TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/30 92/11/0192

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Veröffentlicht am 30.03.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
KrPflG 1961 §15 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der E in B, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 11. September 1991, Zl. 553.443/1-II/B/13a/90, betreffend Anerkennung eines ausländischen Zeugnisses über die Ausbildung im physikotherapeutischen Dienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid anerkannte die belangte Behörde auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin vom 8. November 1990 gemäß § 42 Abs. 1 iVm § 15 Abs. 3 des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 102/1961, betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste in der Fassung der Novellen BGBl. Nr. 49/1969 und BGBl. Nr. 449/1990 (KrankenpflegeG) das im Juni 1983 ausgestellte polnische Diplom über die Ausbildung als "Techniker für Physiotherapie" als gleichwertig einem österreichischen Diplom über die Berechtigung zur Ausübung des Berufes als "Diplomierte Assistentin für physikalische Medizin". Diese Anerkennung wurde an die aufschiebende Bedingung einer ergänzenden theoretischen Ausbildung an einer österreichischen medizinisch-technischen Schule und der erfolgreichen Ablegung von kommissionellen Prüfungen in folgenden Fächern geknüpft: Hygiene, Spezielle Pathologie auf dem Gebiet der Inneren Medizin, Spezielle Pathologie auf dem Gebiet der Chirurgie und Unfallchirurgie einschließlich Erste Hilfe und Verbandslehre, Spezielle Pathologie auf dem Gebiet der Orthopädie, Spezielle Pathologie auf dem Gebiet der Neurologie und Psychiatrie, Spezielle Pathologie auf dem Gebiet der Gynäkologie, Spezielle Pathologie auf dem Gebiet der Pädiatrie, Grundzüge des Sanitäts-, Arbeits- und Sozialversicherungsrechtes, Thermo-, Elektro-, Phototherapie sowie Hydro- und Balneotherapie einschließlich Hilfeleistung bei der physikalischen Diagnostik.

Nach der Begründung seien die vorgelegten Unterlagen über Inhalt und Umfang der von der Beschwerdeführerin absolvierten Ausbildung mit den in Österreich geltenden Ausbildungsvorschriften verglichen worden. Die Ermittlungen hätten ergeben, daß die Ausbildung der Beschwerdeführerin der in Österreich für den Beruf einer diplomierten Assistentin für physikalische Medizin vorgesehenen nicht entspreche und die für die Ausübung dieses Berufes in Österreich notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht bzw. nicht ausreichend vermittelt habe. Eine Ergänzung in den Rechtsfächern sei erforderlich, da die österreichischen Rechtsvorschriften im Ausland nicht unterrichtet würden. Eine Ausbildung in Hygiene sei trotz der im Ausland genossenen Ausbildung aus volksgesundheitlichen Gründen erforderlich, weil sich in diesem Bereich die Anforderungen und Gepflogenheiten von Land zu Land stark unterschieden (z.B. andere Bezeichnungen für Desinfektionsmittel, andere Konstruktion und Bedienungsweise der Sterilisationsgeräte). Hinsichtlich der übrigen Fächer habe die Beschwerdeführerin keine ausreichenden Nachweise über die Gleichwertigkeit der ausländischen Ausbildung mit der österreichischen sowie über absolvierte Ergänzungsausbildungen beibringen können. Nach den vorgelegten Unterlagen entspreche die Ausbildung der Beschwerdeführerin inhaltlich und umfangmäßig nicht der österreichischen. Der Lehrplanvergleich zeige, daß im Ausland nicht die gleichen Lehrinhalte wie in Österreich vermittelt worden seien. Eine Einschränkung der Dauer der nötigen ergänzenden Ausbildung in den theoretischen Fächern sei nicht möglich, da der Unterricht praxisbezogen sei und laufend auf bereits vermitteltem Wissen aufbaue, sodaß jeweils der Besuch der gesamten Lehrveranstaltung erforderlich sei. Die Beschwerdeführerin sei am 8. November 1990 auf die Notwendigkeit der ergänzenden Ausbildung hingewiesen worden und sie habe dies ohne Einwand zur Kenntnis genommen.

In ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde bekämpft die Beschwerdeführerin ausschließlich die beigesetzte aufschiebende Bedingung. Die belangte Behörde habe die Gleichwertigkeit der polnischen Ausbildung anhand der vorgelegten Unterlagen gar nicht überprüfen können, da aus ihnen der tatsächliche Ausbildungsgang nicht ersichtlich sei. Die belangte Behörde hätte daher von der Beschwerdeführerin jenen Lehrplan anfordern müssen, der ihrem Diplom zugrunde liege. Aus dem nachträglich beschafften Lehrplan ergebe sich, daß die Beschwerdeführerin in nahezu sämtlichen ihr nunmehr vorgeschriebenen Fächern eine der österreichischen gleichwertige Ausbildung genossen habe. Die belangte Behörde habe ferner die Beschwerdeführerin nicht zur Vorlage einer Bescheinigung über ihre Praxis im erlernten Beruf aufgefordert und sie habe ihr auch kein Parteiengehör zum Ergebnis der Beweisaufnahme gewährt. Die Beschwerdeführerin beantragt abschließend die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmungen über die Ausbildung für den physikotherapeutischen Dienst (§ 25 lit. a KrankenpflegeG) finden sich in § 30 leg. cit. sowie in der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz betreffend die Ausbildung und Prüfung in den medizinisch-technischen Diensten, BGBl. Nr. 560/1974, speziell in den §§ 10, 42, 43 sowie in der Anlage 1 dieser Verordnung. (Bei der Anführung der Zweiten Krankenpflegeverordnung, BGBl. Nr. 73/1975, in der Begründung des angefochtenen Bescheides handelt es sich offensichtlich um ein Versehen.)

Nach § 42 Abs. 1 KrankenpflegeG sind für die Anerkennung der außerhalb Österreichs erworbenen Zeugnisse über eine mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung im gehobenen medizinisch-technischen Dienst die Bestimmungen der §§ 14 und 15 leg. cit. sinngemäß anzuwenden. Der im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche § 15 Abs. 3 lautet (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 449/1990 und unter Berücksichtigung von BGBl. Nr. 45/1991):

"Außerhalb Österreichs erworbene Zeugnisse über eine mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung im Krankenpflegefachdienst sind vom Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz als österreichischen Diplomen gleichwertig anzuerkennen, wenn nachgewiesen wird, daß die im Ausland absolvierte Ausbildung die für die Ausübung des Krankenpflegeberufes in Österreich notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt hat. Hiefür kann erforderlichenfalls ein Sachverständigengutachten einer Krankenpflegeschule eingeholt werden. Die Anerkennung kann an die Bedingungen geknüpft werden, daß die im Ausland zurückgelegte Ausbildung durch eine theoretische und/oder praktische Ausbildung an einer Krankenpflegeschule ergänzt wird und/oder kommissionelle Ergänzungsprüfungen mit Erfolg abgelegt werden bzw. Nachweise über erfolgreich absolvierte Praktika erbracht werden ..."

Nach § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Aus § 15 Abs. 3 KrankenpflegeG ergibt sich, daß die Vorschreibung einer ergänzenden Ausbildung und einer kommissionellen Ergänzungsprüfung die Feststellung voraussetzt, daß die ausländische Ausbildung die für die Ausübung des betreffenden Berufes in Österreich erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht oder nicht ausreichend vermittelt hat. Grundlage für eine solche Feststellung ist ein Vergleich der ausländischen mit der in Österreich vorgesehenen Ausbildung. Das Gesetz sieht hiebei vor, daß erforderlichenfalls ein Gutachten einer einschlägigen inländischen Schule eingeholt werden kann.

Es ist Sache des Antragstellers, die zur Beurteilung von Inhalt, Umfang und Erfolg der im Ausland genossenen Ausbildung erforderlichen Unterlagen beizubringen (Vorschriften über den Unterricht und die Prüfungen, Prüfungszeugnisse usw.). Dies ergibt sich nunmehr aus der durch die Novelle BGBl. Nr. 449/1990 in den § 15 Abs. 3 KrankenpflegeG eingefügten Wendung "wenn nachgewiesen wird". Damit hat der Gesetzgeber die bisher nur in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. sein Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 88/18/0036) angenommene spezifische Mitwirkungspflicht des Antragstellers gesetzlich verankert. Die Frage der Gleichwertigkeit der ausländischen mit der österreichischen Ausbildung ist nach wie vor von der Behörde als Rechtsfrage zu entscheiden, da über Rechtsfragen schon ihrer Natur nach dem Antragsteller keine "Nachweise" auferlegt werden können (vgl. das soeben genannte Erkenntnis).

Im Hinblick auf die dargelegte Rechtslage ist der Beschwerdevorwurf nicht berechtigt, die belangte Behörde hätte die Beschwerdeführerin zur Vorlage einer Bescheinigung über ihre einschlägige Berufspraxis nach Erlangung des polnischen Diploms auffordern müssen. Auf eine derartige Praxis stellen die hier maßgeblichen Bestimmungen des KrankenpflegeG nicht ab.

Es ist unmittelbar einsichtig, daß die Ausbildung der Beschwerdeführerin in Polen Kenntnisse über die Grundzüge des österreichischen Sanitäts-, Arbeits- und Sozialversicherungsrechtes nicht vermittelt hat. Die Vorschreibung einer Ergänzungsprüfung hierüber ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

In der Frage der hinreichenden Vermittlung der für die Ausübung des physikotherapeutischen Dienstes in Österreich notwendigen übrigen Kenntnisse und Fähigkeiten ist die belangte Behörde eine ausreichende Begründung schuldig geblieben. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, welche Ergebnisse der laut Bescheidbegründung vorgenommene Vergleich der Ausbildung der Beschwerdeführerin in Polen mit den österreichischen Ausbildungsvorschriften im einzelnen erbracht hat, da nähere Ausführungen darüber im angefochtenen Bescheid fehlen. Ohne Kenntnis dieser Ermittlungsergebnisse kann die Schlußfolgerung der belangten Behörde, die von der Beschwerdeführerin genossene Ausbildung habe die für die Ausübung des physikotherapeutischen Dienstes in Österreich notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht bzw. nicht ausreichend vermittelt, nicht nachvollzogen werden. Die Ermittlungsergebnisse, von denen die belangte Behörde laut Bescheidbegründung ausgegangen ist, sind auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht ersichtlich; insbesondere erliegt dort kein Amtssachverständigengutachten, wie es laut Gegenschrift in früheren gleichartigen Fällen eingeholt worden sein soll. Dem Verwaltungsakt ist auch nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführerin zu den Ermittlungsergebnissen je Parteiengehör gewährt worden wäre. In diesem Zusammenhang findet sich im Akt lediglich der bereits im Antragsformular vorgedruckte Satz: "Über die Notwendigkeit der Ablegung von Ergänzungsprüfungen vor Ausübung des Berufes in Österreich wurde ich informiert." Da zum einen der für die getroffene Entscheidung maßgebende Sachverhalt nicht ersichtlich ist und zum anderen die Vorschriften über das Parteiengehör und die Begründung von Bescheiden nicht eingehalten worden sind, ist der angefochtene Bescheid mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet. Diese können durch das Vorbringen in der Gegenschrift nicht saniert werden, es sei in zahlreichen Vergleichsfällen mittels Amtssachverständigengutachten festgestellt worden und damit amtsbekannt, daß die Ausbildung in Polen nicht der österreichischen gleichwertig sei.

Somit ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Dem auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes beschränkten Kostenbegehren konnte nur in Höhe des hiefür vorgesehenen Pauschalbetrages entsprochen werden.

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastBeweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärterSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBegründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992110192.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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