TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/27 92/01/1016

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Veröffentlicht am 27.05.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. April 1992, Zl. 4.311.012/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsbürger, reiste am 1. März 1991 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 6. März 1991 einen Asylantrag. Bei seiner am 13. März 1991 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab er im wesentlichen folgendes an:

Er sei seit 1988 Angehöriger der somalischen Bewegung, die gegen die Regierung und für die Demokratie kämpfe. Mit seinem eigenen Lkw habe er für diese Organisation Munition und andere Gegenstände transportiert. Als die Regierung den Kampf gegen die Organisation begonnen habe, seien ganze Dörfer, die im Verdacht standen, gegen die Regierung zu sein, vernichtet worden. Der Bruder des Beschwerdeführers sei samt Familie getötet worden. Der Beschwerdeführer sei nach diesen Zwischenfällen im Jahr 1988 mit seiner Familie nach Äthiopien geflüchtet. Während seine Familie dort geblieben sei, sei der Beschwerdeführer aber wieder nach Somalia zurückgekehrt, um seine Tätigkeit in der Organisation weiter zu führen. Als im Jänner 1991 abermals eine Verfolgungs- und Vernichtungswelle begonnen habe, habe er sich zur Flucht nach Österreich entschlossen. Betreffend seine Mitgliedschaft bei der erwähnten Organisation und den Umstand, daß es für ihn in Somalia zu gefährlich gewesen sei, berief sich der Beschwerdeführer auf eine vorgelegte Bestätigung (OZl. 6 der Verwaltungsakten).

Der Beschwerdeführer gab weiters an, Anfang Jänner 1991 von Somalia mit einem somalischen Reisepaß nach Äthiopien und von dort mit der Fluglinie Alitalia über Rom und Zürich nach Budapest gereist zu sein. In Budapest habe er sich bis 1. März 1991 aufgehalten.

Mit Bescheid vom 11. April 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes.

Dagegen berief der Beschwerdeführer, wobei er unter Hinweis auf eine beigelegte Stellungnahme und den Jahresbericht 1990 von "Amnesty International" vorbrachte, in Somalia fehle eine ordnungsgebende Gewalt. Die Situation des Landes sei durch eine ständige Auseinandersetzung zwischen der Regierung und verschiedenen Rebellengruppen und Clans gekennzeichnet. Im Norden des Landes steige die Unvorhersehbarkeit willkürlicher Menschenrechtsverletzungen so stark an, daß er persönlich jeden Tag um sein Leben habe fürchten müssen. Diese Situation habe sich nicht gebessert. Er sei Mitglied des "SNM", des Somali National Movement. Aus dem Jahresbericht 1990 von Amnesty International sei ersichtlich, daß im Laufe der Jahre 1988/89 zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch Regierungstruppen an Personen verübt worden seien, die im Verdacht gestanden seien, die "SNM" zu unterstützen. Diese Praxis habe den Beschwerdeführer und seine Familie gezwungen, im Jahr 1988 aus dem Land zu flüchten.

Der Beschwerdeführer sei unter bewußter Gefährdung seiner Person nach Somalia zurückgekehrt, weil er seine Familie in Äthiopien (in Sicherheit) gewußt habe. Ein Onkel des Beschwerdeführers, ebenfalls Mitglied der "SNM", sei zur Zeit der neuerlichen Flucht des Beschwerdeführers verhaftet und ohne Angabe von Gründen eingesperrt worden.

Die belangte Behörde wies die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach ebenfalls aus, er sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes. Begründend betonte die belangte Behörde, den Angaben des Beschwerdeführers könne kein Glauben geschenkt werden, weil er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorgebracht habe. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer in seinen erstinstanzlichen Angaben keine konkreten Aussagen über die Bezeichnung der Organisation gemacht habe, der er angehöre, sei ein Indiz dafür, daß ihm zur Zeit seiner Ausreise keine Verfolgung gedroht habe. Die belangte Behörde äußerte in diesem Zusammenhang den Verdacht, der Beschwerdeführer sei von jenem Schlepper, der ihn nach Österreich gebracht habe, unterwiesen worden, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe. Dafür spräche auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer behauptet habe, seinen Reisepaß verloren zu haben.

Davon abgesehen vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Somalia im Jahr 1988 spreche gegen das Vorliegen wohlbegründeter Furcht zur damaligen Zeit. Zu berücksichtigen sei auch, daß der Beschwerdeführer schließlich mit einem somalischen Paß seine Heimat verlassen habe dürfen. Schließlich ging die belangte Behörde davon aus, daß eine allfällige Gefährdung des Beschwerdeführers nunmehr weggefallen sei. Der Diktator Siad Barre sei im Jänner 1991 gestürzt worden, es habe sich eine Übergangsregierung aus mehreren oppositionellen Gruppierungen gebildet, am 18. Mai 1991 habe die Ausrufung einer unabhängigen Repulik Somaliland im Norden durch die SNM unter ihrem Präsidenten stattgefunden. Eine neue Verfassung sei in Vorbereitung. Es sei leider auch eine unbestrittene Tatsache, daß der in Somalia tobende Bürgerkrieg eskaliert sei. Dies erfülle jedoch nicht den Tatbestand einer Verfolgung. Beeinträchtigungen durch den Bürgerkrieg hätten die Bewohner des Heimatlandes des Beschwerdeführers allgemein hinzunehmen und stellten keine individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention dar.

Der Beschwerdeführer habe keine konkreten, gegen ihn selbst gerichteten Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht und auch nicht dargetan, daß sein weiterer Verbleib in Somalia aus objektiver Sicht betrachtet unerträglich gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende (vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene) Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylgewährung und Feststellung der Aufenthaltsberechtigung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Den Ausführungen des Beschwerdeführers zur behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist zu entgegnen, daß der Beschwerdeführer betreffend seine Person, was die allein relevante Zeit nach seiner freiwilligen Rückkehr aus Äthiopien nach Somalia anlangt, im gesamten Verwaltungsverfahren keinen einzigen konkreten Anhaltspunkt dafür genannt hat, daß er aus politischen oder sonstigen Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention eine Verfolgung erlitten oder zu befürchten gehabt hätte, die seinen weiteren Verbleib in Somalia unerträglich gestaltet hätte. Bereits aus diesem Grund erweist sich daher der angefochtene Bescheid selbst unter Zugrundelegung jenes Vorbringens des Beschwerdeführers, das die belangte Behörde für nicht glaubwürdig erachtete, im Ergebnis als frei von Rechtswidrigkeit und kommt deshalb sowohl der Problematik allfälliger Änderungen der politischen Verhältnisse im Heimatland des Beschwerdeführers als auch der erhobenen Verfahrensrüge keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Insbesondere vermag daher auch der Umstand der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, daß die teilweise nur auf Vermutungen gegründete Beweiswürdigung der belangten Behörde jedenfalls insoweit unschlüssig ist, als sie dem Beschwerdeführer vorwirft, in erster Instanz keine konkreten Angaben über die Organisation gemacht zu haben, der anzugehören er behauptete, weil der Beschwerdeführer im Zuge seiner erstinstanzlichen Vernehmung ein Dokument vorgelegt hat (OZl. 6 der Verwaltungsakten), aus dem im Zusammenhang mit seinem Vorbringen eindeutig zu entnehmen ist, daß es sich um die "SNM" handelte.

Mit Rücksicht darauf, daß selbst unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren für den von ihm angestrebten Beschwerdeerfolg nichts gewonnen wäre, erweist sich auch die von der belangten Behörde gesetzte Unterlassung einer ergänzenden Einvernahme des Beschwerdeführers als nicht relevant.

Da auf der Basis des eigenen Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren schließlich auch die Ausführungen des Beschwerdeführers im Punkt 3 der seinerzeit an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG (worin sich der Beschwerdeführer auf Art. 2, 3 und 5 der EMRK sowie Art. 7 B-VG beruft) nicht geeignet sind, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, erweist sich der angefochtene Bescheid insgesamt als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der beantragten mündlichen Verhandlung aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden konnte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992011016.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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