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L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
NatSchG Tir 1991 §3 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des T in A, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 7. April 1993, Zl. 17/11-3/1993, betreffend Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Bestrafung wegen Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzges richtet, als unbegründet abgewiesen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz bleibt vorbehalten.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. April 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Obmann der Agrargemeinschaft Nachbarschaft A zu verantworten, daß im Auftrag der Agrargemeinschaft in der Zeit vom 14. Mai 1992 bis 20. Mai 1992 Schotter aus dem Ausschotterungsbecken im Bereich des fließenden natürlichen Gewässers des E, Gp. 969/2, KG A, durch Ausbaggern entnommen worden sei, ohne daß die gemäß § 9 Abs. 1 des Wasserrechtsgesetzes 1959 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung und die gemäß § 7 Abs. 1 lit. b des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 (TNSchG) erforderliche naturschutzrechtliche Bewilligung für dieses Vorhaben erteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 137 Abs. 3 lit. a iVm § 9 Abs. 1 WRG 1959 und § 9 Abs. 1 VStG sowie § 43 Abs. 1 lit. a iVm § 7 Abs. 1 lit. b TNSchG und § 9 Abs. 1 VStG begangen. Über ihn wurden zwei Geldstrafen von je S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 10 Tage) verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es, der Beschwerdeführer habe sich in seiner Berufung auf eine Vereinbarung vom 16. November 1987 zwischen der Agrargemeinschaft und dem Baubezirksamt L berufen, derzufolge die Agrargemeinschaft das Wasserrecht zur Entnahme von Schottermaterial aus dem zukünftigen E-Ausschotterungsbecken erhalte und die erforderlichen Ansuchen bei der Wasserrechtsbehörde und der Abteilung Umweltschutz vom Baubezirksamt L verfaßt würden. Der Beschwerdeführer leite daraus die Berechtigung der Agrargemeinschaft A ab, aus dem bezeichneten Ausschotterungsbecken Schottermaterial zu entnehmen, obwohl die dafür erforderlichen behördlichen Genehmigungen nie erteilt worden seien. Dieser Auffassung könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Es bedürfe keiner weitläufigen Ausführungen, daß die Vereinbarung vom 16. November 1987 weder die wasserrechtliche noch die naturschutzrechtliche Bewilligung zu ersetzen vermöge. Allenfalls aus dieser Vereinbarung ableitbare Rechtsansprüche gegen die Republik Österreich wären von der Agrargemeinschaft im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht auf einen Rechtsirrtum berufen; anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 28. April 1992 sei er ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß eine Schotterentnahme vor Erteilung der wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Bewilligung unzulässig sei. Ungeachtet dessen habe die Agrargemeinschaft nach dieser Verhandlung unter Berufung auf die Vereinbarung vom 16. November 1987 Schotter aus dem E-Ausschotterungsbecken entnommen. Diese Art von Selbsthilfe könne nicht hingenommen werden. Zu Recht seien über den Beschwerdeführer daher empfindliche Geldstrafen verhängt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.
Der Beschwerdeführer bringt vor, zwischen der Agrargemeinschaft und dem Baubezirksamt L sei am 16. November 1987 im Zuge der Grundinanspruchnahme für eine Weganlage eine Vereinbarung abgeschlossen worden, deren Punkt 4 zufolge die Agrargemeinschaft das Wasserrecht zur Entnahme von Schottermaterial aus dem zukünftigen E-Ausschotterungsbecken erhalte und die erforderlichen Ansuchen bei der Wasserrechtsbehörde und der Abteilung Umweltschutz vom Baubezirksamt L verfaßt würden. Der Beschwerdeführer sei daher davon ausgegangen, daß die zur Schotterentnahme notwendigen behördlichen Anträge, bei denen er sich im Detail auch gar nicht auskenne, vom Baubezirksamt L gestellt würden. Unabhängig davon habe nach Fertigstellung von Regulierungsmaßnahmen des Bundes auf dessen Antrag die wasserrechtliche Überprüfung am 14. Jänner 1992 im Rahmen einer mündlichen Verhandlung stattgefunden. Zu dieser Verhandlung sei der Beschwerdeführer als Obmann der Agrargemeinschaft geladen worden. Dabei sei die Vereinbarung vom 16. November 1987 über das Recht der Schotterentnahme der Agrargemeinschaft gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 beurkundet worden. Dies sei ihm mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 10. August 1992 zur Kenntnis gebracht worden. Am 28. April 1992 habe die Bezirkshauptmannschaft L eine mündliche Verhandlung über die geplante Schotterentnahme durchgeführt. Dort habe der Beschwerdeführer auf die Vereinbarung vom 16. November 1987 hingewiesen, worauf Streitereien über deren Entgeltlichkeit entbrannt seien. Der Verwalter des öffentlichen Wassergutes habe die Vereinbarung plötzlich als entgeltlich ausgelegt und wollte einen Grubenzins haben, wogegen sich der Beschwerdeführer strikt verwahrt habe. Davon, daß das Recht der Schotterentnahme gemäß dieser Vereinbarung hinfällig sein sollte, sei nichts gesagt worden. Die Agrargemeinschaft habe schließlich, weil Schotter gebraucht worden sei, in der Zeit vom 14. Mai 1992 bis 20. Mai 1993 Schotter aus dem Ausschotterungsbecken des E durch Ausbaggern entnommen. Richtig sei, daß Bewilligungen nach dem WRG 1959 und dem TNSchG zum Zeitpunkt der Schotterentnahme nicht vorgelegen seien. Der Beschwerdeführer habe aber bereits im Verwaltungsstrafverfahren dargelegt, daß er in gutem Glauben gewesen sei, aus der Vereinbarung vom 16. November 1987 das Recht zur Schotterentnahme zu haben und daß dieser gute Glaube anläßlich der Verhandlungen vom 14. Jänner 1992 und vom 28. April 1992 sogar noch bestärkt worden sei. Er sei damit seiner Verpflichtung nachgekommen, mit einem konkreten, durch Beweisanträge untermauerten Tatsachenvorbringen der Behörde glaubhaft zu machen, daß er mit gutem Grund nicht damit habe rechnen können, durch die inkriminierte Schotterentnahme eine Verwaltungsübertretung zu begehen. Diese Verantwortung sei durchaus geeignet gewesen, darzutun, daß dem Beschwerdeführer zur Schotterentnahme entsprechende behördliche Zusicherungen gegeben worden seien, von denen er aus gutem Grund erwarten habe dürfen, daß die problemlose Ausbaggerung dadurch sichergestellt sei. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, in einer den Grundsätzen des § 58 AVG entsprechenden Weise darzulegen, weshalb die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Behauptungen als nicht stichhältig erkannt worden seien. Sie habe dadurch Verfahrensvorschriften verletzt.
Der angefochtene Bescheid leide aber auch an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit. Die Legaldefinition des § 3 Abs. 6 TNSchG zum Gewässer sei insofern enger als die des WRG 1959, als Gewässer als Lebensraum definiert würden. Der angefochtene Bescheid lasse konkretisierende Ausführungen vermissen, die erkennen ließen, daß der E und seine Umgebung bestimmte Pflanzen- und Tierarten beherbergten, welche mit dem Gewässer ein natürliches Ensemble derart bildeten, daß in Erfüllung der in § 3 Abs. 6 TNSchG demonstrativ aufgezählten Kriterien der vom Gesetzgeber gewollte Schutzzweck der Natur und Landschaft aktualisiert werde. Dazu seien zwar anläßlich der Verhandlung vom 28. April 1992 Ausführungen des naturschutzfachlichen Amtssachverständigen ergangen; diese seien jedoch im angefochtenen Bescheid unerörtert geblieben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 7 Abs. 1 lit. b TNSchG bedarf im Bereich von fließenden natürlichen Gewässern und von stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2 das Ausbaggern einer naturschutzbehördlichen Bewilligung.
Nach § 3 Abs. 6 leg. cit. ist Gewässer ein von ständig vorhandenem oder periodisch auftretendem Wasser geprägter Lebensraum, der die Gesamtheit von Wasserwelle, Wasserkörper, Wasserbett, Sediment und Ufer einschließlich der dort vorkommenden Tiere und Pflanzen umfaßt.
Unbestritten ist, daß die inkriminierte Schotterentnahme im Bereich des E auf der zum öffentlichen Wassergut gehörigen Parzelle 969/2 der KG A durchgeführt wurde.
§ 3 Abs. 6 TNSchG verlangt nicht das Vorhandensein bestimmter Tiere und Pflanzen, sondern bringt nur zum Ausdruck, daß der Gewässerbegriff des TNSchG ein umfassender, nicht nur auf das Wasser beschränkter, sondern auch andere Elemente einbeziehender ist. Daß es sich beim E um ein fließendes natürliches Gewässer handelt, kann nicht ernsthaft in Zweifel gestellt werden. Der Beschwerdeführer ist auch den Ausführungen im erstinstanzlichen Straferkenntnis über das Erfordernis einer naturschutzrechtlichen Bewilligung nicht entgegengetreten, weshalb für die belangte Behörde keine Veranlassung bestand, sich im angefochtenen Bescheid näher mit dieser Frage auseinanderzusetzen.
Unbestritten ist, daß die bewilligungspflichtige Schotterentnahme ohne die erforderliche naturschutzbehördliche Bewilligung durchgeführt wurde. Die Berufung auf die Vereinbarung mit dem Baubezirksamt L vom 17. November 1987 und die mündlichen Verhandlungen vom 24. Jänner 1992 und vom 28. April 1994 ist nicht geeignet, ein mangelndes Verschulden des Beschwerdeführers an der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung darzutun. Die Vereinbarung vom 16. November 1987 entlastete den Beschwerdeführer lediglich von der Arbeit des Abfassens eines Bewilligungsantrages, konnte und wollte ihrem eindeutigen Wortlaut zufolge ihn aber nicht der Verpflichtung entheben, mit der Schotterentnahme bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen naturschutzbehördlichen Bewilligug zuzuwarten. Es ist daher für das Verschulden des Beschwerdeführers auch ohne Belang, daß diese Vereinbarung bei der wasserrechtlichen Überprüfungsverhandlung vom 24. Jänner 1992, welche ein Regulierungsvorhaben des Bundes betraf, vom Beschwerdeführer vorgelegt und zu Protokoll genommen wurde. Vollends unverständlich und geradezu mutwillig ist die Auffassung des Beschwerdeführers, er sei bei der mündlichen Verhandlung der Bezirkshauptmannschaft vom 28. April 1992 im guten Glauben gelassen worden, die Schotterentnahme ginge in Ordnung. Gegenstand dieser Verhandlung war der Antrag der Agrargemeinschaft auf Erteilung der wasserrechtlichen und naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Schotterentnahme. Wie aus der im Akt erliegenden Verhandlungsschrift hervorgeht, bietet der Verlauf dieser Verhandlung nicht den geringsten Anhaltspunkt, der den Beschwerdeführer zu der Annahme berechtigt hätte, es liege bereits die erforderliche naturschutzbehördliche Bewilligung vor.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde hinsichtlich der Übertretung des TNSchG als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Soweit sich die Beschwerde gegen jenen Teil des Bescheides der belangten Behörde vom 7. April 1993 richtet, mit dem der Beschwerdeführer wegen Übertretung des WRG 1959 bestraft wurde, wird eine gesonderte Entscheidung, die auch über die Kosten absprechen wird, ergehen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993100129.X00Im RIS seit
20.11.2000