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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine willkürliche Verhängung und Bemessung der Höhe einer Disziplinarstrafe über einen RechtsanwaltSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird daher abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 19. Juni 1989, Z Bkd 110/87, wurde den Berufungen des Beschuldigten und des Kammeranwaltes gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. Mai 1987 keine Folge gegeben; disziplinär fällt damit dem Beschwerdeführer zur Last, er habe:
"I. (1) In einem Schreiben vom 14. Dezember 1983 an J K mit einer Strafanzeige gemäß §297 (1) StGB gedroht, falls nicht binnen 14 Tagen 'freiwillig die Gefahr einer behördlichen Verfolgung Dris. G beseitigt werde' und habe in einem Nachsatz bekanntgegeben, daß er die Kosten 'die durch eine unbegründete Disziplinaranzeige in meiner Kanzlei auflaufen, gesondert in Rechnung stellen werde';
I. (2 a) Obgleich am 26. März 1986 im Verlassenschaftsverfahren nach K H mit dem Verkauf einer Liegenschaft betraut, weder W S noch
W K, noch deren Rechtsvertreter Dr. A K trotz wiederholter Aufforderungen von den durch ihn geführten Verkaufsverhandlungen und einem Kaufabschluß mit J M berichtet, noch eine Kopie der Vertragsurkunde vorgelegt;
I. (2 b) Auf die Anfrage von Dr. A K mit Schreiben vom 17. April 1985 in unkollegialer und unsachlicher Weise geantwortet;
I. (3) Sich im Schreiben an den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland zu VZ 761/85 vom 14. April 1986 über den nach langer, schwerer Krankheit verstorbenen Kollegen Dr. ... geäußert: 'Leider ist es nicht mehr möglich, den verstorbenen Kollegen Dr. C S zu bestimmen, da dieser nach meiner Ansicht nach zu kurzem Leiden verblichen ist' und 'Aus dem Dunstkreis dieses Verstorbenen wird sich sicherlich einer finden';
I. (4) In seiner am 13. Mai 1986 beim Disziplinarrat eingelangten Berufungsschrift gegen das Erkenntnis vom 25. Oktober 1985 ...
ausgeführt, '... der Gott sei Dank bereits verstorbene Dr. S (der
den Disziplinarbeschuldigten) ... in ein schiefes Licht stellen
wollte ... Wenn ich gewußt hätte, daß dem Verstorbenen die
Gehässigkeit und Bosheit nicht nur die Seele aufgefressen hat, sondern auch die Inkarnation der Bosheit zu diesem Zeitpunkt bereits die Innereien aufzufressen begann, hätte ich ihm keine Briefe mehr geschrieben. Er war nämlich führend im Kesseltreiben gegen mich beteiligt ... Ich hoffe und glaube, daß alle Witwen und Waisen derer, die sich im Kesseltreiben gegen mich beteiligt haben, bald von den von mir geleisteten Beträgen profitieren werden. Ich glaube an eine irdische Gerechtigkeit.' ...;
I. (5) In seiner am 22. September 1986 beim Disziplinarrat eingelangten Beschwerdeschrift gegen den Rücklegungsbeschluß des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland vom 13. Dezember 1985 zu D 235/85 die Grenzen zulässiger Schreibweise dadurch überschritten, daß er darin wörtlich und in bezug auf den erkennenden Disziplinarrat ausführte:
'Diese Entscheidung ist eine Melange, erwartungsgemäß heiter, der Alltag bleibt als Bodensatz zurück...'.
'Ich wünsche ihnen (den Mitgliedern des Disziplinarrates) lediglich, daß sie uneingeschränkt in den Fußstapfen des seinerzeitigen Vertreters des Angezeigten (des mittlerweile verstorbenen Dr. C S) bleiben. Diese Hoffnung hilft mir, meine Traurigkeit über diese Entscheidung auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.' ..."
Wegen dieser Disziplinarvergehen wurde über den Disziplinarbeschuldigten eine Geldbuße von S 100.000,-- verhängt.
2.1. Gegen das Erkenntnis der OBDK vom 19. Juni 1989 richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und beantragt wird, das angefochtene Erkenntnis seinem gesamten Umfange nach aufzuheben.
2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Die Beschwerdeausführungen, die sich ausschließlich dagegen wenden, daß der Strafberufung gegen die vom Disziplinarrat verhängte Geldbuße von S 100.000,-- nicht Folge gegeben wurde, lasten der belangten Behörde Willkür an, weil das für die Bemessung der Geldbuße maßgebliche Nettoeinkommen des Beschwerdeführers im Jahr 1988 nur S 109.985,82 betragen habe. Die belangte Behörde habe die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen. Der Einkommensteuerbescheid des Beschwerdeführers weise für das Jahr 1988 insgesamt ein positives Betriebsergebnis von nur S 221.617,82 auf, aus welchem er S 111.632,-- an Einkommensteuer zu bezahlen gehabt habe. Unter Berücksichtigung der Sorgepflichten für seine Ehefrau und zwei minderjährige Kinder sei die Festsetzung einer Geldbuße von S 100.000,-- bei einem verbleibenden Gesamtjahreseinkommen von S 109.985,82 als Willkürakt zu werten. Wenn man bedenke, daß in Konsequenz dieser Höhe der verhängten Geldstrafe eine vierköpfige Familie mit einem Betrag von nicht ganz S 10.000,-- ein Jahr lang leben solle, lasse sich keine sachliche Rechtfertigung für das Vorgehen der Behörde finden.
3.2. Im angefochtenen Erkenntnis wird zur Strafhöhe ausgeführt, daß die Ausführungen des Beschuldigten nicht geeignet gewesen seien, eine Herabsetzung der vom Disziplinarrat verhängten Geldstrafe von S 100.000,-- zu bewirken. Wegen seiner beleidigenden Ausdrucksweise sei der Beschuldigte bereits einmal zu einer Geldstrafe von S 25.000,-- verurteilt worden. Die Vielzahl der Vorkommnisse, die dem Beschuldigten nunmehr zur Last gelegt werden, ließen eine entsprechende Geldstrafe jedenfalls für geboten erscheinen. Daß der Beschuldigte in der Zwischenzeit eine Eigentumswohnung angeschafft habe, könne, auch wenn er dafür Teilbeträge durch Kredit habe finanzieren müssen, auf die Bemessung der Höhe einer Geldbuße nicht von Einfluß sein. Unter Berücksichtigung der vom Disziplinarrat zutreffend festgestellten und gewürdigten Strafzumessungsgründe erweise sich die verhängte Geldbuße nicht als überhöht.
In der Gegenschrift der belangten Behörde wird - im Einklang mit den Administrativakten - zusätzlich darauf verwiesen, daß der Beschwerdeführer bei der Berufungsverhandlung sein durchschnittliches Jahreseinkommen mit ca. S 400.000,-- (vor dem Steuerabzug) beziffert und zugegeben habe, daß er im Jahre 1986 eine Eigentumswohnung um einen Kaufpreis von S 3 Mio. erworben hatte.
3.3. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung sowie VfSlg. 10338/1985).
All dies liegt offenkundig nicht vor. Die belangte Behörde hat sich bei der Strafzumessung sowohl mit der Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verfehlungen als auch mit seinen persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen in angemessener Weise auseinandergesetzt (vgl. VfGH vom 14.12.1990, B949/90). Wenn die belangte Behörde - den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung am 19. Juni 1989 folgend - von einem Jahreseinkommen von S 400.000,-- (vor dem Steuerabzug) ausging, kann ihr unter Berücksichtigung ihrer Erwägungen zur Strafzumessung keinesfalls angelastet werden, unvertretbar vorgegangen zu sein. Der vom Beschwerdeführer dem Verfassungsgerichtshof vorgelegte Einkommensteuerbescheid, aus dem hervorgeht, daß im Jahre 1988 Einkünfte aus selbständiger Arbeit bloß in Höhe von S 380.000,-- erzielt wurden (nach Berücksichtigung der Sonderausgaben verbleibt - wie sich ebenfalls aus dem Steuerbescheid ergibt - ein zu versteuerndes Einkommen von rund S 330.500,--), erging am 30. August 1989, sohin erst nach Abschluß des Verfahrens vor der OBDK, sodaß darauf nicht Bedacht genommen werden konnte. Berücksichtigt man des weiteren, daß der Beschwerdeführer 1986 eine Eigentumswohnung (Kaufpreis S 3 Mio.) erwarb, kann selbst auf dem Boden der Beschwerdebehauptungen von Willkür keine Rede sein.
Die behauptete Grundrechtsverletzung liegt somit nicht vor.
3.4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B1573.1989Dokumentnummer
JFT_10098785_89B01573_00