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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §11 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 8. Februar 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 9. Oktober 1992 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste-Gastgewerbe den Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung zur Anwerbung der philippinischen Staatsangehörigen M. als Kindermädchen (kein spezielles Bildungserfordernis angegeben). Der monatliche Bruttolohn sollte S 6.180,-- betragen. Diesem Antrag war ein in englischer Sprache abgefaßter und von der Beschwerdeführerin unterfertigter Dienstvertrag (zwischen der Beschwerdeführerin und der beantragten Ausländerin) angeschlossen.
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 13. Oktober 1992 gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 und § 4 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) "wegen Nichtvorliegens eines unter Bedachtnahme auf die öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen bestehenden besonderen Bedürfnisses der inländischen Wirtschaft" ab.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die - nunmehr anwaltlich vertretene - Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, sie sei Krankenschwester und habe daher einen zwölfstündigen Dienst, wobei sie in dieser Zeit ihre beiden Kinder (im Alter von 3 bzw. 1 1/2 Jahren) nicht betreuen könne. Auch ihr Mann sei tagsüber berufstätig und daher nicht in der Lage, die beiden Kinder zu betreuen. Ihre jüngere Tochter erkranke sehr oft und bedürfe daher auch in medizinischer Hinsicht einer ständigen Pflege. Damit sie ihrer Beschäftigung als Krankenschwester nachkommen könne - dies liege auch im Interesse der gesamtösterreichischen Wirtschaft, weil ein großer Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal im Krankenhaus bestehe -, benötige sie eine Hilfe bei der Pflege ihrer Kinder. Diese Pflege und Sorge um ihre Kinder möchte sie naturgemäß NICHT einer fremden Person übertragen, vor allem im Hinblick darauf, daß ihre jüngere Tochter große gesundheitliche Probleme habe. Daher sei der EINZIGE FÜR SIE DENKBARE AUSWEG der, ihrer Cousine M. (für die Zeit, in der sowohl sie als auch ihr Mann beruflich verhindert seien) die Pflege ihrer Kinder zu übertragen. Die genannte Cousine genieße ihr volles Vertrauen und wäre auch in der Lage, sich um ihre beiden Kinder bestens zu kümmern.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. Februar 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Z. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG keine Folge.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, eine Sicherungsbescheinigung dürfe gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 AuslBG u. a. nur dann ausgestellt werden, wenn gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulasse und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstünden. Daraus ergebe sich, daß für die Entscheidung über einen Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung nicht der bei einem Arbeitgeber auftretende individuelle Arbeitskräftebedarf allein maßgeblich sein könne.
Aus der Sicht eines einzelnen Unternehmens könne es verständlich sein, in gewissen Fällen ausländischen Arbeitskräften den Vorzug zu geben. Gesamtwirtschaftlich müsse demgegenüber die Eröffnung von Beschäftigungsmöglichkeiten für alle arbeitswilligen Inländer Vorrang haben. In Hinblick auf den bestehenden Arbeitskräfteüberschuß sei eine strenge Prüfung der Erteilung von Bewilligungen für Ausländer erforderlich, um ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
Die zuletzt mit Verordnung vom 28. November 1992, BGBl. Nr. 798/1992, für das Bundesland Wien festgesetzte Landeshöchstzahl an beschäftigten und arbeitslosen Ausländern von 97.000 sei seit Beginn des Kalenderjahres 1993 weit überschritten. Bei Anträgen auf Erteilung einer Sicherungsbescheinigung müßten daher sowohl die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 (richtig wohl: Abs. 1) als auch des Abs. 6 AuslBG geprüft werden. § 4b AuslBG lasse im Sinne des § 4 Abs. 1 leg. cit. die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (Sicherungsbescheinigung) nur dann zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine dort genannten Arbeitskräfte (Inländer oder integrierte Ausländer) vermittelt werden könnten. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung ausgeführt, daß sie die Pflege ihrer Kinder "naturgemäß nicht einer fremden Person" übertragen möchte und der für sie "einzige denkbare Ausweg" jener sei, ihre Cousine mit dieser Aufgabe zu betrauen. Dieser Ansicht könne vom objektiven Standpunkt aus nicht beigepflichtet werden. Es sei durchaus nicht ungewöhnlich, daß Eltern betreuungspflichtiger Kinder über Inserate in Tages- und Bezirkszeitungen oder über Vermittlung des Arbeitsamtes Betreuungspersonen suchten und dementsprechend bereit seien, ihre Kinder einer zunächst fremden Person stundenweise in Obhut zu geben. Bei Erteilung eines Vermittlungsauftrags könnten auch besondere Umstände, wie etwa die Kränklichkeit und besondere Pflegebedürftigkeit eines Kindes, angeführt werden, sodaß damit nur Personen mit einer höheren Einsatzbereitschaft angesprochen würden. Aus den in der Berufung gewählten Formulierungen sei zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin nur M. in ihrem Haushalt beschäftigen möchte und eine andere Arbeitskraft für diese Stelle nicht in Betracht komme. Zur Zeit seien in Wien 54 beschäftigungslose Kinderbetreuer bzw. -betreuerinnen zur Vermittlung vorgemerkt. Ob eine dieser Personen für den konkreten Arbeitsplatz in Frage komme, könnte nur nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens festgestellt werden, wozu allerdings die grundsätzliche Bereitschaft der Antragstellerin erforderlich sei, auch eine andere als die beantragte Kraft aufzunehmen. Eine Sicherungsbescheinigung sei gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG dann nicht zu erteilen, wenn auf dem inländischen Arbeitsmarkt auch nur eine Arbeitskraft zur Verfügung stehe, die bereit und fähig sei, den Arbeitsplatz unter den gebotenen Bedingungen anzunehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Ausländer für eine Beschäftigung im Bundesgebiet im Ausland anzuwerben, so ist ihm gemäß § 11 Abs. 1 AuslBG auf Antrag eine Sicherungsbescheinigung auszustellen. Sie hat zu enthalten, für welche Ausländer oder welche Anzahl von Ausländern bei Vorliegen der Voraussetzungen die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen in Aussicht gestellt wird.
Gemäß § 11 Abs. 2 AuslBG darf die Sicherungsbescheinigung nur ausgestellt werden, wenn
1. die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1, 2 oder 6 und Abs. 3 Z. 1, 4, 6, 8 und 12 gegeben sind und
2. auf Grund der Angaben des Antragstellers angenommen werden kann, daß für den Ausländer eine ortsübliche Unterkunft im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 5 zur Verfügung stehen wird.
Die belangte Behörde hat die Ablehnung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung inhaltlich auf das Fehlen der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 AuslBG gestützt, die auch beim erschwerten Verfahren gemäß § 4 Abs. 6 leg. cit. (Überschreiten der Landeshöchstzahl) erfüllt sein müssen.
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG kann eine Beschäftigungsbewilligung (Sicherungsbescheinigung), nur erteilt werden,
wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und
wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Bei Fehlen auch nur einer dieser beiden Tatbestandsvoraussetzungen ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1987, 87/09/0012).
Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (Sicherungsbescheinigung) nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Sicherungsbescheinigung zu erteilen, weil z. B. der einzelne Arbeitgeber einen - sei es auch aus familiären Gründen - zu seiner Einstellung bereiten ausländischen Arbeitnehmer gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein. Die Prüfung der Arbeitsmarktlage erübrigt sich indes dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1993, 91/09/0206, u.a.).
Im vorliegenden Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung (und ihrer dazu gleichlautenden Beschwerdeschrift) völlig unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß sie ausschließlich M. als Kindermädchen beschäftigen wolle. Sie hat dabei auf das zu M. bestehende Verwandtschaftsverhältnis (diese sei ihre Cousine und genieße ihr volles Vertrauen) hingewiesen und ausdrücklich ausgeführt, daß sie die Pflege und Sorge um ihre Kinder NICHT einer fremden Person übertragen wolle, sodaß der einzige für sie denkbare Ausweg der sei, ihre Cousine M. mit dieser Aufgabe zu betrauen. Sie hat im Verwaltungsverfahren niemals vorgebracht, an der Stellung einer Ersatzkraft interessiert zu sein. Mit Rücksicht darauf war die belangte Behörde auch nicht gehalten, vor ihrer die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin bestätigenden Entscheidung den Versuch zu unternehmen, der Beschwerdeführerin Ersatzarbeitskräfte anzubieten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1992, 92/09/0215).
Die Beschwerde war deshalb schon wegen des Fehlens einer der beiden gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG rechtserheblichen Tatsachen als Voraussetzung für die Ausstellung der beantragten Sicherungsbescheinigung nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Abhaltung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß von der mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090093.X00Im RIS seit
20.11.2000