TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/21 92/01/1069

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Veröffentlicht am 21.04.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juli 1992, Zl. 4.332.828/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juli 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin - einer albanischen Staatsangehörigen, die am 15. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält zwar verschiedene allgemeine Rechtsätze, und es wurde abschließend von der belangten Behörde zum Ausdruck gebracht, daß eine die Beschwerdeführerin betreffende Verfolgungsgefahr auch "durch die vergangenen Ereignisse" nicht habe bescheinigt werden können, weshalb ihre Flüchtlingseigenschaft zu verneinen gewesen und ihr kein Asyl zu gewähren sei. Sie hat sich aber mit den (von ihr gar nicht wiedergegebenen) Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich deren Fluchtgründe im Verwaltungsverfahren nicht auseinandergesetzt. Sie hat sich vielmehr damit begnügt, im Rahmen der von ihr zu treffenden Prognose bezüglich des Bestehens einer Verfolgungsgefahr für die Beschwerdeführerin auf die in ihrem Heimatland geänderten politischen Verhältnisse seit ihrer Ausreise hinzuweisen. Sie hat diesbezüglich ausgeführt, daß sich alles, was die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorzubringen vermocht habe, auf die Situation in ihrem Heimatland zur Zeit des stalinistischen Regimes und vor allem während der Umbruchszeit 1991/92 bezogen habe. In der Zwischenzeit habe sich jedoch die Lage in Albanien in geradezu spektakulärer und dramatischer Weise geändert. Die derzeit auch effektiv in Kraft stehende Verfassung vom 29. April 1992 gewähre die liberalen Grundrechte wie Glaubens-, Presse- und Versammlungsfreiheit, das Streikrecht, Freizügigkeit und Privateigentum und sichere deren Beachtung durch Institutionen der gewaltenteilenden parlamentarisch-pluralistischen Demokratie. Es seien im Laufe des Jahres 1991 sämtliche politischen Häftlinge freigelassen worden und keine Fälle staatlicher Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sonstigen sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung mehr bekannt geworden. Nicht geleugnet werden könne die triste wirtschaftliche Lage, ebensowenig die hohe Kriminalitätsrate im Heimatland der Beschwerdeführerin; nur stellten diese sicherlich bedauerlichen Mißstände keine "Verfolgung" durch staatliche Organe im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 dar.

Die Beschwerdeführerin bestreitet konkret die Änderung der politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland. Ihr Beschwerdevorbringen verstößt nicht gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, wurde doch der Beschwerdeführerin, wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit gegeben, zu dem von der belangten Behörde herangezogenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die von ihr für die Ablehnung des Asylantrages maßgebende Argumentation, insbesondere hinsichtlich der geänderten Verfassungsrechtslage, aber auch der Freilassung politischer Gefangener, schließt die Richtigkeit der Behauptung der Beschwerdeführerin, es bestehe auf Grund der faktischen politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland für sie weiterhin eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Konventionsgründe, nicht aus (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993,

Zlen. 92/01/0761, 0762).

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992011069.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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