TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/29 92/08/0067

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Veröffentlicht am 29.06.1993
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;

Norm

SHG Wr 1973 §13 Abs2;
SHG Wr 1973 §13 Abs5;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt, W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Dezember 1991, Zl. MA 12-12419/83, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid des Magistrates der Stadt Wien

- Magistratsabteilung 12 vom 19. August 1991 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 14. August 1991 für die Zeit vom 15. August 1991 bis 14. September 1991 eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes von S 2.579,-- einschließlich Mietbeihilfe gewährt.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin fristgerecht eingebrachte Vorstellung wurde gemäß § 57 Abs. 3 AVG mit Bescheid vom 23. Oktober 1991 abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin, mit der sie den Bescheid insofern bekämpfte, als ihr nicht eine S 2.579,-- übersteigende Geldaushilfe gewährt wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der bekämpfte Bescheid bestätigt. In der Bescheidbegründung wurde nach Zitierung des § 13 Abs. 1 und 6 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 11/73 in der Fassung der Novelle LGBl. 17/1986 (WSHG) ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei aus gesundheitlichen Gründen schon seit mehreren Jahren nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt durch Einsatz ihrer Arbeitskraft zu bestreiten. Sie sei daher seit 30. Jänner 1990 laufend mit monatlichen Geldaushilfen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zuzüglich Zuschlag (Dauerleistung) unterstützt worden. Die Höhe der monatlichen Unterstützung habe - unter der Annahme, daß die Beschwerdeführerin alleinstehend sei - zuletzt S 6.398,-- monatlich betragen. Im Juli 1991 sei hervorgekommen, daß die Beschwerdeführerin seit Dezember 1990 in Lebensgemeinschaft mit A. wohne. A. beziehe eine Invaliditätspension von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in der Höhe von zuletzt S 5.820,-- monatlich. Aus näher angeführten Gründen sei - entgegen den Berufungsausführungen - davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin tatsächlich mit A. in Lebensgemeinschaft lebe. Die Bedarfsermittlung sei daher unter Anwendung der derzeit geltenden Richtsätze (nach der Verordnung der Wiener Landesregierung, LGBl. für Wien Nr. 13/1973 in der Fassung LGBl. Nr. 76/1990) wie folgt durchzuführen:

4.082,-- Richtsatz für einen Hauptunterstützten

+ 2.095,-- Richtsatz für einen Mitunterstützten

+ 2.165,-- Zuschlag gemäß § 13 Abs. 6 WSHG

+ 57,-- Mietenmehrbedarf (tatsächliche Miete abzüglich

Mietenselbstbehalt gemäß § 4 Abs. 4 der Richtsatzverordnung)

8.399,--

- 5.820,-- (Pension des Lebensgefährten)

2.579,-- Richtsatzergänzung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 WSHG hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Nach § 11 Abs. 1 Z. 1 WSHG gehört zum Lebensbedarf der Lebensunterhalt, der nach § 12 leg. cit. unter anderem auch die dort genannten Bedürfnisse umfaßt.

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 13 WSHG lauten:

(1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.

(2) In der Verordnung über die Festsetzung der Richtsätze sind folgende Arten von Richtsätzen vorzusehen:

1.

Richtsatz für den Alleinunterstützten,

2.

Richtsatz für den Hauptunterstützten,

3.

Richtsatz für den Mitunterstützten.

Der in Z. 1. bezeichnete Richtsatz hat im Umfang des Abs. 3 den Lebensunterhalt eines Hilfesuchenden zu decken, der keine mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen hat. Die in den Z. 2. und 3. bezeichneten Richtsätze haben zusammen den Lebensunterhalt eines Hilfesuchenden, seines Ehegatten oder Lebensgefährten und der sonst mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen im Umfange des Abs. 3 zu decken.

(3) Der Richtsatz ist so zu bemessen, daß er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt.

(4) (Fälle der Überschreitung des Richtsatzes)

(5) (Fälle der Unterschreitung des Richtsatzes) Der Lebensunterhalt unterhaltsberechtigter Angehöriger sowie des Lebensgefährten darf dadurch jedoch nicht beeinträchtigt werden.

(6) Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Bei alten oder erwerbsunfähigen Beziehern wiederkehrender monatlicher Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes kann dieser Bedarf durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt werden."

Nach § 1 Abs. 1 der Richtsatzverordnung, LGBL. für Wien Nr. 13/1973 in der im Beschwerdefall (wegen der Bezogenheit auf den Zeitraum vom 15. August bis 14. September 1991) anzuwendenden Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 76/1990, betragen die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes monatlich:

    "1. für den Alleinunterstützten .......... ..... 4.186,-- S

     2. für den Hauptunterstützten ............. 4.082,-- S

     3. für den Mitunterstützten

        a) ohne Anspruch auf Familienbeihilfe .. 2.095,-- S

        b) mit Anspruch auf Familienbeihilfe ... 1.256,-- S."

Die Höhe des Zuschlages nach § 13 Abs. 6 letzter Satz in Verbindung mit § 4 Abs. 1 der Richtsatzverordnung beträgt nach § 4 Abs. 2 der Verordnung für den Alleinunterstützten 1.634,-- S und für den Hauptunterstützten 2.165,-- S.

Die Bestimmungen des § 8 Abs. 1 WSHG über den Grund des Anspruchs auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (und damit auch des Lebensunterhaltes) und des § 13 Abs. 2 über die Bemessung der Höhe dieses Anspruches (insbesondere durch die Verwendung der Begriffe "Alleinunterstützten", "Hauptunterstützten" und "Mitunterstützten") lassen zwei Fallkonstellationen erkennen, nämlich einerseits den Fall, daß eine Person (nur) "für sich" der Hilfe bedarf, und andererseits den Fall, daß jemand "für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen" auf Sozialhilfe angewiesen ist. Der zuletzt genannte Fall setzt voraus, daß die genannten Angehörigen ebenfalls hilfsbedürftig sind, das heißt, daß auf sie die Anspruchsvoraussetzung des § 8 Abs. 1 leg. cit. zutreffen. Daraus folgt, daß einem Hilfebedürftigen im Sinne des § 8 Abs. 1 WSHG auch dann der Richtsatz für den Alleinunterstützten zusteht, wenn er in Familiengemeinschaft mit Angehörigen lebt, diese aber nicht hilfsbedürftig sind. Umgekehrt setzt eine Bemessung der Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Richtsatz für den Haupt- und den Mitunterstützten voraus, daß der Hilfesuchende mit unterhaltsberechtigten Angehörigen in Familiengemeinschaft lebt und diese Angehörigen hilfsbedürftig im Sinne des § 8 Abs. 1 leg. cit. sind (vgl. zu ähnlichen Bestimmungen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1989, Zl. 87/11/0267, zum Tiroler Sozialhilfegesetz, vom 4. März 1991, Zl.90/19/0238, zum Niederösterreichischen

Sozialhilfegesetz, und vom 17. September 1991,

Zlen. 91/08/0004, 0093, zum Kärntner Sozialhilfegesetz).

Diese Grundsätze gelten nach dem WSHG auch dann, wenn der Hilfesuchende mit einem Lebensgefährten in Familiengemeinschaft lebt. Denn aus der Gleichstellung des Lebensgefährten mit den "sonst mit ihm im Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen" (§ 13 Abs. 2 WSHG) und der Bestimmung des § 13 Abs. 5 letzter Satz WSHG (nämlich dem Verbot der Beeinträchtigung des Lebensunterhaltes unterhaltsberechtigter Angehöriger sowie des Lebensgefährten bei einer Unterschreitung des Richtsatzes) ergibt sich, daß eine Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes eines Hilfesuchenden, der mit einem Lebensgefährten in Familiengemeinschaft lebt, nach dem Richtsatz für den Haupt- und Mitunterstützten voraussetzt, daß auch der Lebensgefährte hilfsbedürftig ist, das heißt, daß auch auf ihn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 leg. cit. zutreffen.

Die belangte Behörde hat aber nicht angenommen, es sei neben der Beschwerdeführerin auch A. hilfsbedürftig; dafür bietet auch der Akteninhalt keinen Anhaltspunkt. Ist demnach aber davon auszugehen, daß allein die Beschwerdeführerin der Sozialhilfe bedarf, so hätte die belangte Behörde die Bemessung der Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auch dann nach dem Richtsatz für den Alleinunterstützten vornehmen müssen, wenn A. ihrer (von der Beschwerdeführerin allerdings bekämpften) Auffassung nach im relevanten Zeitraum deren Lebensgefährte gewesen sein sollte. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. So wie in den Erkenntnissen vom 24. Februar 1989, Zl. 87/11/0267, und vom 17. September 1991, Zlen. 91/08/0004, 0093, wird aber auch im Beschwerdefall darauf verwiesen, daß aus der Anwendung des Richtsatzes für den Alleinunterstützten noch nicht zwingend folgt, daß die konkret zu bestimmende Hilfeleistung auch tatsächlich diesen Richtsatzbetrag erreichen muß. Sollte sich nämlich im fortzusetzenden Verfahren ergeben, daß bei der Beschwerdeführerin in Ansehung einzelner vom Richtsatz erfaßter Komponenten kein Bedarf bestand (etwa weil A. einzelne zum Lebensunterhalt zählende Bedürfnisse der Beschwerdeführerin tatsächlich befriedigt hat), was gegebenenfalls zu begründen wäre, so wäre für das Ausmaß der Geldleistung ein unter dem Richtsatz gelegener Betrag in Betracht zu ziehen.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992080067.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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