TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/14 93/18/0006

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.04.1993
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §63 Abs3;
FrPolG 1954 §14b;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der V in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 18. September 1992, Zl. 3-18625-92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Strafsache nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden (BH) vom 14. August 1992 war die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, schuldig erkannt worden, sie habe sich in der Zeit vom 1. Jänner bis 4. Juni 1992 ohne gültigen Sichtvermerk in Österreich aufgehalten und damit gegen § 14b Abs. 1 Z. 4 des Fremdenpolizeigesetzes verstoßen; es war deshalb über sie gemäß § 14b leg. cit. eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt worden.

2. Die dagegen erhobene Berufung wies der unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 18. September 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG mit der Begründung als unzulässig zurück, daß die Berufung keinen begründeten Berufungsantrag enthalte.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, der Eingabe (Berufung) der Beschwerdeführerin könne nicht entnommen werden, daß das Straferkenntnis angefochten werde; des weiteren sei nicht zu erkennen, worin eine Unrichtigkeit desselben gelegen sein solle.

3. Zunächst kann der belangten Behörde nicht in ihrer Meinung gefolgt werden, es sei der Berufung der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen, daß das Straferkenntnis der BH vom 14. August 1992 angefochten werde. Vielmehr läßt sich eine solche Anfechtung unschwer aus der ausdrücklichen Bezeichnung der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 1. September 1992 als "Berufung" und der Anführung des Straferkenntnisses, gegen welches sich das Rechtsmittel richtet, durch Angabe der Geschäftszahl ersehen.

Was die Ansicht der belangten Behörde anlangt, es sei aus den Berufungsausführungen nicht zu erkennen, worin eine Unrichtigkeit des bekämpften Straferkenntnisses gelegen sein solle, so ist ihr zwar einzuräumen, daß das Vorbringen - infolge offensichtlicher Sprachschwierigkeiten der Beschwerdeführerin - nicht leicht lesbar ist, es aber doch ersehen läßt, worin die Unrichtigkeit des Straferkenntnisses gelegen sein soll bzw. womit die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt. Der Berufung ist in dieser Hinsicht - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist und was auch schon in der Begründung des bekämpften Bescheides sowie noch verstärkt in der Gegenschrift der belangten Behörde zum Ausdruck gebracht wird - zu entnehmen, daß sich die Beschwerdeführerin seit Jänner 1992 bei der BH (also jener Behörde, die das Straferkenntnis gegen sie erlassen hat) intensiv um die Erteilung eines Sichtvermerkes bemüht habe, diese Bemühungen aber an nicht von ihr zu vertretenden Umständen (langer Aktenlauf; Versäumnisse der Organwalter) gescheitert seien. Dieses Vorbringen ist dahin zu verstehen, daß nach Ansicht der Beschwerdeführerin aufgrund dieser ihrer Bemühungen, gesetzeskonform zu handeln, ihre Bestrafung durch die BH unrichtig (rechtswidrig) sei. Damit aber ist klar, daß den an das Vorliegen eines begründeten Berufungsantrages zu stellenden Mindestanforderungen entsprochen wurde, sodaß die Berufung der Beschwerdeführerin nicht wegen des Mangels eines solchen Antrages hätte zurückgewiesen werden dürfen.

Ob es sich bei dem dargestellten Berufungsvorbringen um ein taugliches, d.h. dem Rechtsmittel zum Erfolg verhelfendes Vorbringen gehandelt hat - darauf wird in der Gegenschrift der belangten Behörde mehrmals Bezug genommen -, ist eine ganz andere Frage. Aus ihrer Beantwortung vermag die belangte Behörde für sich nichts zu gewinnen, kann doch eine allenfalls untaugliche Berufungsbegründung nicht mit dem Fehlen einer solchen gleichgesetzt werden.

4. Da somit die belangte Behörde rechtsirrig das Vorliegen eines begründeten Berufungsantrages im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG verneint und deshalb zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hat, war der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180006.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten