TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/17 91/19/0265

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Veröffentlicht am 17.06.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

ARG 1984 §3;
ARG 1984 §4;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):91/19/0381

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden des BM für Arbeit und Soziales gegen die Bescheide des LH von NÖ 1) vom 12.7.1991, Zl. VII/2a-V-1411/0/1-91, und 2) vom 12.11.1991, Zl. VII/2a-V-1472/0+1/1-91, betr Einstellung von Strafverfahren wegen Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes (mP zu 1: H in X, mP zu 2: E in X), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Landeshauptmannes von Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 12. Juli und 12. November 1991 wurden gegen die mitbeteiligten Parteien geführte Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen des § 4 des Arbeitsruhegesetzes (ARG) gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 eingestellt. Den Mitbeteiligten war vorgeworfen worden, sie hätten es als zur Vertretung nach außen Berufene der Sparkasse X zu verantworten, daß namentlich genannten Arbeitnehmern der Sparkasse X, welche während der Zeit der Wochenendruhe am 24. und 25. März 1990 beschäftigt worden seien, keine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, welche einen ganzen Wochentag einzuschließen habe, gewährt worden sei. Beide mitbeteiligten Parteien sind aufgrund der Beschäftigung der Arbeitnehmer während der Wochenendzeit wegen Übertretungen des § 3 ARG rechtskräftig bestraft worden.

In der Begründung der angefochtenen Bescheide führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, Anspruch auf Wochenruhe bestehe nur dann, wenn ein Arbeitnehmer während der Wochenendzeit zulässigerweise und aufgrund seiner vorher bestimmten Arbeitszeiteinteilung beschäftigt worden sei. Es sei davon auszugehen, daß zwar die Arbeitszeit vorherbestimmt gewesen sei, allerdings sei die Beschäftigung während der Wochenendzeit unzulässig gewesen. Eine allfällige Verletzung der Verpflichtung zur Gewährung von Ersatzruhe nach § 6 Abs. 1 ARG sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden des Bundesministers für Arbeit und Soziales gemäß § 9 Abs. 2 ArbIG 1974. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die Abweisung der Beschwerden beantragt. Die Mitbeteiligten haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres engen sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

1. Die in den Beschwerdefällen maßgebenden Bestimmungen des ARG lauten wie folgt:

"§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1) Wochenendruhe eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag fällt (§ 3);

2) Wochenruhe eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden in der Kalenderwoche (§ 4) ...

3) wöchentliche Ruhezeit sowohl die Wochenendruhe als auch die Wochenruhe;

4) Ersatzruhe eine ununterbrochene Ruhezeit, die als Abgeltung für die während der wöchentlichen Ruhezeit geleistete Arbeit zusteht (§ 6) ...

Wochenendruhe

§ 3. (1) Der Arbeitnehmer hat in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe). Während dieser Zeit darf der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies auf Grund der §§ 2 Abs. 2, 10 bis 18 zulässig ist.

(2) Die Wochenendruhe hat für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13 Uhr, für Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15 Uhr zu beginnen.

(3) In Betrieben mit einer werktags durchlaufenden mehrschichtigen Arbeitsweise hat die Wochenendruhe spätestens mit Ende der Nachtschicht zum Sonntag zu beginnen und darf frühestens mit Beginn der Nachtschicht zum Montag enden.

(4) Wird in Verbindung mit Feiertagen eingearbeitet und die ausgefallende Arbeitszeit auf die Werktage der die Ausfallstage einschließenden Wochen verteilt (§ 4 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969), so kann der Beginn der Wochenendruhe bis spätestens Samstag 18 Uhr aufgeschoben werden.

Wochenruhe

§ 4. Der Arbeitnehmer, der nach der für ihn geltenden Arbeitszeiteinteilung während der Zeit der Wochenendruhe beschäftigt wird, hat in jeder Kalenderwoche an Stelle der Wochenendruhe Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden (Wochenruhe). Die Wochenruhe hat einen ganzen Wochentag einzuschließen.

Ersatzruhe

§ 6.(1) Der Arbeitnehmer, der während seiner wöchentlichen Ruhezeit (§ 2 Abs. 1 Z 3) beschäftigt wird, hat in der folgenden Arbeitswoche Anspruch auf Ersatzruhe, die auf seine Wochenarbeitszeit anzurechnen ist. Die Ersatzruhe ist im Ausmaß der während der wöchentlichen Ruhezeit geleisteten Arbeit zu gewähren, die innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche erbracht wurde.

(2) Während der Ersatzruhe nach Abs. 1 dürfen Arbeitnehmer nur im Rahmen der §§ 11 oder 14 beschäftigt werden.

(3) Wird ein Arbeitnehmer während der Ersatzruhe gemäß Abs. 1 beschäftigt, so ist diese Ersatzruhe im entsprechenden Ausmaß zu einer anderen, einvernehmlich festgesetzten Zeit nachzuholen. ..."

2. Der Beschwerdeführer hält die angefochtenen Bescheide für rechtswidrig, weil der Anspruch auf Wochenruhe nach § 4 ARG entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht voraussetze, daß der Arbeitnehmer nach der für ihn geltenden Arbeitszeiteinteilung erlaubterweise während der Zeit der Wochenendruhe beschäftigt werde. Wesentlich sei allein die Beschäftigung während der Wochenendruhe aufgrund einer geltenden Arbeitszeiteinteilung. Die Bestrafung wegen Verletzung der Wochenendruhe schließe daher nicht die Bestrafung wegen Verletzung der Wochenruhe aus.

3.1. Die belangte Behörde stützt ihre Auffassung auf die Ausführungen von Schwarz in Arbeitsruhegesetz, 2. Auflage, Schriftenreihe des ÖGB/134. Dort wird an mehreren Stellen (siehe die Seiten 35, 135, 143 und 217) betont, daß ein Anspruch auf Wochenruhe bestehe, wenn ein Arbeitnehmer während der Wochenendzeit zulässigerweise und aufgrund seiner vorher bestimmten Arbeitszeiteinteilung beschäftigt werde. Fehle eine dieser beiden Voraussetzungen, liege eine rechtswidrige Störung der Wochenendruhe (und damit eine Übertretung des § 3 ARG) vor. Inhaltsgleiche Ausführungen finden sich im übrigen auch in der im Jahre 1993 erschienenen dritten Auflage dieses Werkes (Seiten 36, 122, 129 und 194).

3.2. Der Beschwerdeführer setzt sich mit der von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden zitierten Kommentarmeinung nicht auseinander und meint, die Zulässigkeit der Wochenendarbeit könne "bei richtiger Würdigung der dem Arbeitsruhegesetz zugrundeliegenden Prinzipien (insbesondere Gewährleistung einer ausreichenden Ruhezeit in JEDER Woche) kein taugliches Abgrenzungskriterium darstellen".

3.3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hält den Rechtsstandpunkt der belangten Behörde für richtig, dies in erster Linie aufgrund der Gesetzesmaterialien.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ARG (1289 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR XV. GP) wird zu § 4 ausgeführt, daß Arbeitnehmer, die in vollkontinuierlichen Schichtbetrieben beschäftigt sind sowie Arbeitnehmer in Betrieben, die unter die Ausnahmeregelungen der §§ 10, 12 und 13 sowie unter die Sonderbestimmungen der §§ 19 - 22 fallen, an Stelle der Wochenendruhe Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden während der Kalenderwoche haben. Für diese Arbeitnehmer trete an die Stelle der "Wochenendruhe" (§ 3) die "Wochenruhe". Ausschlaggebend für die Gewährung der Wochenruhe sei, daß der Arbeitnehmer nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig während der Zeit der Wochenendruhe beschäftigt werde. Diese Arbeitszeiteinteilung könne entweder auf einer Betriebsvereinbarung nach § 97 Abs. 1 Z. 2 ArbVG oder auf einer Einzelvereinbarung beruhen. Keinesfalls könne die Arbeitszeiteinteilung einseitig vom Arbeitgeber verfügt und abgeändert werden.

Der Gesetzgeber hatte somit bei der Normierung der Verpflichtung zur Gewährung von Wochenruhe gemäß § 4 ARG nur solche Fälle im Auge, in denen zulässigerweise nicht die Wochenendruhe eingehalten wird, nicht hingegen solche, in denen Arbeitnehmer rechtswidrigerweise während der Zeit der Wochenendruhe beschäftigt werden. Die Rechtsansicht der belangten Behörde findet somit in den Gesetzesmaterialien ihre Bestätigung.

3.3.2. Für die Richtigkeit der Auffassung der (auf der zitierten Kommentarstelle basierenden) Auffassung der belangten Behörde spricht auch die Erwägung, daß bei Zugrundelegung der Auffassung des Beschwerdeführers die rechtswidrige Beschäftigung während der Wochenendruhe in manchen Fällen zum Anspruch auf Wochenruhe führen würde (nämlich dann, wenn die Beschäftigung aufgrund einer für den Arbeitnehmer geltenden Arbeitszeiteinteilung erfolgt ist), in allen anderen Fällen jedoch nicht. Der Versuch des Beschwerdeführers, dieses unsystematische Ergebnis mit den dem Arbeitsruhegesetz zugrundeliegenden Prinzipien zu rechtfertigen, scheitert, weil eine ausreichende Ruhezeit in jeder Woche auch dann gewährleistet ist, wenn man dem mit den Gesetzesmaterialien im Einklang stehenden Standpunkt der belangten Behörde folgt. Demnach hat der Arbeitnehmer primär Anspruch auf Wochenendruhe. Nur dann, wenn er zulässigerweise und aufgrund seiner vorher bestimmten Arbeitszeiteinteilung während der Wochenendruhe beschäftigt wird, hat er in jeder Kalenderwoche Anspruch auf Wochenruhe.

4. Die belangte Behörde ist daher schon mangels Zulässigkeit der Beschäftigung der Arbeitnehmer an dem besagten Wochenende zutreffend zu der Auffassung gelangt, daß ein Anspruch auf Gewährung von Wochenruhe nicht bestanden habe und daher keine Übertretung des § 4 ARG vorliege.

Es kann daher auf sich beruhen, ob - wie der Beschwerdeführer und die belangte Behörde übereinstimmend meinen - die Arbeitnehmer tatsächlich aufgrund einer für sie geltenden Arbeitszeiteinteilung an dem besagten Wochenende beschäftigt wurden. Der Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge wurde nicht geprüft, ebensowenig ob eine Betriebsvereinbarung besteht, die Wochenendarbeit vorsieht. Nach der Aktenlage handelte es sich um eine einmalige Beschäftigung der Arbeitnehmer an einem Wochenende, sodaß von einer regelmäßigen Beschäftigung während der Zeit der Wochenendruhe aufgrund einer für die Arbeitnehmer geltenden Arbeitszeiteinteilung nach der Aktenlage nicht ohne weiteres ausgegangen werden könnte.

5. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Aufwandersatz wurde (entsprechend § 47 Abs. 4 VwGG) nicht verzeichnet.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991190265.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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