TE Vfgh Erkenntnis 1991/2/25 B553/90

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Veröffentlicht am 25.02.1991
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
MRK Art6 Abs1 / Tribunal
Tir GVG 1983 §6 Abs1 litc

Leitsatz

Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs aufgrund der Annahme mangelnder Selbstbewirtschaftung; keine Verletzung des Eigentums- und des Gleichheitsrechts sowie des Rechts auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer erwarb mit Kaufvertrag vom 25. Oktober 1985 die Liegenschaft EZ 177 I KG Hopfgarten-Land (geschlossener Hof "Schweiberl") um einen Kaufpreis von S 3,826.300,--. Beim Kaufobjekt handelt es sich um einen Bergbauernbetrieb in extremer Lage mit ca. 9 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 5,73 ha Wald.

Der am 4. September 1967 geborene Käufer hat die dreijährige landwirtschaftliche Fachschule der landeswirtschaftlichen Landeslehranstalt Rotholz absolviert und ist Glaserlehrling im Betrieb seines Vaters. Dieser hat ihm den Kaufpreis vorgestreckt und das Kaufobjekt mit hohen Investitionen finanziert.

2.1. Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 18. März 1986 wurde festgestellt, daß der Kaufvertrag vom 25. Oktober 1985 den Grundsätzen der §§1 und 2 Z4 des Tiroler Landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes, LGBl. Nr. 49/1969, nicht entspricht.

Begründend wurde ausgeführt, daß der Siedlungswerber entgegen den Angaben im Siedlungsantrag die Bewirtschaftung des "Schweiberlhofes" nicht aufgenommen habe. Er sei zwar polizeilich in Hopfgarten gemeldet, wohne jedoch ständig bei seinen Eltern in Wörgl und sei hauptberuflich in der Firma "S Ges.m.b.H.", an der er auch Gesellschaftsanteile besitze, als Glaserlehrling tätig. Obwohl die Familie S bereits seit 1983 den Hof in Besitz habe, erfolge die Bewirtschaftung der Felder in den letzten Jahren ständig durch Nachbarn im Pachtwege. Ein Viehbestand sei nicht vorhanden.

2.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 26. Juni 1986 aus den als zutreffend erachteten Gründen des Bescheides erster Instanz abgewiesen.

Dies wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

"Der Landesagrarsenat schließt sich der bereits in der Begründung des angefochtenen Bescheides geäußerten Rechtsansicht an, daß nach dem vorliegenden Sachverhalt weder das Ziel eines landwirtschaftlichen Siedlungsverfahrens erreicht wird (§1 Abs2 leg.cit.) noch der vom Berufungswerber urgierte Siedlungstatbestand (§2 Z.4) vorliegt.

... Nach den festgestellten möglichen Erträgnissen bei der Bewirtschaftung des Schweiberlhofes durch ausschließlich persönlichen Arbeitseinsatz der bäuerlichen Familie wäre aus den landwirtschaftlichen Erträgnissen eine nachhaltige Lebensunterhaltssicherung für eine bäuerliche Familie dann nicht mehr gegeben, wenn für die Bewirtschaftung fremde Arbeitskräfte beigezogen und bezahlt werden müßten. Der Rechtsbegriff 'bäuerlicher Familienbetrieb' im Sinne des §1 Abs2 leg.cit. enthält sehr wesentlich eine personale Komponente ...

In seinem Siedlungsantrag an die Agrarbehörde I.Instanz vom 28.10.1985 behauptet der Berufungswerber, ... seit dem Jahre 1983 bewirtschafte er mit seiner Familie den Schweiberlhof und seit Beendigung der Landwirtschaftsschule Rotholz im Jahre 1985 bewirtschafte er als landwirtschaftlicher Facharbeiter und in der Zwischenzeit als Vollerwerbsbauer den Schweiberlhof.

    Der Berufungswerber ist vielmehr als Lehrling im

Glasereibetrieb seines Vaters tätig. Mehrfache Lokalaugenscheine

durch Behördenvertreter am Schweiberlhof zeigten, daß keine Rede

davon sein kann, daß der Berufungswerber nunmehr ständig auf den

Schweiberlhof aufgezogen sei. ... In den Berufungsausführungen wie

in der Stellungnahme zum Ermittlungsverfahren vom 3.3.1986 sowie

letztlich beim Lokalaugenschein vom 6.5.1986 stellte der Vater des

Berufungswerbers fest, daß er zufolge des jungen Alters des

Berufungswerbers diesem die Regelung der Führung und

Bewirtschaftung des Betriebes nicht allein zumuten könne. ... Auch

eine eigene Haushaltsführung könne dem Berufungswerber nicht

zugemutet werden. ... Beim Lokalaugenschein am 6.5.1986 hat die

Mutter des Berufungswerbers ausgeführt, daß die wesentlichen

landwirtschaftlichen Arbeiten am Schweiberlhof durch Herrn J F

erbracht werden. J F ... ist nach Angaben der Mutter des

Berufungswerbers seit gut 2 Jahren ständig am Schweiberlhof

beschäftigt. J F ist verheiratet und hat 2 Kinder. Durch dieses

Dienstverhältnis ... sei für die Familie des Herrn J F bisher und

auch für die weitere Zukunft ein sicherer Arbeitsplatz geschaffen.

...

    ... Kann die 'Regelung der Führung und Bewirtschaftung des

Betriebes dem Berufungswerber allein nicht zugemutet werden' und kann der Berufungswerber weiters wegen seines jugendlichen Alters 'nicht allein auf den Hof aufziehen', so ist derzeit kein Sachverhalt verwirklicht, der darauf schließen ließe, daß in der Hand des Berufungswerbers ein bäuerlicher Familienbetrieb geschaffen wird. ...

...

    War schon mangels Vorliegens eines bäuerlichen

Familienbetriebes die Durchführung eines landwirtschaftlichen

Siedlungsverfahrens nicht möglich, so stimmt die Berufungsbehörde

darüberhinaus der erstbehördlichen Rechtsauslegung zu, wonach der

Siedlungstatbestand des §2 Z.4 selbstverständlich die

hauptberufliche Selbstbewirtschaftung eines Hofes durch den

Siedlungswerber voraussetzt. ... Diese Rechtsauslegung ergibt sich

... insbesondere auch aus §5, worin normiert wird, daß die

Gestaltung von Rechtsverhältnissen mit den Bestimmungen des

Grundverkehrsgesetzes nicht im Widerspruch stehen dürfen. Nach §6

Abs1 litc GVG 1983 ... ist einem Eigentumserwerb

grundverkehrsgesetzlich unter anderem dann nicht zuzustimmen, wenn

zu besorgen ist, daß ein landwirtschaftlicher Betrieb durch den

Erwerber nicht selbst im Rahmen eines landwirtschaftlichen

Betriebes bewirtschaftet wird. ... Im Siedlungsantrag vom

28.10.1985 hat der Berufungswerber bereits ausgeführt, seit dem

Abschluß seiner Landwirtschaftsschule in Rotholz als

Vollerwerbsbauer den Schweiberlhof selbst zu bewirtschaften. Davon

kann, wie die getroffenen Feststellungen zeigen, keine Rede sein.

... Eine andere Entscheidung kann auch nicht das weitere Vorbringen

herbeiführen, wonach er am Schweiberlhof auch (teilweise)

persönlich Hand anlege, darüberhinaus aber die Bewirtschaftung des

Schweiberlhofes auf seine Anweisung und unter seiner Aufsicht durch

Nachbarn bzw. durch Herrn J F vornehme. ... Nach dem tatsächlichen

Arbeitseinsatz des Berufungswerbers und bei der gegebenen Bewirtschaftungssituation am Schweiberlhof und beim gegebenen jugendlichen Alter des Berufungswerbers kann absehbar nicht von der Schaffung eines Familienbetriebes in der Hand des Berufungswerbers gesprochen werden, ..."

Im Bescheid wird zu den Ausführungen der Berufung, mit denen eine persönliche Anhörung des Siedlungswerbers urgiert wurde, darauf verwiesen, daß er bei mehrfachen Erhebungen am Schweiberlhof nie anzutreffen war und auch zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesagrarsenat lediglich sein Parteienvertreter erschienen sei.

3.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Hopfgarten i.B. vom 17. Dezember 1986 wurde sodann dem Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Zustimmung erteilt, wobei im Hinblick auf §58 Abs2 AVG 1950 von einer Bescheidbegründung abgesehen wurde.

3.2.1. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Landesgrundverkehrsreferent aus, daß eine Selbstbewirtschaftung durch den Käufer nicht gewährleistet erscheine und daß auch das wirtschaftliche Interesse am Erwerb des Schweiberlhofes nicht beim Käufer, sondern bei dessen Vater gelegen sei. Dieser habe zusätzlich zum Kaufpreis etwa S 2,5 Mio in das Haus und in den Maschinenpark investiert. Die luxuriöse Ausstattung des Wohnhauses sei auf die Ansprüche des Vaters des Käufers, der Leiter und Inhaber eines Industriebetriebes sei, ausgerichtet.

Nach Angaben der Mutter des Käufers habe dieser im Alter von vier Jahren eine schwere Herzoperation gehabt und sei aus gesundheitlichen Gründen nicht voll belastbar, sodaß von einer selbständigen Bewirtschaftung und Führung des Schweiberlhofes durch den Käufer nicht die Rede sein könne.

3.2.2. Aus einem Erhebungsbericht im landesgrundverkehrsbehördlichen Verfahren geht hervor, daß zum Schweiberlhof eine vollfunktionsfähige Hofstelle mit derzeit 14 Schafen gehöre. Das erforderliche Rauhfutter werde angekauft. Die Felder würden von den Nachbarn bewirtschaftet. Der Käufer habe seinen Hauptwohnsitz in Hopfgarten, nach Angaben der am Hof beschäftigten Landarbeiter sei er nach Feierabend und zu den Wochenenden überwiegend am Hof anwesend.

3.2.3. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 28. Februar 1990, Z LGv - 269/8-87, wurde der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten Folge gegeben und der verfahrensgegenständlichen Eigentumsübertragung gemäß §4 Abs1 und §6 Abs1 litc des Grundverkehrsgesetzes 1983 (GVG 1983), LGBl. Nr. 69, die Zustimmung versagt.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

    "Nach Meinung der erkennenden Behörde sind ... weder im

Verfahren I. Instanz noch auf Berufungsebene ... Umstände

hervorgekommen, welche dafür sprechen würden, daß der geschlossene Hof 'Schweiberl' vom Genehmigungswerber selbst bewirtschaftet werden würde ...

Die Landesgrundverkehrsbehörde hat am 6.12.1989 einen - dem Rechtserwerber bewußt nicht angekündigten - Lokalaugenschein am Schweiberlhof durchgeführt. Beim Eintreffen der Kommission an Ort

und Stelle war der Rechtserwerber ... selbst nicht anwesend, es

konnte jedoch M L ... am Hof angetroffen werden. Dieser gab über

Befragung durch die Kommission an, daß er nunmehr als Knecht ganzjährig am Schweiberlhof angestellt sei; das Dienstverhältnis bestehe nicht mit dem Rechtserwerber, sondern mit dessen Vater. Weiters führte M L aus, daß er den Hof alleine bewirtschafte, allerdings nicht am Hof wohne. Bei den anfallenden Arbeiten am Hof werde er vom Käufer nur dann unterstützt, wenn dies erforderlich sei. Der Rechtserwerber G S halte sich auch nur am Wochenende und im Urlaub am Hof auf; der Vater des Käufers sei allerdings sehr häufig am Hof anwesend.

In Ansehung dieser Umstände muß dem Landesgrundverkehrsreferenten beigepflichtet werden, wenn er eine dem Gesetz entsprechende Selbstbewirtschaftung in der Hand des Rechtserwerbers nicht für gewährleistet erachtet hat. G S hat zwar in der auf den Lokalaugenschein folgenden mündlichen Berufungsverhandlung die Angaben des Knechtes M L als nicht wahr bezeichnet und mit dessen Stolz auf die verrichteten Arbeiten bzw. mit 'Hervortun' zu erklären versucht, für die erkennende Behörde besteht jedoch kein Grund, am Wahrheitsgehalt der vom Knecht gemachten Angaben irgendwelche Zweifel zu hegen, zumal nicht im entferntesten ersichtlich ist, warum seine Angaben nicht der Wahrheit entsprechen sollten. M L machte nämlich anläßlich des Lokalaugenscheines einen durchaus glaubhaften Eindruck, als er der Kommission - unvoreingenommen - die tatsächlichen Bewirtschaftungsverhältnisse darlegte. ... Daß der rechtsfreundlich vertretene Einschreiter zu einer dem Gesetz entsprechenden Selbstbewirtschaftung gar nicht willens ist, läßt sich darüberhinaus auch noch aus dem Umstand erkennen, daß G S einerseits zwar seit dem Jahre 1985 behauptet, er werde den 'Schweiberlhof' selbst bewirtschaften bzw. er habe die Selbstbewirtschaftung bereits aufgenommen ..., daß andererseits aber zumindest bis zum Ende des Jahres 1989 die landwirtschaftlichen Nutzflächen des Schweiberlhofes - obwohl am Hof mittlerweile bereits Vieh gehalten wird - verpachtet waren. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß mit dem Anstellen eines Knechtes durch den Vater des 'zukünftigen Bauern' und einer zeitweiligen Mitarbeit am Hof dem Gedanken der Sicherung der Erhaltung der Eigenbewirtschaftung im landwirtschaftlichen Bereich jedenfalls nicht Genüge getan sein kann ..."

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal (Art6 MRK), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPMRK) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B-VG) geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

5.1.1. Der Beschwerdeführer behauptet zunächst, der angefochtene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal im Sinne des Art6 MRK. Gegen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von zwei Mitgliedern der Landesgrundverkehrsbehörde, nämlich Ökonomierat F H und Hofrat Dipl.Ing.Dr. H S, bestünden erhebliche Zweifel, weil sie an der Entscheidung des Landesagrarsenates mitwirkten. Dazu komme, daß den Vorsitz im Landesagrarsenat der damalige Landesgrundverkehrsreferent Hofrat Dr. H A und die "Schlüsselstelle des Berichterstatters" der damalige Vertreter des Landesgrundverkehrsreferenten Dr. J G inne hatte. Die Unparteilichkeit der Mitglieder eines Tribunals sei in doppelter Hinsicht zu überprüfen. In objektiver Hinsicht sei maßgeblich, ob unabhängig vom persönlichen Verhalten des Richters Umstände vorlägen, die - etwa schon aufgrund des äußeren Augenscheins - Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters erwecken könnten. Solche Umstände lägen hier vor, weil der Landesagrarsenat und die Landesgrundverkehrsbehörde wohl nicht formell, aber materiell über ein und dasselbe Thema absprachen. Der Unterschied zwischen den behandelten Fragen, die in beiden Verfahren zu beurteilen waren, sei ein "sehr feiner", sodaß nach den Umständen des Falles die Unparteilichkeit der belangten Behörde zweifelhaft sei.

Bei der subjektiven Prüfung sei die Unparteilichkeit auf der Grundlage der persönlichen Überzeugung der Richter zu beurteilen. Im Hinblick auf die Verflechtung der Mitglieder des Landesagrarsenates und der Landesgrundverkehrsbehörde und im Hinblick darauf, daß "dasselbe Entscheidungsthema" vorlag, sei eine unabhängige und unparteiische Entscheidung der belangten Behörde nicht möglich gewesen. Es scheine, daß die belangte Behörde "mit Blindheit geschlagen gewesen (sei), wenn sie alle ... objektiven Merkmale eines mit viel Aufwand wieder betriebsfähig gemachten landwirtschaftlichen Betriebes als unmaßgeblich für ihre 'Prognoseentscheidung' erachtet" habe.

5.1.2. Zunächst ist festzuhalten, daß die Mitwirkung des seinerzeitigen Landesgrundverkehrsreferenten und seines Stellvertreters als Mitglieder des Landesagrarsenates für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung besitzt; sie haben weder als Mitglieder der belangten Behörde an der Entscheidung teilgenommen noch die Funktion eines Landesgrundverkehrsreferenten ausgeübt. Richtig ist, daß sich sowohl einerseits unter den acht Mitgliedern des Landesagrarsenates als auch unter den sieben Mitgliedern der belangten Behörde zwei Personen, nämlich Ökonomierat F H und Hofrat Dipl.Ing.Dr. H S finden, die an beiden Entscheidungen mitgewirkt haben. Der Beschwerdevorwurf, der angefochtene Bescheid verstoße gegen Art6 MRK, weil durch diese Verflechtung die Unparteilichkeit der belangten Behörde verneint werden müsse, trifft jedoch nicht zu. Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Hauschildt mit Urteil vom 24. Mai 1989, Nr. 11/1987/134/188 (ÖJZ 1990, 188 ff.), ausgesagt hat, rechtfertigt die bloße Tatsache, daß ein Verhandlungsrichter in ein und demselben Verfahren schon im Vorverfahren Entscheidungen getroffen hat, für sich allein noch nicht Befürchtungen in bezug auf seine Unparteilichkeit im Hauptverfahren. Auch im Fall Ringeisen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 16. Juli 1971 (YB 15, 678) aus dem Gebot der Unparteilichkeit keinen allgemeinen Grundsatz dahingehend abgeleitet, daß ein Richter im Falle der Zurückverweisung einer Rechtssache durch eine Rechtsmittelinstanz mit der gleichen Sache nicht neuerlich befaßt werden dürfe. Umso weniger kann der bloße Umstand, daß Mitglieder der belangten Behörde bereits an einem anderen, den Beschwerdeführer betreffenden Verfahren mitgewirkt haben, selbst wenn es das gleiche Rechtsgeschäft betraf, die Unparteilichkeit des Gerichtes in Frage stellen, wenn an der Unparteilichkeit der Behörde an sich keine sachlich begründbaren Zweifel bestehen.

Die behauptete Verletzung des Art6 MRK liegt somit nicht vor.

5.2.1. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, der angefochtene Bescheid verletze ihn in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Die Prognoseentscheidung der belangten Behörde, daß er zu einer Selbstbewirtschaftung weder in der Lage noch willens sei, beruhe auf einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung, weshalb der belangten Behörde auch Willkür anzulasten sei. Das Gesetz verlange nur eine Anwesenheit, die es dem Erwerber ermögliche, anfallende Arbeiten selbst zu verrichten oder jedenfalls persönlich anzuordnen und zu überwachen. Diesem Maß an Anwesenheit habe er entsprochen, gehe doch aus der Aussage des Knechtes hervor, daß der Beschwerdeführer immer zur Stelle war, wenn dies erforderlich war. Dazu komme, daß die belangte Behörde ausschließlich in der Feststellung des gegenwärtigen Zustandes verharre und nicht berücksichtige, daß ihm aus gesundheitlichen Gründen empfohlen worden sei, einen Freiluftberuf zu ergreifen; eine zukunftsorientierte Betrachtung lasse die Behörde jedoch außer Betracht. Es sei auch sachwidrig, dem Beschwerdeführer anzulasten, daß sein Vater ihn bei der Schaffung einer bäuerlichen Existenz unterstütze. Die Umwandlung des "Schweiberlhofes" in einen wirklich betriebsfähigen Bauernhof wäre für ihn ohne finanzkräftige Unterstützung seines Vaters gar nicht möglich. Wieso aber aus diesem Vorgehen ein Argument gegen die Eigenbewirtschaftung durch ihn abgeleitet werden könne, sei nach den Denkgesetzen schlechterdings nicht einsehbar. Auch könnten Feststellungen, die seinerzeit vollendete Tatsachen beträfen und ihm im Agrarverfahren als bloße Schutzbehauptungen angelastet wurden, nicht einfach für eine Prognoseentscheidung im nunmehrigen Verfahren übernommen werden. Die Behörde hätte aber auch nicht erwarten können, daß sich der Beschwerdeführer ausschließlich der Landwirtschaft widme, wenn sein Genehmigungsansuchen seit Jahren in Schwebe gewesen sei. Gerade hiedurch sei er gezwungen worden, sich auch "andere berufliche Optionen" im Betrieb seines Vaters offen zu halten. Die Vermutungen, die dem angefochtenen Bescheid zugrunde lägen, seien tatsächlich diskriminatorischen Charakters.

5.2.2. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §6 Abs1 litc GVG 1983. Da verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung nicht bestehen (vgl. VfSlg. 7546/1975, 7685/1975, 8285/1978, 9063/1981) träfe der Vorwurf einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann zu, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte (VfSlg. 10346/1983, 10482/1985), der Vorwurf der Gleichheitsverletzung nur bei Vorliegen von Willkür (vgl. VfSlg. 10413/1985).

Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung läge nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985).

All dies liegt offenkundig nicht vor.

In ihrer Gegenschrift legt die belangte Behörde zutreffend dar, daß es nicht stimmt, "daß die belangte Behörde bei ihrer Prognoseentscheidung nur vom 'Ist-Zustand' ausgegangen wäre ... Der Beschwerdeführer behauptet nämlich seit dem Beginn des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens im Jahre 1986, er werde den gegenständlichen Hof in einer dem GVG 1983 entsprechenden Weise selbst bewirtschaften, was jedoch bis zum Zeitpunkt der nunmehr angefochtenen Entscheidung nicht der Fall war bzw. ist". Im übrigen wird der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, "daß die belangte Behörde nach den im Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegebenen tatsächlichen Verhältnissen und nicht nach eventuellen zukünftigen Möglichkeiten zu entscheiden hatte." Die belangte Behörde konnte sich - worauf die Gegenschrift ebenfalls zu Recht verweist - hiebei auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 10562/1985 berufen, sodaß sie insgesamt gesehen keineswegs einen so schweren Fehler begangen hat, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Auch Willkür liegt nicht vor.

Die belangte Behörde hat ein eingehendes Beweisverfahren durchgeführt, sie hat Erhebungen durchführen lassen, selbst einen Lokalaugenschein durchgeführt und die Verfahrensergebnisse in zwei mündlichen Verhandlungen mit den Parteien erörtert. Die von der belangten Behörde vorgenommene Würdigung des festgestellten Sachverhaltes ist jedenfalls vertretbar. Ihre Rechtsauffassung steht zu der von ihr im angefochtenen Bescheid zitierten Rechtsprechung (VfSlg. 5683/1968, 7927/1976 und 8518/1979) nicht in einem in die Verfassungssphäre reichenden Maße im Widerspruch.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte liegt somit nicht vor.

5.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Tribunal, Grundverkehrsrecht, Behördenzusammensetzung, Selbstbewirtschaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B553.1990

Dokumentnummer

JFT_10089775_90B00553_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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