TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/18 90/06/0134

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Veröffentlicht am 18.11.1993
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/02 Novellen zum B-VG;

Norm

BauO Stmk 1968 §56 Abs1;
BauO Stmk 1968 §56 Abs3 idF 1989/014;
BauO Stmk 1968 §56 Abs3;
BauO Stmk 1968 §56 Abs6;
B-VG Art129a Abs1;
B-VGNov 1988 Art9 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder, den Vizepräsidenten Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde der I in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 56 Abs. 6 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Entfernung von Werbeeinrichtungen (Ausleger samt Blechtafel und Laterne sowie eine Alutafel 130 x 75 cm) vom Haus S-Straße 42 in Graz, die auf Veranlassung und im Namen des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz am 19. Juli 1990 durchgeführt worden ist, war rechtswidrig.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Gemäß Art IX Abs. 2 des BVG, BGBl. Nr. 685/1988 (wonach sogenannte Maßnahmebeschwerden künftig gemäß Art. 129 a Abs. 1 Z. 2 B-VG nur mehr bei den unabhängigen Verwaltungssenaten erhoben werden können), sind am 1. Jänner 1991 anhängige Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nach der bisherigen Rechtslage weiter zu führen; die Maßnahmenbeschwerde ist daher zulässig.

2. In ihrer Beschwerde führt die Beschwerdeführerin aus, daß sie Mieterin eines Geschäftslokales im Hause Graz, S-Straße 42, sei. Mit 1. Jänner 1989 habe sie das in diesen Räumlichkeiten bestehende Unternehmen gekauft und unter dem Firmennamen "Altes für Haus und Hof" mit einer kurzen Unterbrechung wegen Renovierung der Räumlichkeiten nach Unternehmensübernahme weitergeführt. Bereits vor Übernahme des Unternehmens sei an der Fassade des Hauses S-Gasse 42 eine Geschäftstafel im Ausmaß von ca 130 x 75 cm sowie über dem Geschäftseingang ein schmiedeeisener Ausleger mit einer ovalen Tafel mit den Geschäftsbezeichnungen vorhanden gewesen. Aus Anlaß der Unternehmensübernahme habe sie die beiden Geschäftstafeln renovieren lassen, ohne am Erscheinungsbild dieser Geschäftstafeln etwas zu ändern; das Schriftbild sei im wesentlichen gleich gehalten worden und lediglich der Firmenname sei geändert worden. Die Ankündigungstafeln bzw. der Ausleger seien seit Jahren an der gleichen Stelle montiert gewesen. Lediglich auf Grund einer Rechnung jener Firma, bei der die Renovierung der Werbeeinrichtungen vorgenommen worden seien, seien die Tafeln von der belangten Behörde nach einem Jahr, nachdem sie im renovierten Zustand wieder angebracht worden seien, gemäß § 56 Abs. 6 Steiermärkische Bauordnung abmontiert worden. Dies sei rechtswidrig geschehen, weil gemäß § 56 der Steiermärkischen Bauordnung in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 14/1989 bewilligungspfichtig nur Werbeankündigungseinrichtungen geworden seien, die nach dem 1. März 1989 neu angebracht wurden bzw. gemäß § 56 Abs. 3 leg.cit. erheblich geändert worden sind. Nur unter dieser Voraussetzung könnten nach § 56 Abs. 6 leg.cit. Maßnahmen dann gesetzt werden, wenn der Bewilligungspflicht nicht nachgekommen worden sei. Es sei der belangten Behörde die Verletzung von Verfahrensvorschriften deshalb anzulasten, weil sie nicht ausreichend ermittelt habe, ob die Werbeeinrichtungen schon vor dem 1. März 1989 bestanden haben. Außerdem habe die Behörde bereits im Mai 1989 davon Kenntnis erhalten, daß die renovierten Ankündigungseinrichtungen neu angebracht worden seien. Da erst ein Jahr später die Maßnahmen gemäß § 56 Abs. 6 der Steiermärkischen Bauordnung gesetzt worden seien, sei dies deshalb rechtswidrig, weil solche Maßnahme gemäß § 56 Abs. 6 leg.cit. dem Wortlaut nach "sofort" zu setzen seien. Rechtlich relevant sei lediglich die Frage, ob die Renovierung der Ankündigungstafeln eine erhebliche Änderung im Sinne des § 56 Abs. 3 leg.cit. mit der Folge der Anzeige- bzw. Bewilligungspflicht darstelle. Eine erhebliche Änderung dieser Art sei an den Kritieren des § 56 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung zu messen. Erheblichkeit in diesem Sinne könne nur angenommen werden, wenn die äußere Erscheinung baulicher Anlagen sowie das Straßen- und Ortsbild beeinträchtigt werde bzw. die Sicherheit gefährdet oder eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung verursacht werde. Rechtlich bedeutsam könne dabei nur die Frage sein, ob durch die Renovierung der Tafeln die äußere Erscheinung baulicher Anlagen bzw. des Straßen- und Ortsbildes beeinträchtigt werde. Dabei sei aber von der bestehenden und/bzw. nunmehr renovierten Anlage auszugehen. Diese Frage sei zu verneinen. Da die bereits bestehende Einrichtung nicht erheblich geändert worden sei, sei sie daher auch der Baubehörde nicht anzuzeigen gewesen; deshalb sei die Entfernung rechtswidrig gewesen. Im übrigen sei überdies die Demontage des Auslegers, an welchem sich die Ankündigungstafel befunden habe, deshalb rechtswidrig gewesen, weil dieser Ausleger Bestandteil des Hauses und keinesfalls Bestandteil der Ankündigungseinrichtung gewesen sei. Es hätte lediglich die Ankündigungstafel entfernt werden dürfen.

3. In ihrer Gegenschrift hält die belangte Behörde - anders, als sich aus den Verwaltungsakten ergibt, wonach im Zeitpunkt der Demontage die belangte Behörde davon ausging, daß es sich um eine NEU GESCHAFFENE Werbe- bzw. Ankündigungseinrichtung gemäß § 56 Abs. 3 Steiermärkische Bauordnung handle - dem im wesentlichen entgegen, daß eine BESTEHENDE Ankündigungstafel nach dem 1. März 1989 abgenommen worden sei, um sie nach einer Renovierung und Erneuerung der Beschriftung an gleicher Stelle wieder zu befestigen. Dies ergebe sich aus der schon erwähnten Rechnung, wonach eine Alutafel neu grundiert, lackiert und neu beschriftet worden sei; auch der Schmiedeeisenrahmen sowie eine Laterne seien neu lackiert worden. Dies stelle nach Ansicht der belangten Behörde eine erhebliche Änderung im Sinne des Gesetzes dar, wobei zur Auslegung des Begriffes "erheblich" offensichtlich die Kritierien des § 56 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung heranzuziehen seien. Es sei eine Erneuerung der Farbgebung und des Schriftzuges durchgeführt worden, weshalb die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes gegeben gewesen sei; daraus folge die Bewilligungspflicht der Maßnahme. Da keine Anzeige erfolgt sei und keine Bewilligung vorliege, seien die Voraussetzungen für eine sofortige Beseitigung der Werbeeinrichtung gemäß § 56 Abs. 6 der Steiermärkischen Bauordnung vorgelegen. Der Gesetzgeber habe keine Frist festgesetzt, bis wann eine Werbetafel entfernt werden müsse; es seien auch keine Regelungen getroffen worden, wie vorzugehen sei, wenn nicht "sofort" die Einrichtung entfernt werde. Das Verstreichen des Jahres ab Kenntnisnahme bis zur Entfernung der Werbeeinrichtung sei daher kein Verfahrensmangel. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zählten auch die Ausleger zu Ankündigungseinrichtungen gemäß § 56 Abs. 1 Steiermärkische Bauordnung, da davon auch nach dem Wortlaut des Gesetzes sonstige Vorrichtungen und Gegenstände erfaßt seien, an denen Werbungen und Ankündigungen angebracht werden können. Die Beschwerde sei daher als unbegründet abzuweisen und der Ersatz der Kosten auszusprechen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

1. § 56 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 in der (im Beschwerdefall maßgeblichen) Fassung der Novelle LGBl. Nr. 14/1989 legt mit Wirksamkeit ab 1. März 1989 fest, daß neue Werbe- oder Ankündigungseinrichtungen bzw. bestehende Einrichtungen dann, wenn sie erheblich geändert werden sollen, anzeige- bzw. bewilligungspflichtig sind (§ 56 Abs. 3 leg. cit.). § 56 Abs. 6 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ermächtigt die Baubehörde, Werbe- und Ankündigungseinrichtungen ohne Bewilligung "sofort" entfernen zu können. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 28. Jänner 1990, Zl. 90/06/0018, klargestellt hat, können die Bestimmungen des § 56 Abs. 3 bzw. § 56 Abs. 6 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 nur auf Werbeeinrichtungen angewendet werden, die nach dem 1. März 1989 neu geschaffen worden sind bzw. auf bestehende Einrichtungen nur im Falle einer "erheblichen Änderung".

Im Beschwerdefall ist daher zur Beantwortung der Frage, ob eine Rechtswidrigkeit der auf § 56 Abs. 6 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 gestützten Maßnahmen der belangten Behörde vorliegt, zu klären, ob es sich bei diesen Werbeeinrichtungen um neu geschaffene Werbeeinrichtungen handelt; ist diese Frage zu verneinen, ist weiters zu prüfen, ob die im Rechtssinn bestehende Einrichtung durch die Renovierung in einem "erheblichen Ausmaß" geändert worden ist.

2. Zu Recht geht in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin die belangte Behörde jedenfalls in ihrer Gegenschrift nunmehr davon aus, daß es sich bei den fraglichen Werbeeinrichtungen um bereits bestehende, also um keine neugeschaffenen Werbeeinrichtungen handelt. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergeben sich keinerlei Hinweise dafür, die gegen den von der Beschwerdeführerin dargestellten Sachverhalt sprechen, wonach sie diese Werbeeinrichtungen mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1989 lediglich übernommen und unstrittigerweise lediglich nach dem 1. März 1989 zum Zwecke der Renovierung abgenommen und nach Abschluß der Renovierungsarbeiten an den gleichen Stellen am Haus S-Straße 42 wieder angebracht habe. Das Abmontieren zum Zwecke der Renovierung stellt auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Vorgang dar, der rechtlich bewirken würde, daß das (in einem entsprechenden, hier gegebenen engen zeitlichen Zusammenhang erfolgende) Wiederanbringen an der gleichen Stelle nach der Renovierung als Neuschaffen einer Werbe- oder Ankündigungseinrichtung im Sinne des § 56 Abs. 3 leg.cit. anzusehen wäre.

3. Es ist daher zu prüfen, ob die unstrittigerweise rechtlich bestehende Einrichtung im Zusammenhang mit den Renovierungsarbeiten "erheblich" (wie es die belangte Behörde vermeint) geändert wurde oder nicht. Dabei ist davon auszugehen, daß eine erhebliche Änderung im Sinne des § 56 Abs. 3 leg.cit. dann anzunehmen ist, wenn Auswirkungen auf die allgemeinen Voraussetzungen, denen gemäß § 56 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 Werbe- und Ankündigungseinrichtungen entsprechen müssen (d.h. Änderungen in Ausmaß, Form, Farbe, Werkstoff oder der Art der Anbringung), angenommen werden können. Im Beschwerdefall wurde lediglich der Schriftzug (nach Auffassung der Beschwerdeführerin nur geringfügig) geändert. Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift darüber hinaus die Erneuerung der Farbgebung als Änderung, die offenbar über eine reine Renovierung hinausging, angeführt.

3.1. Eine Änderung des Schriftzuges und auch eine Änderung der Farbgebung könnte bereits eine Änderung des Erscheinungsbildes in einem erheblichen Ausmaß bewirken.

Im Beschwerdefall ist aus den Verwaltungsakten, insbesondere den Lichtbildern - hinsichtlich derer die belangte Behörde nicht behauptet, daß sie die Realität unrichtig wiedergäben - ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin nach Übernahme des Geschäftslokales zwar die Firmen- (oder Etablissement-)bezeichnung geändert, die "Alutafeln" jedoch weder in der Form noch im Werkstoff oder im Ausmaß verändert hat.

    3.2. Die belangte Behörde beruft sich in ihrer Gegenschrift

zwar darauf, daß "die Änderung ... in Ausmaß, Form und

Farbgebung .... somit ... eine erhebliche Änderung" darstelle,

räumt aber ein, daß (nur) eine "Erneuerung der Farbgebung und des Schriftzuges durchgeführt" worden sei, "weswegen die Möglichkeit der Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes gegeben" sei. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist die bloße Änderung des Firmenwortlautes (bzw. einer Etablissementbezeichnung) keine Änderung des Schriftzuges; den im Verwaltungsakt befindlichen bildlichen Darstellungen ist vielmehr zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin die Schriftart (im Sinne der für die Schrift charakteristischen Eigenart) beibehalten hat. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß die Aufschrift "Altes für Haus und Hof" in großen bzw. "H. M vorm. B" in kleinen Buchstaben gegenüber der früheren Aufschrift "Altwaren M. B" in der großen bzw. "Einkauf - Verkauf" in der kleineren Schriftgröße ein insgesamt geringfügig anderes Gesamtschriftbild (in jeweils dunklen Buchstaben auf hellem Hintergrund) ergibt, doch kann von einer ERHEBLICHEN Änderung der Werbeeinrichtung nicht gesprochen werden. Es muß daher auch nicht erörtert werden, ob das Schriftbild (sofern dadurch nicht ein wesentlich veränderter Farbeindruck der Tafel entsteht) überhaupt ein in diesem Zusammenhang beachtlicher Belang sein kann. Die Erneuerung der Farbe liegt zwar unmittelbar im Regelungsbereich des § 56 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968. Soweit jedoch - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen einräumt - nur eine Erneuerung des alten Anstrichs (d.h. im wesentlichen in der ursprünglichen Farbe) erfolgte, handelt es sich um eine Maßnahme der Instandsetzung der Werbeeinrichtung und jedenfalls um keine Änderung (daher auch um keine erhebliche Änderung im Sinne des § 56 Abs. 3 Steiermärkische Bauordnung 1968) der Farbe.

Die im Spruch genannten Rechtshandlungen der belangten Behörde waren daher gemäß § 42 Abs. 4 VwGG für rechtswidrig zu erklären.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, da nur die Kosten für erforderliche Stempelmarken zu ersetzen sind.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990060134.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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