TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/13 90/05/0233

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Veröffentlicht am 13.04.1993
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §126 Abs1;
BauO Wr §126;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §5 Abs2 litb;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §60;
BauO Wr §61;
BauO Wr §62;
BauO Wr §76;
BauO Wr §79;
BauO Wr §83;
BauO Wr §84;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 4. Oktober 1990, Zl. MDR-B XXII-42/87, betreffend Benützung eines Nachbargrundes (mitbeteiligte Partei: A in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist als Eigentümer der Liegenschaft EZ 2143, KG X, Nachbar des Mitbeteiligten (EZ 2142); beide Grundstücke sind an der S-Straße gelegen. Entsprechend einer bestehenden Kupplungsverpflichtung hat der Mitbeteiligte sein Haus im Sinne des Baubewilligungsbescheides vom 24. März 1969, Zl. MA 37/XXII-S-Straße 15/5/68, an der Grundstücksgrenze zum Beschwerdeführer errichtet. Der Beschwerdeführer hat auf seiner Liegenschaft kein Gebäude errichtet.

Auf Antrag des Mitbeteiligten zwecks Erneuerung des Verputzes an der bestehenden Feuermauer trug der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, mit Bescheid vom 9. Oktober 1987 gemäß § 126 Abs. 1 und 3 der Bauordnung für Wien dem Beschwerdeführer die Verpflichtung auf, die Aufstellung eines Leitergerüstes an dieser Feuermauer gegen Ersatz des erlittenen Schadens zu gestatten. Im Bescheid wurde der Umfang der Duldungsverpflichtung näher festgelegt und der Einwand des Beschwerdeführers, das gegenständliche Haus befinde sich 5 cm auf seiner Liegenschaft, durch die Aufbringung eines neuen Verputzes würde in seinen Luftraum eingedrungen werden, wurde, soweit der Einwand die Lage des Gebäudes und somit die Lage der seitlichen Grundgrenze betreffe, auf den Zivilrechtsweg verwiesen, soweit er den Verputz der Feuermauer betreffe, als im Gesetz nicht begründet abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer die Notwendigkeit der Verputzerneuerung; da das Haus 5 cm auf seinem Grund stehe, sei um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Zustimmung des Grundeigentümers angesucht worden.

Die belangte Behörde ergänzte das Beweisverfahren u.a. durch Einholung eines Gutachtens der Magistratsabteilung 41 (Stadtvermessung). Dieses Gutachten ergab insbesondere, daß die beiden Eckpunkte (Nr. 53 und Nr. 54) des Hauses des Antragstellers genau auf der durch die Punkte 11 und 57 festgelegten Grenze zwischen den beiden Grundstücken lägen. Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, daß er wie folgt lautete:

"Gemäß § 126 Abs. 1 und 3 der Bauordnung für Wien (BO) werden die Eigentümer der Liegenschaft in W, S-Straße ONr. sine (provisorische ONr. 15a), EZ 2143 der Katastralgemeinde X verpflichtet, die Aufstellung eines Leitergerüstes an der Feuermauer des Kleinhauses auf der Liegenschaft in W, S-Straße ONr. 15, EZ 2142 der Katastralgemeinde X gegen Ersatz des erlittenen Schadens zu gestatten. Der Umfang der Duldungsverpflichtung wird wie folgt festgelegt: ...."

In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, daß ein etwas dickerer Außenputz kein Zubau sei, sondern von der seinerzeitigen Baubewilligung erfaßt sei. Der vorhandene Putz entspreche nicht mehr den Regeln der Technik, sodaß die Voraussetzungen der Duldungsverpflichtung gegeben seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde erstattete unter Aktenvorlage eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 126 Abs. 1 und 3 der Bauordnung für Wien in der hier anzuwendenden, zuletzt durch die Novelle LGBl. Nr. 7/1990 geänderten Fassung (im folgenden: BO) lautet:

"(1) Die Eigentümer der Nachbarliegenschaften sind verpflichtet, dem Bauwerber die anläßlich einer Bauführung oder Instandsetzung notwendigen, ohne Benützung des Nachbargrundes oder des darüber befindlichen Luftraumes nicht möglichen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglichen Arbeiten einschließlich der nötigen Sicherungsmaßnahmen, wie etwa Pölzungen und Unterfangungen, gegen Ersatz des erlittenen Schadens auf ihrer Liegenschaft zu gestatten. Über die Höhe des erlittenen Schadens entscheiden im Streitfalle die ordentlichen Gerichte.

(3) Werden die nach Abs. 1 und 2 zulässigen Maßnahmen nicht gestattet, hat die Behörde über die Berechtigung und den Umfang der Duldungsverpflichtung zu entscheiden. Auf Antrag des Eigentümers der Nachbarliegenschaft ist im Bescheid eine angemessene Sicherstellung für seine Ersatzansprüche festzulegen; hievon kann die Behörde Abstand nehmen, wenn der Ersatz des Schadens durch den Bauwerber außer Zweifel steht. Mit den Arbeiten darf nach Rechtswirksamkeit des Bescheides und Bezahlung oder gerichtlicher Hinterlegung der festgesetzten Sicherstellung begonnen werden."

Die belangte Behörde geht zu Recht davon aus, daß "notwendige" Maßnahmen im Sinne des § 126 Abs. 1 BO jedenfalls zulässige Maßnahmen im Sinne der Bauordnung sein müssen. Zulässig ist ein Bauvorhaben, wenn es nicht bewilligungspflichtig oder zumindest bewilligungsfähig ist; ob im letzteren Fall eine Bewilligung vorliegen muß, kann hier, weil die Bewilligungspflicht verneint wird, außer Betracht bleiben.

Bei der vom Mitbeteiligten beabsichtigten Baumaßnahme handelt es sich um eine Änderung oder Instandsetzungsarbeit, deren Notwendigkeit der Beschwerdeführer nicht mehr in Zweifel zieht.

Gemäß § 60 Abs. 1 BO ist vor Beginn bestimmter Bauführungen die Bewilligung der Behörde zu erwirken; lit. c dieser Bestimmung nennt Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden, wenn diese auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn von Einfluß sind.

Eine Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Rechte kann zweifelsfrei nicht aus der Duldungsverpflichtung gemäß § 126 BO abgeleitet werden, weil diese Bestimmung nachbarliche Ansprüche erschöpfend regelt.

Aus Abstandsbestimmungen, Bestimmungen über Fluchtlinien und Bestimmungen über die Bauweise erwachsen grundsätzlich subjektiv-öffentliche Nachbarrechte (siehe die Nachweise bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht2, 154 ff), sodaß die geplante Instandsetzungsmaßnahme, würde sie die Grundgrenze überschreiten, jedenfalls bewilligungspflichtig im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO wäre.

Die belangte Behörde hat den Grenzverlauf als Vorfrage behandelt und festgestellt, daß das bestehende Gebäude den Grenzverlauf einhält und die Grundgrenze nicht überschritten wird. Aus dem eingeholten Gutachten der Magistratsabteilung 41-Stadtvermessung vom 18. November 1988 ergibt sich, daß die beiden Hausecken genau an der Grundstücksgrenze liegen.

Hingegen ist eine Änderung oder Instandsetzung, die die Nachbargrenze - bei konsentierter Bauführung an der Grundgrenze - nicht überschreitet, nicht bewilligungspflichtig und damit im Sinne des § 126 BO ohne weiteres zulässig. Gegenstand dieses Bauverfahrens ist ausdrücklich die Duldungsverpflichtung und keine Projektbewilligung; welche verschiedenen Verputzdicken der Bauwerber im Laufe des Verfahrens angekündigt hat, ist daher ohne Belang.

Die Feststellung, daß das bestehende Gebäude nicht die Grundgrenze überschreitet, wurde aufgrund eines mängelfreien Verfahrens getroffen. Die präzisen Angaben im Sachverständigengutachten über die Lage der Eckpunkte des Hauses können nicht mit Schlußfolgerungen aus der Grundstücksbreite an weit entfernter Stelle entkräftet werden. Auch die hervorgekommenen Abweichungen der Grundstücksgrößen im Vergleich zum Katasterstand können das punktgenaue Beweisergebnis nicht erschüttern. Von einem "Entgegentreten auf gleicher fachlicher Ebene" (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 319 zu § 45 AVG wiedergegebene Judikatur) kann somit keine Rede sein.

Das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen und den Umfang der Duldungspflicht hat der Beschwerdeführer nicht bekämpft. Ausgehend von der Zulässigkeit von Instandsetzungsarbeiten, die über den seit 24. März 1969 bestehenden Konsens nicht hinausgehen, hat die belangte Behörde ohne Rechtsverletzung die beantragte Duldungsverpflichtung aufgetragen. Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei insbesondere auf deren Art. III Abs. 2 verwiesen wird.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990050233.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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