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81/01 Wasserrechtsgesetz;Norm
WRG 1959 §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Aumayr, über die Beschwerde der L KG in R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 19. März 1991, Zl. 512.701/02-I 5/91, betreffend Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 4. Februar 1976 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich dem Rechtsvorgänger der nunmehrigen Beschwerdeführerin gemäß den §§ 9 und 32 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung zur Einleitung der bei seinen Servicehallen auf den Grundstücken Nr. 116/1, KG K, in R und Nr. 949/2, KG B, in W, anfallenden betrieblichen Abwässer und der im Betriebsbereich anfallenden Oberwässer in die Traun sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiezu dienenden Anlagen unter bestimmten Bedingungen und Auflagen. Die für das gegenständliche Verfahren relevanten Auflagen 3, 4, 5, 6 und 8 des Spruchabschnittes I dieses Bescheides lauteten wie folgt:
"3. Das Maß der Wasserbenutzung wird mit der Ableitung von maximal 100 l/s gereinigter betrieblicher Abwässer nach oben begrenzt, wobei ein Berechnungsregen von 120 l/s und ha und eine Fläche von 7.800 m2 zugrunde gelegt wurde.
4. Sämtliche anfallenden betrieblich-mineralölverunreinigte Abwässer müssen über einen Benzinabscheider abgeleitet werden, der eine Mindestleistung von 100 l/s aufweisen muß.
5.
Nicht abgeleitet werden dürfen häusliche Abwässer.
6.
Sämtliche Kanäle müssen flüssigkeitsdicht ausgeführt werden und haben der Ö-NORM 2503 zu entsprechen.
8. Es dürfen im Ablauf bei Schacht 15 folgende Werte nicht überschritten werden:
a) petroläther-extrahierbare Stoffe in einer Menge von 20 mg/l
b)
absetzbare Stoffe 0,3 ml/l
c)
pH-Wert 6,5 bis 8,5."
Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. In der Folge zeigte der Rechtsvorgänger die Rechtsübertragung an die nunmehrige Beschwerdeführerin an.
Auf Grund mehrerer Überprüfungen und Entnahme mehrerer Wasserproben aus dem Ablaufschacht des Betriebskanales der nunmehrigen Beschwerdeführerin durch die oberösterreichische Gewässeraufsicht sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den Landeshauptmann von Oberösterreich trug dieser der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 15. März 1990 gemäß den §§ 32, 99 und 138 Abs. 1 WRG 1959 auf, die Ableitung von Abwässern, die über die mit dem oben zitierten Bescheid erteilte wasserrechtliche Bewilligung zur Ableitung betrieblicher Abwässer bzw. Oberflächenwässer in die Traun hinausgeht, sofort einzustellen. Begründend wurde ausgeführt, die von den Amtssachverständigen vorgelegten Untersuchungsergebnisse hätten ergeben, daß die Ableitung von AOX, Furfural, Dichlormethan, TOC und die hohen Konzentrationen an CSB sowie die vorgefundenen pH-Werte von 4,3 bis 6,4 nicht im Einklang mit dem Bewilligungsbescheid zu bringen seien; insbesondere handle es sich bei Dichlohrmethan und Furfural um wassergefährdende Stoffe der Wassergefährdungsklasse 2 und dürfe eine Ableitung derartiger Stoffe ohne entsprechende Reinigung in einen Vorfluter nicht erfolgen; ähnliches gelte auch für die hohen Konzentrationen an CSB und TOC; es sei daher die sofortige Einstellung der Ableitung dieser Abwässer aus Gründen des Gewässerschutzes geboten gewesen.
Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wies die belangte Behörde nach Einholung eines Gutachtens ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 AVG ab und führte - nach Wiedergabe dieses Gutachtens - aus, daß zwar im Auflagepunkt I 8 des Bewilligungsbescheides nur drei Parameter (petroläther-extrahierbare Stoffe, absetzbare Stoffe und pH-Wert) festgelegt worden seien, also kein konsensüberschreitendes Verhalten vorliege; da aber aus den vorgelegten Akten und dem Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen hervorgehe, daß es sich bei den Einbringungen der Beschwerdeführerin um wasser- bzw. gesundheitsgefährdende Stoffe handle und die Einleitung dieser Stoffe wasserrechtlich bewilligungspflichtig sei, hätte die Beseitigung dieser eigenmächtigen Neuerung aufgetragen werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin erkennbar in ihrem Recht, nicht zu einem wasserpolizeilichen Auftrag verpflichtet zu werden, verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur behaupteten Verletzung des Parteiengehörs bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids ist festzuhalten, daß Verfahrensmängel bei Überprüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides für den Verwaltungsgerichtshof nur dann beachtlich sind, wenn sie im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufen sind (vgl. hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1991, Zl. 90/07/0147, m.w.N.). Ein derartiger Verfahrensmangel wurde aber in der Beschwerde nicht behauptet. Unbegründet ist ferner auch der Vorwurf, der Leistungsbefehl sei ohne konkrete Fristsetzung erfolgt, ist doch eine derartige ausdrückliche Fristsetzung im Gesetz nicht vorgesehen und bringt die belangte Behörde durch das im Leistungsbefehl enthaltene Wort "sofort" hinreichend klar zum Ausdruck, daß unmittelbar nach Rechtskraft des wasserpolizeilichen Auftrages das konsensüberschreitende Verhalten einzustellen ist.
Die Beschwerde führt weiters aus, daß Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides deshalb zueinander in Widerspruch stünden, da einerseits ausdrücklich "kein konsensüberschreitendes Verhalten" festgestellt, andererseits der erstinstanzliche wasserpolizeiliche Auftrag bestätigt und damit vom Vorliegen einer eigenmächtigen Neuerung ausgegangen worden sei. Ferner habe das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten eines Zivilingenieurs für technische Chemie nachgewiesen, daß das von den Wasserrechtsbehörden ihrer Beurteilung zugrunde gelegte Wasseranalyseergebnis unrichtig und daher auch die auf diesem Gutachten aufbauende Entscheidung der belangten Behörde unrichtig sei. Nicht gesetzlich gedeckt sei darüber hinaus die Aussage im angefochtenen Bescheid, es sei eine eigenmächtige Neuerung vorgenommen worden, weil sich im Abwasser Stoffe befunden hätten, für welche zwar im Bewilligungsbescheid keine Grenzwerte festgelegt worden seien, diese Stoffe aber rechtlich über den Werten der Emissionsrichtlinien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft bzw. des Verordnungsentwurfes für allgemeine Abwasseremissionen lägen, sei doch ein Verordnungsentwurf keine anwendbare Rechtsquelle, und seien Emissionsrichtlinien, die nicht in die konkrete Entscheidung eingeflossen seien, ohne Belang.
Im Gegenstand ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde ihren wasserpolizeilichen Auftrag auf § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 gestützt hat. Nach dieser (durch die Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, unverändert gebliebenen) Gesetzesstelle ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.
Als eigenmächtige Neuerung gilt eine Vorgangsweise, die einer wasserrechtlichen Bewilligung bedürfte, ohne daß eine solche erwirkt wurde; dabei kann es sich um völlig konsenslose, ebenso aber auch um konsensüberschreitende Veränderungen handeln (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 89/07/0126).
Die wasserrechtliche Bewilligung aus 1976 determinierte das Maß der Wasserbenutzung qualitativ einerseits betriebsspezifisch (vgl. Bedingung I 4 "betrieblich-mineralölverunreinigte Abwässer"), andererseits durch die Festlegung von Grenzwerten für drei - für das gegenständliche Abwasser typische - Summenparameter (vgl. Bedingung I 8 "a) petroläther-extrahierbare Stoffe in einer Menge von 20 mg/l, b) absetzbare Stoffe 0,3 ml/l, c) pH-Wert 6,5 bis 8,5"), die ein allgemeines Maß für die Schmutzstoffkonzentration darstellen; Einzelsubstanzen sind dagegen im Bewilligungsbescheid nicht genannt. Daraus kann aber ohne nähere Feststellungen noch nicht der Schluß gezogen werden, daß die Ableitung von Substanzen, die im Bewilligungsbescheid nicht ausdrücklich genannt sind, nicht konsentiert worden wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die wasserrechtliche Bewilligung aus 1976 alle jene Stoffe umfaßt, die bereits damals im gegenständlichen Abwasser typisch und unvermeidlich enthalten waren. Nicht von der wasserrechtlichen Bewilligung umfaßt - und daher als eigenmächtige Neuerung zu qualifizieren - ist die Ableitung jener Stoffe, die 1976 nicht betriebstypisch im Abwasser vorhanden waren und mit den damals festgesetzten Summenparametern nicht beschrieben worden sein konnten.
Aufgabe der Wasserrechtsbehörde wäre es gewesen, ausgehend vom seinerzeit erteilten Konsens, d.h. hier unter Zugrundelegung der im Jahre 1976 betriebstypischen Abwässer sowie der damals festgesetzten Summenparameter, darzulegen, ob und inwiefern durch Quantität und Qualität der nunmehr ermittelten Abwasserfrachten der seinerzeit erteilte Konsens überschritten wurde. Die belangte Behörde hat zwar aufgezeigt, daß die seinerzeit als Summenparameter vorgeschriebenen Grenzwerte nicht überschritten worden, neu ermittelte Einzelsubstanzen aber jedenfalls wasser- und gesundheitsgefährdend und daher wasserrechtlich bewilligungspflichtig sowie mangels einer derartigen Bewilligung beseitigungspflichtig seien. Die Behörde hat aber nicht dargelegt, ob die jetzt festgestellten Stoffe unter die seinerzeit konsentierten Abwassermengen in bezug auf Quantität und Qualität subsumiert werden können. Der Umstand allein, daß die festgestellten Stoffe wassergefährdend sind, sagt über die Konsenswidrigkeit ihrer Ableitung aus den dargestellten Erwägungen noch nichts aus. Insoweit die belangte Behörde die im Beschwerdefall somit zu prüfenden Bedingungen der von ihr unterstellten Konsenswidrigkeit der Abwässereinleitung verkannt hat, ist ihr Bescheid inhaltlich rechtswidrig.
Darüberhinaus wäre die belangte Behörde - selbst wenn eine Neuerung vorläge - ihrer vom Gesetz geforderten Aufgabe, den nach § 138 WRG 1959 Verpflichteten zur Beseitigung einer allfälligen Neuerung, insbesondere unter näherer Determinierung des konsensüberschreitenden Verhaltens, in einer der Vollstreckung tauglichen Weise zu verhalten, nicht gerecht geworden.
Der angefochtene Bescheid ist aber auch noch aus einem anderen Grund rechtswidrig:
Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren mehrere Gutachten eines Zivilingenieurs für technische Chemie beigebracht und der Wasserrechtsbehörde erster Instanz, aber auch der belangten Behörde als Beweis für ihr Berufungsvorbringen, wonach durch die Ableitung der seinerzeit erteilte Konsens nicht überschritten worden sei, vorgelegt. In diesen Privatgutachten wurde u.a. auch die Richtigkeit der von den Sachverständigen der Behörde erster Instanz gewonnenen Abwasseranalysen begründet bekämpft. Der angefochtene Bescheid gibt zwar wörtlich das eingeholte Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen wieder, läßt aber jede Würdigung der Beweismittel vermissen. Damit kann aber die Schlüssigkeit der Ausführungen der belangten Behörde, warum sie das Gutachten ihres Amtssachverständigen dem des Privatgutachters vorgezogen hat, nicht überprüft werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1985, Zl. 84/07/0384 = ZfVB 1985/6/2329 und 2352). Der darin liegende Verfahrensmangel ist deswegen relevant, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei gesetzeskonformem Verhalten zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Infolge Vorrangs der inhaltlichen Rechtswidrigkeit (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 572, zitierte Judikatur) war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991070058.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
14.06.2012