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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Graf als Richter im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in E, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 24. Juni 1993, Zl. 741.542/1-2.7/93, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der am 29. April 1968 geborene Beschwerdeführer ist seit 1985 Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. Mit Antrag vom 1. Februar 1990 begehrte er seine Befreiung von der Präsenzdienstpflicht. Das Militärkommando Niederösterreich gab mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 27. März 1990 gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 diesem Begehren insoweit Folge, als dem Beschwerdeführer eine bis 15. August 1993 befristete Befreiung von der Präsenzdienstpflicht gewährt wurde; im übrigen, das heißt für die Zeit nach dem 15. August 1993, wurde das Befreiungsbegehren abgewiesen.
Mit Eingabe vom 11. März 1993 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich seine Befreiung von der Präsenzdienstpflicht. Der Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 690/1992 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der im Antrag vom 11. März 1993 geltend gemachte Sachverhalt im wesentlichen ident mit jenem sei, der dem Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich vom 27. März 1990 zugrundeliege. Der Beschwerdeführer bewirtschafte nach wie vor den im Jahre 1985 übernommenen landwirtschaftlichen Betrieb und er habe weiterhin die anläßlich der Betriebsübernahme eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen der noch lebenden pflegebedürftigen Übergeberin gegenüber zu erfüllen. Bei der Aufstockung des Viehbestandes (von früher 15 Rindern auf nunmehr 25 Rinder und 12 Schafe) und der Erweiterung des Betriebes durch Waldzukauf (von früher 49,49 ha auf nunmehr 89 ha) handle es sich um Nebenumstände, die für die Beurteilung der Hauptsache unerheblich seien.
Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, daß er mit Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich vom 27. März 1990 nur bis 15. August 1993 von der Präsenzdienstpflicht befreit und daß sein "Mehrbegehren" abgewiesen wurde. Er meint jedoch, er habe damals angenommen, keine Berufung einbringen zu müssen, da nach Ablauf der gewährten Frist ohnedies eine neuerliche Prüfung auf das (Weiter-)Vorliegen eines Befreiungsgrundes möglich sei. Dies sei ihm über telefonische Anfrage auch seitens des Militärkommandos Niederösterreich bestätigt worden. Es liege daher res iudicata nicht vor. Vielmehr hätte die belangte Behörde den im nunmehrigen Antrag geltend gemachten Sachverhalt (Unabkömmlichkeit des Beschwerdeführers in dem von ihm allein bewirtschafteten, ca. 89 ha umfassenden Landwirtschaftsbetrieb; ernormer Vermögensschaden im Falle einer Unterbrechung des Betriebes) inhaltlich prüfen und die begehrte Befreiung aussprechen müssen.
Dieses Vorbringen ist nicht berechtigt. Aufgrund des rechtskräftigen Bescheides des Militärkommandos Niederösterreich vom 27. März 1990 stand für die Militärbehörden bindend fest, daß der diesem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt bloß eine bis 15. August 1993 befristete Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpflicht rechtfertigt, für die Zeit danach aber nicht mehr als Befreiungsgrund zu werten ist. Aus welchem Grund der Beschwerdeführer seinerzeit die Bekämpfung des sein "Mehrbegehren" abweisenden Bescheidspruches unterließ, ist hiebei ohne Belang. Daß dies nach seiner Behauptung lediglich die Folge seiner Unkenntnis bzw. eines Irrtums über die Rechtslage war, ändert nichts an der Rechtskraft des abweislichen Bescheidspruches.
Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anträge von Beteiligten, die (von hier nicht in Betracht kommenden Fällen abgesehen) die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehen dem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung eines Bescheides Ansuchen gleich, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage) bezwecken, da diese Bestimmung in erster Linie das wiederholte Aufrollen einer bereits entschiedenen Sache verhindern soll. Identität der Sache liegt dann vor, wenn weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgebenden tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich das neue Parteibegehren im wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (siehe das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1991, Zl. 90/11/0051, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Da das neue Begehren des Beschwerdeführers ebenso wie das seinerzeitige auf die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes abzielte, kam eine neuerliche Sachentscheidung nur im Falle einer Änderung der Rechtslage oder des maßgebenden Sachverhaltes in Betracht. Eine Änderung der Rechtslage ist nicht eingetreten. (Die im gegebenen Zusammenhang maßgebliche Bestimmung des § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 findet sich zwar nunmehr in § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 690/1992, sie erfuhr jedoch keine inhaltliche Änderung.) Eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes ist nach der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Annahme der belangten Behörde nicht eingetreten. Der Beschwerde ist nichts zu entnehmen, was diese Annahme als unzutreffend erscheinen ließe. Wie bereits dargetan, ist das Motiv für die Nichtbekämpfung des abweislichen Bescheidspruches vom 27. März 1990 ohne Belang. Daß sich der maßgebliche Sachverhalt zumindest in einem wesentlichen Punkt geändert hätte, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Eine solche Änderung ist, wie die belangte Behörde richtig erkannte, insbesondere auch nicht in der im angefochtenen Bescheid erwähnten Vergrößerung des Viehbestandes und der Gesamtbetriebsfläche zu erblicken. Diese Änderungen mögen zwar zur Folge haben, daß der Beschwerdeführer noch schwerer abkömmlich als zuvor ist, sie sind aber im gegebenen Zusammenhang nicht als wesentliche Änderungen des maßgebenden Sachverhaltes im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG anzusehen. Der Beschwerdeführer hat die besagten Dispositionen während seiner befristeten Befreiung getroffen und damit, statt alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um nach Ablauf der gesetzten Frist seine Wehrpflicht erfüllen zu können, Tatsachen geschaffen, die ihm nunmehr die Erfüllung dieser Pflicht noch zusätzlich erschweren. Damit hat der Beschwerdeführer gegen die ihn treffende Harmonisierungspflicht verstoßen (vgl. zu dieser Verpflichtung die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1987, Slg. 12502/A, und vom 5. Mai 1992,
Zlen. 92/11/0114, 0117). Dies schließt die besondere Rücksichtswürdigkeit der daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 aus; diese scheiden somit von vornherein als taugliche Grundlage für eine nunmehr anders lautende Entscheidung der Militärbehörden aus. Daher können die in Rede stehenden Änderungen im gegebenen normativen Zusammenhang nicht als wesentliche Änderung des maßgebenden Sachverhaltes im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG angesehen werden.
Da eine Sachentscheidung über den Antrag vom 11. März 1993 nicht zu treffen war, geht der Vorwurf der mangelhaften Ermittlung des dafür maßgebenden Sachverhaltes ins Leere.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheZurückweisung wegen entschiedener SacheRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeRechtskraft Besondere Rechtsgebiete DiversesIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993110130.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
21.06.2012