TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/25 93/11/0258

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Veröffentlicht am 25.01.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z1;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 27. Oktober 1993, Zl. 730.500/1-2.7/92, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. Oktober 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13. Februar 1992 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid als rechtswidrig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990, BGBl. Nr. 305, können Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Nach dem Beschwerdevorbringen und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden steht fest, daß der am 16. August 1965 geborene Beschwerdeführer anläßlich seiner Stellung vom 25. November 1983 für tauglich befunden wurde. Zum Zweck der Absolvierung seines Hochschulstudiums wurde ihm der Antritt des Grundwehrdienstes mehrmals aufgeschoben, zuletzt mit Bescheid vom 11. März 1991 bis zum 15. August 1992. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, daß er mit seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes ab Oktober 1992 zu rechnen habe. In seinem Antrag auf Befreiung von der Präsenzdienstpflicht machte der Beschwerdeführer wirtschaftliche Interessen - da er als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer eines näher bezeichneten Unternehmens unabkömmlich sei - und familiäre Gründe - da seine Eltern nur vermindert erwerbsfähig seien - geltend.

Die belangte Behörde bejahte wohl das Vorliegen der wirtschaftlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers, verneinte jedoch deren besondere Rücksichtswürdigkeit. Der Beschwerdeführer sei seine wirtschaftlichen Verpflichtungen zu einem Zeitpunkt eingegangen, zu dem er wußte, daß er seinen ordentlichen Präsenzdienst werde leisten müssen; er hätte daher seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einrichten müssen, daß für den Fall seiner Einberufung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden würden. Da der Beschwerdeführer seine diesbezügliche Dispositionspflicht verletzt habe, seien seine wirtschaftlichen Interessen nicht besonders rücksichtswürdig. Die familiären Interessen seien deshalb nicht besonders rücksichtswürdig, weil sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben habe, daß eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen der Eltern des Beschwerdeführers infolge seiner Einberufung gegeben sei.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil die belangte Behörde nicht hinreichend berücksichtigt habe, daß er unter Zuhilfenahme des Arbeitsamtes versucht habe, eine Vertretung für ihn zu finden, ihm dies jedoch nicht gelungen sei. Der Betrieb sei in einer besonders schwierigen Lage, sodaß verstärkt der volle Einsatz des Beschwerdeführers verlangt und er daher unabkömmlich sei. Er wäre im Hinblick darauf, daß seine Eltern nicht mehr arbeiten konnten, gezwungen gewesen, sich zur Gänze dem Familienbetrieb zu widmen, und damit sei auch die Übernahme von finanziellen Verpflichtungen unabdingbar gewesen. Schließlich sei im Falle seiner Präsenzdienstleistung die wirtschaftliche Existenz seiner 19 Mitarbeiter gefährdet.

Vorauszuschicken ist, daß es im gegebenen Zusammenhang nur darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer besonders rücksichtswürdige eigene Interessen an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht hat, nicht jedoch darauf, ob seine Befreiung im öffentlichen Interesse - zur Erhaltung von Arbeitsplätzen - geboten ist. Nur ersteres kann Inhalt eines Befreiungsantrages des Wehrpflichtigen sein, und nur darüber hatte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid abzusprechen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1993, Zl. 93/11/0051). Die Wahrnehmung öffentlicher Interessen kann nur Grundlage für ein amtswegiges Vorgehen durch die belangte Behörde sein.

Insoweit der Beschwerdeführer familiäre Interessen an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht geltend macht, ist ihm zu entgegnen, daß diese nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann besonders rücksichtswürdig sind, wenn seine Abwesenheit infolge der Präsenzdienstleistung dazu führte, daß er seinen Familienangehörigen die nötige Unterstützung nicht mehr angedeihen lassen kann, sodaß diese in lebenswichtigen Belangen gefährdet würden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1993, Zl. 93/11/0071 mit weiteren Judikaturhinweisen). Der Beschwerdeführer hat wohl vorgebracht, daß die Erwerbsfähigkeit seines Vaters mit 70 %, die seiner Mutter mit 100 % vermindert sei; weder aus dem Beschwerdevorbringen noch aus den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ergibt sich jedoch ein Anhaltspunkt dafür, daß die Existenz der Familienangehörigen des Beschwerdeführers durch seine Präsenzdienstleistung konkret gefährdet wäre.

Aber auch was die wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers betrifft, vermögen seine diesbezüglichen Ausführungen nicht, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 93/11/0014 mit weiteren Judikaturhinweisen, u.v.a.) hat der Wehrpflichtige die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes so vorzunehmen, daß für den Fall seiner Einberufung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert, nicht aber vergrößert oder gar erst geschaffen werden. Der Beschwerdeführer hatte sich im Jahre 1983 der Stellung unterzogen und war für tauglich befunden worden. Danach war ihm zur Absolvierung seines Hochschulstudiums der Antritt des Grundwehrdienstes mehrmals aufgeschoben worden, zuletzt bis 15. August 1992. Daß der Beschwerdeführer seinen Präsenzdienst abzuleisten haben wird, war ihm bekannt. Er wurde im übrigen auch ausdrücklich im Bescheid vom 11. März 1991 - was er nicht bekämpft - darauf aufmerksam gemacht, daß er mit der Ableistung des Grundwehrdienstes ab Oktober 1992 zu rechnen habe. Dies hätte er aber auch berücksichtigen müssen, als - wie er behauptet - er im Hinblick auf die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit seiner Eltern sein Studium abbrach und eine führende Tätigkeit im Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder übernahm. Der Beschwerdeführer hat mehrfach darauf hingewiesen, daß sein Bruder wie er handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer des Unternehmens sei und auch seine Schwägerin im Unternehmen tätig sei; der Bruder des Beschwerdeführers sei als Maschinenprogrammierer und Produktionsleiter, er selbst als Kundenbetreuer und als für die kaufmännischen Geschäfte Verantwortlicher tätig. Wenn der Beschwerdeführer nun geltend macht, daß sowohl er als auch sein Bruder in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich im Hinblick auf die Situation des Unternehmens "weit über das übliche 40 Stundenmaß per Woche hinaus" arbeiten, vermag dies nichts daran zu ändern, daß beide Brüder, somit auch der Beschwerdeführer, als ihr Vater im Dezember 1987 seine Pension antrat, die Agenden im Unternehmen so hätten aufteilen müssen, daß der Beschwerdeführer ohne Verletzung seiner wirtschaftlichen Interessen in der Lage sein würde, den ihm bekanntermaßen bevorstehenden Grundwehrdienst abzuleisten. Daß er hiezu nicht in der Lage gewesen wäre, hat er nicht behauptet.

Auch mit den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten, auf dem Unternehmen lastenden Bankkrediten und Landesdarlehen ist für ihn nichts gewonnen, weil es sich auch diesbezüglich - was die weit überwiegende Darlehenssumme anlangt - um die Folgen der Verletzung der Harmonisierungspflicht durch den Beschwerdeführer handelt.

Schließlich ist für den Beschwerdeführer auch mit seinem Argument, er könne im Unternehmen für die Dauer der Präsenzdienstleistung nicht vertreten werden, im Ergebnis nichts zu gewinnen: Es trifft wohl zu, daß die belangte Behörde die behaupteten Bemühungen des Beschwerdeführers, über das Arbeitsamt eine Vertretung zu erlangen, nicht berücksichtigt, sondern sich im wesentlichen auf die Wiedergabe von Vorjudikatur beschränkt hat. Dennoch erscheint es dem Verwaltungsgerichtshof nicht schlüssig, daß es dem Beschwerdeführer schlechthin unmöglich sein sollte, im Hinblick auf die Tätigkeit seines Bruders im Unternehmen zumindest für eine teilweise Vertretung im Unternehmen für die Dauer seines Grundwehrdienstes zu sorgen. Daß die Vertretung des Beschwerdeführers dem Bruder auf Grund dessen Ausbildung und Fähigkeiten unmöglich wäre, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Wenn er sich aber darauf stützt, daß die Arbeit des Bruders dermaßen umfangreich sei, daß er ihn nicht vertreten könne, ist dem gleichfalls zu entgegnen, daß dies eine Auswirkung der Verletzung der Harmonisierungspflicht des Beschwerdeführers ist, weil anläßlich der erfolgten Geschäftseinteilung seine noch ausstehende Präsenzdienstleistung offensichtlich völlig außer Betracht blieb. Hier hätte in geeigneter Weise rechtzeitig Vorsorge getroffen werden müssen, um den Bestand des Unternehmens während der Abwesenheit des Beschwerdeführers zur Ableistung des Grundwehrdienstes zu sichern. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfahrensmangel wegen Nichtberücksichtigung der bei der belangten Behörde am 21. September 1993 eingelangten Stellungnahme führt daher mangels Relevanz nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, ist die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Ermessen Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993110258.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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