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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des mj. HK und des mj. ÖK, beide in S, beide vertreten durch ihre Mutter F, diese vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. Juni 1993, Zl. St 115/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 9. Juni 1993 wurden die Beschwerdeführer - es handelt sich um türkische Staatsangehörige - gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz (FrG) ausgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, die Beschwerdeführer seien am 18. April 1993 gemeinsam mit ihrer Mutter nach Österreich eingereist und hielten sich seither im Bundesgebiet auf. Sie hätten keinen Sichtvermerk gehabt, der sie zur Einreise und zum Aufenthalt berechtigt habe. Sie seien somit unter Mißachtung der Bestimmungen des zweiten Teiles des FrG eingereist und innerhalb eines Monates betreten worden, sodaß der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. erfüllt sei. Bei der Ausweisung nach § 17 Abs. 2 FrG handle es sich nicht um eine Ermessensentscheidung, auch wenn der Gesetzgeber das Wort "können" verwendet habe. Ob eine Ermessensbestimmung vorliege, könne nur aus dem Inhalt der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift entnommen werden. Berücksichtige man die Bestimmung des § 17 Abs. 1 FrG, nach der Fremde, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, auszuweisen seien, müsse dies umso eher für die Fälle des Abs. 2 gelten, bei denen die Ausweisung mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar werde und in denen eine Bedachtnahme auf § 19 FrG nicht geboten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der §§ 17 und 19 FrG lauten wie folgt:
"Ausweisung
§ 17 (1) Fremde sind mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf
§ 19 Bedacht zu nehmen.
(2) Fremde können im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie
1.
von einem Strafgericht wegen einer innerhalb eines Monates nach der Einreise begangenen Vorsatztat, wenn auch nicht rechtskräftig, verurteilt wurden oder
2.
innerhalb eines Monates nach der Einreise bei der Begehung einer Vorsatztat auf frischer Tat betreten oder unmittelbar nach Begehung der Vorsatztat glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt wurden, wenn überdies die strafbare Handlung mit beträchtlicher Strafe bedroht ist un eine Erklärung des zuständigen Staatsanwaltes vorliegt, dem Bundesminister für Justiz gemäß § 74 ARHG berichten zu wollen, oder
3.
innerhalb eines Monates nach der Einreise gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution, verstoßen oder
4.
innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen oder
5.
innerhalb eines Monates nach der Einreise von einem Organ eines Landesarbeitsamtes oder Arbeitsamtes bei einer Beschäftigung betreten werden, die sie nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätten dürfen oder
6.
unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen einem Monat betreten werden.
(3) Die Ausweisung gemäß Abs. 2 wird mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen.
Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 19 Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist."
2. Die Beschwerdeführer bekämpfen die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Erfüllung eines der Tatbestände des § 17 Abs. 2 FrG habe zwingend die Ausweisung zur Folge, weil ihr in dieser Gesetzesstelle kein Ermessen eingeräumt werde.
Die Beschwerdeführer sind damit im Recht. Die Verwendung des Wortes "können" allein ist an sich zwar nur ein Indiz dafür, daß der Gesetzgeber eine Ermessensbestimmung beabsichtigt hat (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Seite 237). Im vorliegenden Fall kommt allerdings dazu, daß der Gesetzgeber im selben Paragraphen im Abs. 1 die Formulierung "sind auszuweisen" und im Abs. 2 "können ausgewiesen werden" verwendet, was zu der Auslegung führt, daß § 17 Abs. 2 der Behörde Ermessen einräumt und demnach nicht in allen Fällen, in denen ein Tatbestand des § 17 Abs. 2 erfüllt ist, mit Ausweisung vorgegangen werden muß.
3. Die Auffassung der belangten Behörde, im Hinblick auf die zwingend die Ausweisung vorsehende Bestimmung des § 17 Abs. 1 FrG könne die Ausweisung nach § 17 Abs. 2 (erg. Z. 6), die nach Abs. 3 mit der Erlassung durchsetzbar sei und die Betretung innerhalb eines Monates ab der Einreise voraussetze, nicht in das Ermessen der Behörde gestellt sein, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, wird doch in den Fällen von ganz geringem Gewicht, in denen im Sinne des folgenden Punktes 4 die Ausweisung nach § 17 Abs. 2 FrG zu unterbleiben hat, auch die Ausweisung nach § 17 Abs. 1 leg. cit. - sollte es sich um einen Fall des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet handeln - unzulässig sein, weil sie nicht im Sinne des § 19 leg. cit. dringend geboten sein wird. Es spricht demnach auch kein Größenschluß gegen die Auffassung, daß es sich bei § 17 Abs. 2 FrG um eine Ermessensbestimmung handelt.
4. Nach § 17 Abs. 2 können Fremde "im Interesse der öffentlichen Ordnung" ausgewiesen werden. Die Ermessensübung der Behörde hat sich demnach davon leiten zu lassen, von welchem Gewicht die Störung der öffentlichen Ordnung ist. Andere Umstände hat die Behörde bei der Ermessensübung nicht zu berücksichtigen, insbesondere ist ihr nach der Systematik des Gesetzes - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführer, deren Vorbringen sich überwiegend mit ihrer familiären Situation beschäftigt, - nicht die Bedachtnahme auf allfällige Eingriffe in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer auferlegt, weil darauf nach dem Gesetz nur in den Fällen des § 17 Abs. 1 Bedacht zu nehmen ist.
In Fällen, in denen die öffentliche Ordnung nur ganz geringfügig berührt wird, wird eine gesetzmäßige Übung des Ermessens dazu führen, daß die Ausweisung nicht auszusprechen ist.
5. Die im Punkt 2 dargelegte unrichtige Rechtsansicht der belangten Behörde führte allerdings nicht zu einer Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer, weil es sich hier nicht um ganz geringfügige Fälle handelt, in denen die Ausweisung nach § 17 Abs. 2 FrG einen Ermessensfehler darstellen würde. Im Falle der Beschwerdeführer wurden nämlich die die Einreise und den Aufenthalt in Österreich regelnden Bestimmungen offen und bewußt mißachtet, weshalb die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, insbesondere hinsichtlich eines geordneten Fremdenwesens, nicht bloß geringfügig und die Ausweisung demnach nicht rechtswidrig ist.
6. Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den in der Beschwerde gestellten (zur Zl. AW 93/18/0107 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180349.X00Im RIS seit
20.11.2000