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L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 24. Mai 1993, Zl. 8 BauR1-122/3/1993, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) H in S, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in V, 2) Gemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Juli 1990 wurde das Ansuchen des Erstmitbeteiligten "um die nachträgliche Erteilung der Bewilligung zur Errichtung eines Garagen- und Wirtschaftsgebäudes sowie den Umbau des Bestandes auf der ihm gehörigen Grundparzelle Nr. 1517/1, KG. B", im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß das erwähnte Garagen- und Wirtschaftsgebäude bereits errichtet worden sei und die in den Kärntner Bauvorschriften geforderten Abstandsflächen nicht einhalte.
Die dagegen eingebrachte Berufung des mitbeteiligten Bauwerbers wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Dezember 1990 als unbegründet abgewiesen.
Dieser Berufungsbescheid wurde auf Grund der dagegen eingebrachten Vorstellung des Erstmitbeteiligten mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 28. März 1991 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen. Diese Aufhebung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Bauwerber zufolge § 9 der Kärntner Bauvorschriften einen Rechtsanspruch auf die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen besitze, sofern die Voraussetzungen hiefür gegeben seien. Die Berufungsbehörde habe sich jedoch mit dem diesbezüglichen Vorbringen in der Berufung nicht einmal auseinandergesetzt, geschweige denn die erforderlichen Ermittlungen durchgeführt bzw. durchführen lassen.
Im fortgesetzten Verfahren erging sodann der Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Februar 1993, dessen Spruch folgenden Wortlaut hat:
"Der Gemeindevorstand der Gemeinde B gibt der Berufung
gemäß den Bestimmungen des § 66 Abs. 4 des Allgemeinen
Verwaltungsverfahrensgesetzes ... in Verbindung mit § 94 Abs. 1
der Allgemeinen Gemeindeordnung ... statt."
Auf Grund der gegen diesen Bescheid durch den Beschwerdeführer eingebrachten Vorstellung wurde dieser Berufungsbescheid mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 24. Mai 1993 gemäß § 95 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde zurückverwiesen. Die Aufsichtsbehörde begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Berufungsbehörde dem Rechtsmittel zwar Folge gegeben, aber nichts darüber ausgesagt habe, "was mit der abgelehnten (versagten) Baubewilligung bzw. dem Bauantrag geschehen soll". Insoweit sei der Spruch dieses Berufungsbescheides unvollständig und widerspreche der Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG. Ferner hätte sich die Berufungsbehörde mit den zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 der Kärntner Bauvorschriften eingeholten Gutachten eines Amtssachverständigen sowie eines privaten Sachverständigen auseinandersetzen und allenfalls unter Einholung eines weiteren Gutachtens endgültig die Entscheidung treffen müssen, ob die Voraussetzungen nach der erwähnten Vorschrift als gegeben erachtet werden oder nicht.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die erstmitbeteiligte Partei erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß nur den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zukommt (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8091/A, und das Erkenntnis vom 11. Dezember 1984, Zl. 84/05/0131, BauSlg. Nr. 351, u.a.).
Tragender Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides ist entsprechend dessen teilweise bereits wiedergegebener Begründung einerseits der Umstand, daß die Berufungsbehörde zwar der Berufung des mitbeteiligten Bauwerbers Folge gegeben habe, aber ein "Abspruch darüber" fehle, "was mit der abgelehnten (versagten) Baubewilligung bzw. dem Bauantrag geschehen soll", weshalb der Spruch des Berufungsbescheides insoweit unvollständig sei und dem § 66 Abs. 4 AVG widerspreche. Andererseits erblickte die belangte Behörde einen weiteren Aufhebungsgrund in dem Umstand, daß die Berufungsbehörde den aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheid vom 28. März 1991 "offensichtlich mißverstanden" habe. In diesem Bescheid sei nämlich ausgeführt worden, daß der Bauwerber gemäß § 9 der Kärntner Bauvorschriften einen Rechtsanspruch auf die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen besitze, sofern die Voraussetzungen hiefür gegeben seien, wobei die Berufungsbehörde die diesbezüglichen Ermittlungen nicht durchgeführt habe. Es sei daher keinesfalls die Meinung vertreten worden, daß die Voraussetzungen des § 9 der Kärntner Bauvorschriften gegeben seien. Ein derartiges Mißverständnis dürfte bei der Berufungsbehörde anfangs offensichtlich auch nicht vorgelegen sein, da sie eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen zur Abstandsfrage nach der zitierten Bestimmung eingeholt habe. Nun habe aber auch der Bauwerber zur Stellungnahme des Amtssachverständigen eine Stellungnahme eines Privatsachverständigen vorgelegt. Die Berufungsbehörde hätte sich aber mit diesen Stellungnahmen auseinandersetzen und allenfalls unter Einholung eines weiteren Gutachtens endgültig die Entscheidung treffen müssen, ob sie die Voraussetzungen des § 9 der Kärntner Bauvorschriften als gegeben erachte oder nicht. Infolge der aufgezeigten Rechtsverletzungen erweise sich der Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von subjektiven öffentlichen Rechten des Beschwerdeführers.
Der Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Februar 1993 wurde also von der belangten Aufsichtsbehörde deshalb als rechtswidrig angesehen und daher aufgehoben, weil die Berufungsbehörde über das Bauansuchen des mitbeteiligten Bauwerbers nicht meritorisch abgesprochen und insbesondere keine Entscheidung darüber getroffen hat, ob die Voraussetzungen des § 9 der Kärntner Bauvorschriften erfüllt sind. Der Begründung des angefochtenen Bescheides kommt daher für das fortgesetzte Verfahren nur hinsichtlich dieser Ausführungen eine bindende Wirkung zu.
Dem abschließenden Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides ("Es sei nur noch bemerkt, daß die Auffassung des Vorstellungswerbers, durch eine vollkommen konsenslose Errichtung des Bauwerkes verliere der Bauherr bzw. Bauwerber einen Rechtsanspruch auf die Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen gemäß § 9 der Kärntner Bauvorschriften, nicht geteilt werden kann. In der Kärntner Bauordnung ist die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung ausdrücklich vorgesehen, wobei hinsichtlich eines solchen Verfahrens keine Einschränkung hinsichtlich der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen gegeben ist.") kommt hingegen, da er nicht als ein die Aufhebung tragender Grund beurteilt werden kann, schon aus diesem Grunde für das fortgesetzte Verfahren keine bindende Wirkung zu. Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß die belangte Behörde bereits in ihrem aufhebenden - nach der Aktenlage bei keinem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekämpften - Bescheid vom 28. März 1991, wie schon erwähnt, zum Ausdruck gebracht hat, daß "der Bauwerber zufolge § 9 der Kärntner Bauvorschriften einen Rechtsanspruch auf die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen besitzt, sofern die Voraussetzungen hiefür gegeben sind". Die belangte Behörde hat demnach bereits in diesem Bescheid mit bindender Wirkung für das fortgesetzte Verfahren ausgesprochen, daß der mitbeteiligte Bauwerber im Zusammenhang mit der Entscheidung über sein diesem Verfahren zugrundeliegendes Ansuchen um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung einen Rechtsanspruch darauf hat, daß die Tiefe der Abstandsflächen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 der Kärntner Bauvorschriften verringert wird.
Da sich der Beschwerdeführer entsprechend der Formulierung des Beschwerdepunktes (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) durch den angefochtenen Bescheid dadurch beschwert erachtet, daß "die Vorstellungsbehörde" der "Rechtsansicht nicht Rechnung getragen hat", wonach "der Bauwerber bei einer vollkommen konsenslosen Errichtung des Bauwerkes seinen Rechtsanspruch auf Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen verliere", dem bereits wörtlich wiedergegebenen abschließenden Hinweis der belangten Behörde aber jedenfalls nicht auf Grund des angefochtenen Bescheides sondern schon infolge des Bescheides vom 28. März 1991 für das weitere Verfahren bindende Wirkung zukommt, kann der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in diesem Beschwerdepunkt verletzt sein.
Ungeachtet dessen soll nicht unerwähnt bleiben, daß der belangten Behörde zuzustimmen ist, wenn sie die Auffassung vertreten hat, daß in der Kärntner Bauordnung die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. dazu § 32 der Kärntner Bauordnung 1992) und keine Einschränkungen hinsichtlich der anzuwendenden Bestimmungen, also insbesondere auch nicht in bezug auf die sich aus § 9 der Kärntner Bauvorschriften ergebenden Regelungen über die Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen, bestehen.
Da die Berufungsbehörde im übrigen schon auf Grund des aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheides vom 28. März 1991 Ermittlungen über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 der Kärntner Bauvorschriften anzustellen hatte, kann auch der in einem weiteren Beschwerdepunkt zum Ausdruck kommenden Auffassung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, daß "unzulässigerweise die sachlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit" dieser Regelungen "überprüft werden".
Da der Beschwerdeführer sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht im Beschwerdepunkt verletzt worden ist, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993050155.X00Im RIS seit
28.09.2001