechtssphäre verletzt, weil ihr damit verboten wird, im erwähnten Haus nach wie vor die Prostitution auszuüben.
Die Verordnung greift tatsächlich unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein; es steht der Drittantragstellerin kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um die durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren (vgl. zB VfSlg. 9252/1981, 9253/1981, 9254/1981, 10184/1984, 10187/1984, 11460/1987).
Die Drittantragstellerin ist also antragslegitimiert. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist ihr Verordnungsprüfungsantrag zulässig.
2.a) Die Drittantragstellerin begründet ihre Behauptung, die PrV Braunau sei gesetzwidrig, damit, daß es durch die Ausübung der Prostitution in dem in Rede stehenden Haus zu keinen unzumutbaren Belästigungen der Nachbarschaft komme. Die im §2 Abs2 des O.ö. Polizeistrafgesetzes, LGBl. 36/1979, idF der Novelle LGBl. 94/1985 (O.ö. PolStG) vorgesehenen Voraussetzungen für die Erlassung der Verordnung hätten daher gefehlt.
b) Diese Bedenken treffen nicht zu:
aa) Die PrV Braunau wird auf §2 Abs2 O.ö. PolStG gestützt.
Diese Gesetzesbestimmung lautet:
"(2) Die Gemeinde kann die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden des Gemeindegebietes zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution durch Verordnung untersagen, wenn durch diese Tätigkeit die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt oder das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes verletzt werden."
bb) Dem Gemeinderat der Stadtgemeinde Braunau lag bei Beschlußfassung über die bekämpfte Verordnung eine Erläuterung (nämlich ein "Amtsvortrag" vom 28. Feber 1990) vor. Darin lautet es:
"... Nachdem Herr M (im wiederholt erwähnten Haus) dann tatsächlich am 19.1.1990 den (Bordell-)Betrieb aufnahm, wurden sofort von seiten der Gemeinde entsprechende Anzeigen wegen Übertretung der OÖ. Bauordnung und Verdachtes der Übertretung des OÖ. Polizeistrafgesetzes an die BH Braunau erstattet. Ebenso wurde nach Absprache mit der BH Braunau gemeinsam mit der Gendarmerie eine fast durchgehende Kontrolle des Objektes eingerichtet. Es konnten dabei folgende Vorfälle und Belästigungen an Anrainern der R. Gugg-Straße festgestellt werden:
a) Am 2.2.1990 gegen 23,00 Uhr wurde eine Frau mit ihrer Tochter von mehreren jungen Burschen, die offensichtlich angetrunken waren, angesprochen, als sie aus der Tiefgarage des Hauses R. Gugg-Straße 20-22 kamen. Die Burschen sagten: 'Wenn wir in das Haus nicht hineinkönnen (gemeint war der 'Club'), dann gehen wir zu euch.'
b) Am 28.1.1990 schlug ein Kunde, der in den 'Club' wollte, aber von Herrn M, weil er betrunken war abgewiesen wurde, mit seinem Fuß ein Glaselement der Haustüre des 'Clubs' ein.
c) Am 6.2.,7.2. und 9.2.1990 wurden laut einem Erhebungsbericht der Gendarmerie Braunau jeweils Kinder von unbekannten Männern angesprochen und nach der Adresse des 'Clubs' gefragt.
d) Am 11.2. wurde ein Bewohner des Hauses R. Gugg-Straße 18 von drei Männern, die den 'Club' verließen, gefährlich bedroht; diesbezüglich wurde eine Anzeige beim Gendarmerieposten Braunau erstattet.
e) Weiters wurden laut Erhebungen der Sicherheitswache und Mitteilungen von Anrainern mehrmals von Kunden des 'Clubs' die privaten Parkplätze der umliegenden Häuser verstellt.
Aus dieser nur beispielsweisen Aufzählung der Vorfälle seit der Inbetriebnahme des 'Clubs' bzw. Bordells ist eindeutig ersichtlich, daß hier für die Bewohner der Wohnanlage R. Gugg-Straße der Betrieb des Bordells eine starke Beeinträchtigung und Belästigung der normalen Lebensabläufe in dieser Wohngegend darstellt. Dies wird auch in der Stellungnahme der BH bestätigt. Weiters wird in diesem Schreiben darauf hingewiesen, daß gegen den Betreiber, Herrn M, Strafverfahren wegen Übertretung des OÖ. Polizeistrafgesetzes anhängig sind und nach dem Stand des Ermittlungsverfahrens die Ausübung der Prostitution als bewiesen gilt. Weiters befindet sich in direkter Nachbarschaft zum Club, in einer Entfernung von 12 Metern, ein Kriegerfriedhof. Der Betrieb eines derartigen 'Clubs' widerspricht aber allen anerkannten Vorstellungen der Gesellschaft der Pietät und Sittlichkeit. Auf diese Verletzung öffentlicher Interessen wurde auch in mehreren Schreiben des Österr. Schwarzen Kreuzes hingewiesen. ..."
cc) Der Verfassungsgerichtshof findet keinen Anlaß, an der Richtigkeit dieses Amtsberichtes zu zweifeln, zumal die Antragstellerin ihn unwidersprochen gelassen hat.
In diesem Bericht finden sich ausreichende Gründe, die deutlich machen, daß durch die Begleitumstände, die mit der Ausübung der Prostitution in Braunau, Rupert-Gugg-Straße verbunden sind, zumindest die Nachbarschaft unzumutbar belästigt wird, sowie Interessen des Jugendschutzes und sonstige öffentliche Interessen (nämlich die Würde eines Friedhofes) verletzt werden, dies unabhängig davon, wer im erwähnten Haus der Prostitution nachgeht. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Verordnung nach §2 Abs2 O.ö. PolStG lagen daher vor.
dd) Die von der Drittantragstellerin ob der Gesetzmäßigkeit der PrV Braunau vorgebrachten Bedenken treffen sohin nicht zu.
Ihr Antrag war deshalb abzuweisen.
c) Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
3. Die Oberösterreichische Landesregierung und der Bürgermeister der Stadtgemeinde Braunau begehren in den von ihnen erstatteten Äußerungen den Zuspruch von Prozeßkosten.
Diese Anträge waren schon deshalb abzuweisen, weil ein Kostenersatz nach §61a VerfGG nur dem obsiegenden Antragsteller zusteht.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Prostitution, Sittlichkeitspolizei, PolizeirechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:V173.1990Dokumentnummer
JFT_10098990_90V00173_00