TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/19 93/09/0041

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Veröffentlicht am 19.05.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs2;
AVG §39 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der A-G.m.b.H. in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 12. Jänner 1993, Zl. IIId-6702 B, betreffend Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 3. Dezember 1992 lehnte das Arbeitsamt Linz den Antrag der Beschwerdeführerin vom 29. Juli 1991 auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung für einen türkischen Staatsangehörigen gemäß § 11 Abs. 2 iVm § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Diese Entscheidung wurde ungeachtet der bereits damals aktenkundigen Vertretung der Beschwerdeführerin durch einen Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin und nicht dem Anwalt zugestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Anwalt Berufung, in der sie neben anderen Berufungsgründen geltend machte:

"Wir sind im gegenständlichen Verfahren rechtsfreundlich vertreten; dies vom Beginn an. Ungeachtet dieser aktenkundigen Tatsache wurde der hier angefochtene Bescheid nicht unserem rechtsfreundlichen Vertreter, sondern uns direkt zugestellt. Der Zustellung kommt daher keine Rechtswirkung zu und liegt ein rechtswirksamer anfechtbarer Bescheid nicht vor. Folgt man dieser Rechtsansicht, ist die vorliegende Berufung mangels tauglichen Anfechtungsobjektes als unzulässig zurückzuweisen und ist damit das Arbeitsamt Linz seiner gesetzlichen Entscheidungspflicht nach wie vor nicht nachgekommen."

Im Berufungsverfahren erging an die Beschwerdeführerin seitens der belangten Behörde eine "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 21. Dezember 1992, in welcher zur Frage der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides ausgeführt wurde, das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei nicht "zutrefflich". Es liege eine rechtswirksame Zustellung vor, wenn der Bescheid dem ausgewiesenen Vertreter tatsächlich zugekommen sei. Durch das tatsächliche Zukommen an den ausgewiesenen Vertreter sei die gesetzwidrige Vorgangsweise der Behörde saniert, auch wenn der Vertreter nicht als Empfänger der zuzustellenden Sendung bezeichnet worden sei.

Zu dieser Verständigung verwies die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 31. Dezember 1992 auf ihr bisheriges Vorbringen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Jänner 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge, wobei sie begründend neben Ausführungen zur Rechtslage nach dem AuslBG zur Frage der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides ihre Auffassung aus der Verständigung vom 21. Dezember 1992 wiederholte und hinzufügte, die Stellungnahme der Beschwerdeführerin zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme sei nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin neuerlich eine rechtswirksame Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung unter Hinweis darauf bestritt, daß eine Zustellung an ihren bevollmächtigten Vertreter nicht erfolgt sei. Nach der Aktenlage könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß die erstinstanzliche Entscheidung dem Vertreter der Beschwerdeführerin tatsächlich zugekommen sei, die Beschwerdeführerin habe diesem nur eine Fotokopie dieser Entscheidung ausgehändigt. Von einer Heilung des Zustellmangels könne daher nicht ausgegangen werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Sie gesteht darin zu, daß sie "bei der Beurteilung des Vorliegens einer rechtswirksamen Zustellung in der Tat zum Ergebnis (hätte) gelangen können, daß keine rechtswirksame Bescheidzustellung im erstinstanzlichen Verfahren erfolgt ist", wenn die Beschwerdeführerin im Antwortschreiben vom 31. Dezember 1992 "in gehöriger Wahrnehmung (ihrer) Mitwirkungspflichten" mitgeteilt hätte, daß ihrem Vertreter nur eine Fotokopie ausgehändigt worden sei. Aus der "Stellungnahme zum Parteiengehör" sei dies jedoch nicht erkennbar gewesen. Die belangte Behörde habe daher annehmen müssen, daß der Bescheid dem Rechtsvertreter tatsächlich zugekommen und der Zustellmangel demnach geheilt gewesen sei. Daß dem Rechtsvertreter lediglich eine Fotokopie überreicht worden sei, sei erst in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vorgebracht worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertreten war, und daß dessenungeachtet die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die Beschwerdeführerin direkt vorgenommen wurde.

Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde gemäß dem ersten Satz des § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung gemäß dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Grundsätzlich ist daher eine Zustellung an den Vertretenen statt an den Zustellungsbevollmächtigten unwirksam; eine Heilung dieses Zustellmangels tritt aber trotz falscher Bezeichnung des Empfängers dann ein, wenn die Sendung dem Zustellungsbevollmächtigten "tatsächlich zukommt" (vgl. dazu Walter-Mayer, Zustellrecht, S. 51; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes5, S. 79; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 1186).

    Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß die vom

Arbeitsamt veranlaßte direkte Zustellung seiner Entscheidung an

die Beschwerdeführerin jedenfalls unwirksam war. Entscheidend

ist, ob und wann dieser Zustellmangel durch tatsächliches

Zukommen an den Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin geheilt

worden ist. Voraussetzung für eine solche Heilung wäre

allerdings die tatsächliche Empfangnahme des betreffenden

Schriftstückes durch den Rechtsanwalt; die bloße Kenntnisnahme

von dessen Inhalt, sei es telefonisch, im Wege der

Akteneinsicht oder auch durch sonstige Mitteilung, so auch

durch Übermittlung einer Fotokopie, vermag den unterlaufenen

Zustellmangel nicht zu heilen. Auch die Einbringung der

Berufung durch den ausgewiesenen Rechtsanwalt bedeutet noch

nicht, daß diesem das betreffende Schriftstück tatsächlich

zugekommen ist (vgl. zu diesen Ausführungen die Erkenntnisse

des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1984, Zl. 83/02A/0555

= Slg. 11487/A, vom 13. Dezember 1984, Zl. 84/02B/0153

= Slg. 11615/A, und vom 19. Dezember 1985, Zl. 85/02/0249).

    Die Frage, ob und wann dem Zustellungsbevollmächtigten im

Falle einer im Sinne des ersten Satzes des § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes unzulässigen Zustellung an den Vertretenen das betreffende Schriftstück tatsächlich zugekommen ist, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen. Eine solche Prüfung hat die belangte Behörde im Beschwerdefall unterlassen, obwohl die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nie von ihrer Behauptung abgerückt ist, es sei zu keiner rechtsgültigen Zustellung der Entscheidung des Arbeitsamtes gekommen. Der bloße Hinweis auf die Rechtsfolgen eines allfälligen tatsächlichen Zukommens an den Vertreter im Vorhalt der belangten Behörde vom 21. Dezember 1992 - in welchem zur hier entscheidenden Frage ein Ergebnis einer "Beweisaufnahme" nicht enthalten war - konnte amtswegige Ermittlungen und Feststellungen darüber nicht ersetzen, ob es dazu wirklich gekommen ist. Solche Ermittlungen und Feststellungen erübrigten sich auch nicht unter Hinweis auf die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 31. Dezember 1992, zumal auch darin nicht zugestanden worden ist, vom Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin sei die erstinstanzliche Entscheidung tatsächlich in Empfang genommen worden. Letztlich gesteht die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst zu, daß sie bei voller Kenntnis des maßgebenden Sachverhaltes zu einer anderen Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung der Entscheidung des Arbeitsamtes hätte kommen können.

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf die zu materiellen Fragen des AuslBG aufgeworfenen Fragen bedurfte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 59 Abs. 3 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993090041.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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