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22/01 Jurisdiktionsnorm;Norm
ASVG §502 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Juni 1991, Zl. MA 14-W 64/90, betreffend Begünstigung gemäß §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 9. April 1990 stellte die in Texas, USA, lebende Beschwerdeführerin den Antrag auf begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten gemäß den §§ 500 ff ASVG und Alterspension. Sie sei am 16. März 1925 in Wien geboren, habe von 1932 bis 1938 die Volksschule in Nickelsdorf und die Hauptschule in Bruck an der Leitha besucht und sei im November 1938 nach Ungarn geflüchtet, wo sie illegal versteckt gelebt und sich als Dienstmädchen fortgebracht habe. 1945 sei sie nach Österreich zurückgekehrt, wo sie bis 1948 bei ihrem Onkel und Vormund in Nickelsdorf gelebt und als Hausschneiderin für Essen und Lebensmittel bei verschiedenen Bekannten genäht habe. 1948 habe sie geheiratet und gemeinsam mit ihrem Ehemann in Ragendorf (Ungarn) gewohnt; 1950 sei sie nach Györ (Ungarn) übersiedelt. Im Zuge der ungarischen Revolution sei sie am 16. Oktober 1956 aus Ungarn in ein Lager in Dornbirn, Vorarlberg, geflüchtet und am 20. Februar 1957 in die USA emigriert. In der Zeit von 1948 bis 1990 sei sie im Haushalt tätig gewesen und habe zwei Kinder aufgezogen.
Nach der Meldebestätigung der Großgemeinde Nickelsdorf vom 26. Juni 1990 war die Beschwerdeführerin vom April 1925 bis 1938/39 und vom 4. Juni 1945 bis 16. Juli 1948 in Nickelsdorf gemeldet gewesen.
Laut der am 2. April 1990 vom Österreichischen Konsulat in Houston ausgestellten Bescheinigung gemäß § 506 Abs. 3 ASVG war die Beschwerdeführerin in der Zeit von November 1938 bis 1945 in Ungarn und von 1945 bis 1990 in den USA emigriert gewesen.
Mit Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 30. August 1990 wurde die Zeit der Auswanderung vom 16. März 1940 bis 3. Juni 1945 gemäß § 502 Abs. 4 iVm § 502 Abs. 6 ASVG beitragspflichtig begünstigt angerechnet, eine weiterreichende Begünstigung für die Zeiträume vom 4. März 1933 bis 15. März 1940 und vom 4. Juni 1945 bis 31. März 1959 jedoch abgelehnt.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Einspruch, in dem sie vor allem vorbrachte, sie sei bereits Ende November 1938 (nach der Kristallnacht) und nicht erst am 16. März 1940 aus Österreich nach Ungarn geflüchtet. Sie habe bis 30. April 1938 die Schule besucht, die sie jedoch aus politischen Gründen nicht vollenden hätte können, da "Rudel von Schülern" sie körperlich bedroht hätten. Diese Zeit des Schulentganges möge jedoch mitberücksichtigt und angerechnet werden, wobei sie bereit sei, Beiträge nachzuentrichten. Des weiteren gab die Beschwerdeführerin in ihrem Einspruch an, sie sei 1945 nach Österreich zurückgekehrt, um ihre Eltern zu suchen und etwas über deren Schicksal zu erfahren. Sie habe sich 7 Jahre illegal in Ungarn versteckt, und habe nur für Essen und Unterkunft gelegentlich im Haushalt arbeiten können.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten. In der Begründung wurde nach Darstellung der Rechtslage und des unstrittigen Sachverhalts ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin nach dem gesetzlichen Stichtag 1. Juli 1927 bis zur Emigration keine Beitragszeiten gemäß § 226 ASVG bzw. Ersatzzeiten gemäß §§ 228 oder 229 ASVG in der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zurückgelegt habe. Unbestritten sei auch die Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zu dem im § 500 ASVG genannten Personenkreis sowie die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin am 12. März 1938 den Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich gehabt und in der Zeit vom 12. März 1938 bis 9. Mai 1945 das 15. Lebensjahr vollendet habe.
Die Zeit der Auswanderung ab Vollendung des 15. Lebensjahres vom 16. März 1940 bis 3. Juni 1945 wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 502 Abs. 4 in Verbindung mit § 502 Abs. 6 ASVG in der Pensionsversicherung der Angestellten beitragspflichtig begünstigt angerechnet. Eine beitragsfreie begünstigte Anrechnung der Zeit der Auswanderung als Beitragszeit oder Ersatzzeit sei nach den Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides hingegen im vorliegenden Fall nicht möglich, da den Zeiten der Auswanderung weder eine Beitrags- oder Ersatzzeit vorangehe noch nachgefolgt sei und die Beschwerdeführerin auch keinen begünstigungsfähigen Tatbestand im Sinne von § 502 Abs. 1 ASVG aufzuweisen habe. Für die Zeit vor dem 16. März 1940 sei eine Nachentrichtung für die Zeiten der Auswanderung im gegenständlichen Fall nicht möglich, weil eine solche Nachentrichtung nach den Bestimmungen des § 502 Abs. 6 ASVG frühestens für Zeiten nach der Vollendung des 15. Lebensjahres der in Betracht kommenden Person zulässig sei. Ab 4. Juni 1945 sei die Begünstigungswerberin wieder in Österreich gemeldet gewesen, sodaß mit diesem Zeitpunkt die begünstigungsfähigen Zeiten der Auswanderung endeten.
Hinsichtlich des im Einspruch geltend gemachten Schulbesuches in Österreich bis zum Jahre 1938 sei festzuhalten, daß nach den Bestimmungen des § 228 Abs. 1 Z. 3 in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Z. 1 ASVG lediglich Zeiten des Schulbesuches nach Vollendung des 15. Lebensjahres als Ersatzzeiten angerechnet werden können. Die Beschwerdeführerin habe jedoch das 15. Lebensjahr erst am 16. März 1940 vollendet. Eine Anrechnung der bis 30. April 1938 zurückgelegten Schulzeiten in Österreich sei daher nicht möglich.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Anrechnung der Emigrationszeiten vom 4. Juni 1945 bis 31. März 1959 sowie in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren als verletzt.
Begründend führt sie insbesondere aus, sie habe sich lediglich vorübergehend in Österreich aufgehalten, weil sie hier ihre Eltern gesucht bzw. versucht habe, bei den verschiedenen Stellen und Behörden Nachrichten über deren Verbleib aufzufinden. Als ihre Versuche erfolglos gewesen seien, sei sie an ihren Wohnort nach Ungarn zurückgekehrt und von dort später in die USA ausgewandert. In Österreich habe sie weder eine Beschäftigung ausgeübt noch eine eigene Wohnung gehabt; sie habe vielmehr bei ihrem Onkel gewohnt.
Dadurch, daß die belangte Behörde sich hinsichtlich der Beendigung der Emigration auf die polizeilichen Meldedaten gestützt habe, habe sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Zudem habe die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht verletzt, da bei sorgfältiger Erhebung des tatsächlichen Sachverhalts hervorgekommen wäre, daß die Beschwerdeführerin Nickelsdorf niemals zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen gewählt habe, sondern während des Aufenthaltes in Nickelsdorf in Ungarn weiterhin den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen und auch dort eine Wohnung und ihren Wohnsitz gehabt habe.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 500 ASVG werden Personen, die in der Zeit vom 4. März 1933 bis 9. Mai 1945 aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung (u.a.) ausgewandert sind, nach den §§ 502 Abs. 4 bis 6, 503 und 506 ASVG begünstigt.
Gemäß § 502 Abs. 4 ASVG können Personen, die in der im § 500 angeführten Zeit aus einem der dort angeführten Gründe ausgewandert sind und die vorher in der Zeit seit dem 1. Juli 1927 Beitragszeiten gemäß § 226 oder Ersatzzeiten gemäß § 228 oder 229 ASVG oder Zeiten nach dem Auslandsrenten-Übernahmegesetz zurückgelegt haben, für die Zeiten der Auswanderung, längstens aber für die Zeit bis 31. März 1959, Beiträge nachentrichten, wobei diese Nachentrichtungspflicht nach Maßgabe der Bestimmungen des § 502 Abs. 4 letzter Satz iVm § 502 Abs. 2 zweiter bis letzter Satz unter dort näher genannten Voraussetzungen entfällt.
Gemäß § 502 Abs. 6 ASVG gelten die Absätze 1 und 4 des § 502 ASVG u.a. auch für Personen, die vor der Auswanderung aus Gründen, auf die der (die) Betreffende keinen Einfluß hatte, keine Beitragszeiten gemäß § 226 ASVG oder Ersatzzeiten gemäß den §§ 228 und 229 ASVG zurückgelegt haben, sofern der (die) Betreffende am 12. März 1938 seinen (ihren) Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte und, in den Fällen des Abs. 4, in der Zeit vom 12. März 1938 bis 9. Mai 1945 das 15. Lebensjahr vollendet hat.
Im Beschwerdefall ist - entsprechend dem geltend gemachten, oben wiedergegebenen Beschwerdepunkt - ausschließlich die Frage zu klären, ob die Beschwerdeführerin am 3. Juni 1945 nach Österreich "zurückgekehrt" ist und ihre Auswanderung damit beendet hat, oder ob die Zeit ab 4. Juni 1945 noch als weitere Emigrationszeit berücksichtigt werden kann.
Auswanderung iSd §§ 500 ff ASVG ist die Verlegung des ständigen Wohnsitzes ins Ausland (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1957, 873/57, VwSlg 4437 A/1957), wobei der Begriff "Wohnsitz" iSd § 66 Abs. 1 JN zu verstehen ist (vgl. hg. Erkenntnisse vom 17. November 1977, Zl. 1577, 1578/77 und vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0173).
Zu den Merkmalen eines bleibenden Aufenthaltes iSd § 66 Abs. 1 JN zählt u.a. der Umstand, daß der gewählte Aufenthaltsort zum wirtschaftlichen und faktischen Mittelpunkt des Lebens gemacht wird, mag auch von vornherein klar sein, daß sich dieser Aufenthalt über eine bestimmte oder unbestimmte Dauer hinaus nicht erstrecken wird (vgl. hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1978, Zl. 2102/77 und vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0173). Da der Begriff des "Wohnsitzes" im Sinne des § 66 Abs. 1 JN also auf einen - über bestimmte oder unbestimmte Dauer - BLEIBENDEN Aufenthalt abstellt, darf es sich auch bei der Wahl des Aufenthaltes um keine bloße Provisorialmaßnahme handeln (vgl. hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1982, Zl. 08/2434/1979 und vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0173). Ebenso ist Voraussetzung, daß der Aufenthaltsort bewußt und gewollt zum wirtschaftlichen und faktischen Lebensmittelpunkt gemacht wird; Zeiten z.B. der Anhaltung begründen daher keinen "Wohnsitz" im obigen Sinne. Allerdings ist von der bewußten und gewollten Begründung des wirtschaftlichen und faktischen Lebensmittelpunktes die Frage der bloßen Motivation zu dessen Begründung zu unterscheiden. Es kann daher auch ein "Wohnsitz" im Sinne des § 66 Abs. 1 JN auf bestimmte Dauer begründet werden, wenn - wie dies die Beschwerdeführerin in der Beschwerde nunmehr konkretisiert - sie damit Gelegenheit gewinnen wollte, nach ihren verschollenen Eltern zu suchen. Ganz davon abgesehen, daß die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Suche nach ihren Eltern die Begründung eines "Wohnsitzes" im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung grundsätzlich nicht ausschließt, kommt - unter Bedachtnahme auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1987, Zl. 87/08/0003 - einer anderen Überlegung Bedeutung zu. Nach den für den Wohnsitzbegriff maßgebenden Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm können - unter anderem - nämlich minderjährige Kinder nicht selbständig einen Wohnsitz begründen, da ihnen die rechtliche Verfügungsfähigkeit darüber mangelt, welchen Ort sie zum Mittelpunkt ihres Lebens wählen (vgl. Fasching LZB, Rz 273). Sie teilen vielmehr gemäß § 71 JN in der ab 1. Jänner 1978 geltenden Fassung des BGBl. Nr. 403/1977 den allgemeinen Gerichtsstand ihres gesetzlichen Vertreters. In der bis 31. Dezember 1977 geltenden Fassung sah diese Bestimmung vor, daß den allgemeinen Gerichtsstand des Vaters die seiner väterlichen Gewalt unterworfenen ehelich geborenen, legitimierten oder adoptierten Kinder teilen und diesem Gerichtsstand auch nach dem Erlöschen oder Unwirksamwerden der väterlichen Gewalt solange unterworfen bleiben, als sie das Recht zur freien Vermögensverwaltung nicht erlangt haben. Dieselbe Regelung gilt auch für den Fall der Vormundschaft. Die genannten Personen leiteten daher ihren Wohnsitz vom Vater (Vormund) ab und waren, solange sie nicht das Recht zur freien Vermögensverwaltung erlangt hatten, außerstande, selbständig einen Wohnsitz zu begründen (vgl. Fasching Kommentar zur ZPO I 381).
Die am 16. März 1925 geborene Beschwerdeführerin war daher im Zeitpunkt ihrer Rückkehr nach Österreich (im Juni 1945) zumindest bis 16. März 1946 (Vollendung des 21. Lebensjahres) gemäß § 21 ABGB in der Fassung vor der Änderung durch das BGBl. Nr. 108/1973 noch minderjährig und teilte somit den inländischen Wohnsitz ihres Vormundes. Erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres, das heißt ab dem 16. März 1946 war die Beschwerdeführerin rechtlich imstande, selbständig über ihren Wohnsitz zu disponieren. Für die Beurteilung, ob die Beschwerdeführerin ihren (selbstgewählten) Wohnsitz weiterhin in Österreich gehabt hat, kann demnach erst die Zeit nach Vollendung ihres 21. Lebensjahres herangezogen werden.
Die belangte Behörde hat ihre Feststellung, die Beschwerdeführerin habe ihren Wohnsitz ab 4. Juli 1945 wieder in Österreich (und zwar in Nickelsdorf) genommen, damit begründet, daß sie ab diesem Zeitpunkt wiederum in Österreich polizeilich gemeldet gewesen sei. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den polizeilichen Meldedaten in der Frage des Wohnsitzes wenig Beweiswert zukommt, weil durch sie die vorhandene oder fehlende Absicht, an einem bestimmten Ort einen bleibenden Aufenthalt zu nehmen, weder erwiesen noch widerlegt werden kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1978, Zl. 2102/77, vom 3. Oktober 1980, Zl. 726/78, vom 2. Juli 1981, Zl. 08/2628/78, vom 2. Juli 1982, Zl. 082434/79, vom 17. Februar 1981, Zl. 81/08/0038 und vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0173).
Durch den bloßen Hinweis auf die erfolgte polizeiliche Meldung der Beschwerdeführerin in Österreich hat die belangte Behörde daher zwar ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend Genüge getan und damit Verfahrensvorschriften verletzt, sie wäre aber - ausgehend von der Sachlage, wie sie sich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides dargestellt hat - auch bei Einhaltung derselben zu keinem anderen Ergebnis gelangt. Die Beschwerdeführerin gab selbst bereits in ihrem ursprünglichen Antrag vom 15. Februar 1990 an, sie sei "im Juni 1945" nach Österreich "zurückgekehrt". Auch nach den im Antrag auf Alterspension vom 27. März 1990 und ihren in der Selbstauskunft dazu enthaltenen Angaben ist die Beschwerdeführerin 1945 aus Ungarn "nach Nickelsdorf zurückgekehrt", wo sie für Essen und Lebensmittel genäht habe, also einem - wenn auch eingeschränkten - Erwerb nachgegangen ist. Auch in ihrem ergänzenden Schreiben vom 5. Juli 1990 führt die Beschwerdeführerin an, sie habe "von 1945 bis 1948 bei ihrem Onkel und Vormund in Nickelsdorf gelebt". Auch im Einspruch wiederholt sie, sie sei 1945 wieder "nach Österreich zurückgekehrt". Am 11. Juli 1948 habe sie geheiratet und habe dann zusammen mit ihrem Ehemann ab diesem Zeitpunkt (Juli 1948) bis 1956 in Ungarn gelebt. Der Wohnsitzwechsel nach Ungarn erfolgte daher erst nach ihrer Heirat. Ausgehend davon bestand aber für die belangte Behörde kein Anlaß, ein weiteres, über die eigenen Behauptungen der Beschwerdeführerin in diesem Zeitpunkt hinausgehendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Grundsätzlich trifft auch bei amtswegig durchzuführenden Verfahren die Partei eine entsprechende Mitwirkungspflicht, insbesondere dort, wo den amtswegigen behördlichen Erhebungen im Hinblick auf die nach den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind. Dort also, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden, was insbesondere bei jenen in der Person des Antragstellers gelegenen Voraussetzungen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann, ist die Partei selbst zu entsprechendem Vorbringen und Beweisanbot verpflichtet. Auf den Beschwerdefall angewandt bedeutet dies, daß die Beschwerdeführerin selbst über jene inneren, von dem nach außen hin wirkenden Anschein abweichende Vorgänge, die für die Frage der Wohnsitzbegründung von ausschlaggebender Bedeutung sind ("Absicht, den wirtschaftlichen und persönlichen Lebensmittelpunkt dorthin zu verlegen") die Behörde von sich aus aufzuklären gehabt hätte. Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, sie habe auch nach ihrer physischen Rückkehr nach Österreich, Nickelsdorf niemals zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen wählen wollen, stellt sich daher als eine vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beachtende Neuerung dar, ganz davon abgesehen, daß die Behauptung, sie habe in der Zeit von 1945 bis 1948 in Österreich keine Beschäftigung ausgeübt, in Widerspruch zu ihren eigenen diesbezüglichen Angaben im Verwaltungsverfahren steht.
Ausgehend von der Sach- und Rechtslage, die der belangten Behörde zur Entscheidung vorlag, erweist sich daher der angefochtene Bescheid als mit keiner Rechtswidrigkeit behaftet, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beweiswürdigung Wertung der BeweismittelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBegründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991080122.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
10.10.2013