TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/29 93/02/0130

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Veröffentlicht am 29.09.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §19 Abs6;
StVO 1960 §19 Abs7;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs5;
VwGG §33a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des L in R, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 23. Februar 1993, Zl. 1-088/92/E3, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960,

Spruch

I. beschlossen:

Die Behandlung der Beschwerde wird hinsichtlich der Übertretung nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit § 19 Abs. 6 StVO abgelehnt;

II. zu Recht erkannt:

Im übrigen (hinsichtlich der Übertretungen nach § 4 Abs. 5 und § 4 Abs. 1 lit. a StVO) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 28. Dezember 1990 um 16.30 Uhr mit einem Pkw rückwärts von einem bestimmten öffentlichen Parkplatz in die L 51 eingefahren und habe dabei einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden verursacht, er habe

1. die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt, obwohl er dem Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nicht nachgewiesen habe,

2.

nicht sofort angehalten und

3.

beim Einfahren in den Fließverkehr den Vorrang nicht beachtet, wodurch der bevorrangte Fahrzeuglenker zum unvermittelten Bremsen und zum Ablenken genötigt worden sei. Der Beschwerdeführer habe hiedurch Verwaltungsübertretungen zu

1.

nach § 4 Abs. 5 StVO, zu 2. nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO, zu

3.

nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit § 19 Abs. 6 StVO begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) von zu

1.

S 2.000,-- (4 Tage), zu 2. S 3.000,-- (6 Tage) und zu

3.

S 2.000,-- (4 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

I. Zur Übertretung nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit § 19 Abs. 6 StVO:

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in einer Verwaltungsstrafsache durch Beschluß ablehnen, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der unabhängige Verwaltungssenat von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde sind hinsichtlich der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung erfüllt. Es wurde weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Gedstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde hängt von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, sondern vornehmlich von der Lösung der Tatfrage, mit der auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zusammenhängt. Die Behandlung der Beschwerde war daher in diesem Umfang abzulehnen.

II. Zu den Übertretungen nach § 4 Abs. 5 und § 4 Abs. 1 lit. a StVO:

Der Beschwerdeführer behauptet, im angefochtenen Bescheid würden Feststellungen darüber fehlen, ob er vom Eintritt eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden, an dem er ursächlich beteiligt war, wußte oder zumindest wissen hätte müssen (vgl. zu den Tatbestandsmerkmalen etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1993, Zl. 92/03/0125).

Dieser Vorwurf ist unbegründet: Die belangte Behörde hat auf Seite 3 der Bescheidausfertigung festgestellt, daß der Beschwerdeführer den Unfall - der Beschwerdeführer fuhr aus einem Parkplatz rückwärts in eine Landesstraße ein, ein anderer Lenker wich aus und rutschte mit seinem Fahrzeug bei Glatteis auf der gegenüberliegenden Fahrbahn etwa auf Höhe des Beschwerdeführers in einen dort abgestellten Pkw - WAHRGENOMMEN HAT. Eine Stunde danach machte er bei einer Gendarmeriedienststelle MELDUNG ÜBER DEN UNFALL.

Diese Feststellungen hat der Beschwerdeführer unbekämpft gelassen. Es ist daher davon auszugehen, daß er vom Unfall nicht bloß Kenntnismöglichkeit, sondern (sogar) positive KENNTNIS hatte. Daß hiebei am Fahrzeug des anderen Lenkers Sachschaden entstanden war, hätte ihm aufgrund der Art des von ihm beobachteten Unfalles (Hineinrutschen in ein anderes Fahrzeug) zu Bewußtsein kommen müssen. Ob der Beschwerdeführer darüberhinaus auch aus den Gesten des gegnerischen Beifahrers, er solle anhalten, auf einen Verkehrsunfall mit Sachschaden hätte schließen müssen, ist nicht mehr entscheidend.

Was den ursächlichen Zusammenhang des Fahrverhaltens des Beschwerdeführers mit dem eingetretenen Verkehrsunfall anlangt, so verkennt der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen die Unterscheidung zwischen KAUSALITÄT und VERSCHULDEN. Die von ihm vorgebrachten Umstände sollen offensichtlich ein Verschulden des Unfallgegners am Unfall begründen. Für die Begehung der gegenständlichen Delikte ist die Frage des Verschuldens am Verkehrsunfall aber ohne Bedeutung, es reicht das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhanges aus. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung nicht auf die Adäquanztheorie ab - im Beschwerdefall wäre ohnehin auch die Adäquanz der Verursachung zu bejahen, da es sich keineswegs um einen völlig atypischen Kausalverlauf handelte -, sondern stützt sich auf die Äquivalenztheorie. Diese Theorie bedient sich einer Eliminationsmethode, bei der man sich die Handlung, die auf ihre Kausalität für den konkret eingetretenen Erfolg geprüft wird, wegdenkt, um dadurch festzustellen, ob dieser Erfolg, wie er im gegebenen Fall unter Berücksichtigung aller Umstände eingetreten ist, bestehen bliebe oder entfiele. Jede Handlung, die auch nur das geringste dazu beigetragen hat, daß der Erfolg in seiner konkreten Gestalt eingetreten ist, war für den Erfolg kausal (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis 2. September 1992, Zl. 92/02/0219).

Hievon ausgehend kann an der Unfallskausalität des Verhaltens des Beschwerdeführers kein Zweifel sein: Wäre er nicht vom Parkplatz in die Landesstraße eingefahren, hätte für den Unfallsgegner keine Veranlassung zum Auslenken bestanden, welches wiederum ein Schleudern des Fahrzeuges und schließlich den Unfall nach sich gezogen hat. Auch diesen ursächlichen Zusammenhang im dargestellten Sinne hätte der Beschwerdeführer erkennen können.

Der Durchführung eines Lokalaugenscheines oder der Ergänzung des Sachverständigenbeweises bedurfte es unter den gegebenen Umständen nicht.

Schließlich ist auch die Behauptung des Beschwerdeführers, im angefochtenen Bescheid finde sich nichts über eine verspätete Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle, unzutreffend. Wie schon erwähnt, hat die belangte Behörde festgestellt, daß der Beschwerdeführer seiner Meldepflicht erst nach einer Stunde nachgekommen ist, somit nicht "ohne unnötigen Aufschub"; dieser in § 4 Abs. 5 StVO verwendete Begriff ist streng auszulegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 1992, Zl. 92/02/0203).

Schon der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß hinsichtlich der Übertretungen nach § 4 Abs. 5 und § 4 Abs. 1 lit. a StVO die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde insoweit gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993020130.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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