TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/27 93/18/0418

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Veröffentlicht am 27.01.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z1;
FrG 1993 §11 Abs1;
FrG 1993 §18;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 19. August 1993, Zl. B-6/44/91, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 19. August 1993 erklärte die Bezirkshauptmannschaft Kufstein (die belangte Behörde) gemäß § 11 Abs. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, den von ihr dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, am 23. November 1992 mit einer Gültigkeitsdauer bis 15. Jänner 1994 erteilten Sichtvermerk für ungültig.

Zur Begründung wurde nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die belangte Behörde habe mit Bescheid vom 7. März 1991 - dieser sei in Rechtskraft erwachsen - gegen den Beschwerdeführer ein bis 7. März 1996 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Aufgrund eines ihm vom Österreichischen Generalkonsulat Istanbul am 16. Jänner 1992 erteilten Sichtvermerkes sei der Beschwerdeführer wieder in das Bundesgebiet eingereist. Dieser Sichtvermerk sei von der belangten Behörde zweimal (am 18. September 1992 bis 15. Jänner 1993 und am 23. November 1992 bis 15. Jänner 1994) verlängert worden. Nach der zweiten Verlängerung sei in Erfahrung gebracht worden, daß gegen den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe. Eine Wiedereinreisebewilligung liege nicht vor. Dieser Sachverhalt sei dem § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG zu subsumieren und bilde somit einen der im Gesetz vorgesehenen Gründe für die (zwingende) Ungültigerklärung des Sichtvermerkes.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 11 Abs. 1 FrG ist ein Sichtvermerk ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung des Sichtvermerkes (§ 10 Abs. 1 und 2) rechtfertigen würden.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn gegen den Sichtvermerkswerber ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht, es sei denn, daß die Voraussetzungen für eine Wiedereinreisebewilligung (§ 23) vorliegen.

2.1. Die Beschwerde zieht das Vorliegen eines über den Beschwerdeführer verhängten rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes (befristet bis 7. März 1996) nicht in Zweifel, meint jedoch, daß dies keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 11 Abs. 1 FrG sei, da der belangten Behörde das von ihr selbst im Jahr 1991 erlassene Aufenthaltsverbot bekannt gewesen sein "muß".

2.2. Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, daß das Gesetz darauf abstellt, daß "nachträglich Tatsachen bekannt werden" - ohne daß dabei aber (wie nach § 69 Abs. 1 Z. 2 iVm Abs. 3 AVG) auf das Verschulden der Behörde abgestellt wäre. Damit aber ist § 11 Abs. 1 FrG nur dann nicht anwendbar, wenn der Behörde die betreffende Tatsache im Zeitpunkt der Sichtvermerkserteilung tatsächlich bereits bekannt war. Nicht entscheidend für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung im Beschwerdefall ist es demnach, ob die Tatsache des aufrechten Bestandes eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer im besagten Zeitpunkt der belangten Behörde (aufgrund bestimmter Umstände) habe bekannt sein müssen. Als der Behörde bekannt hat jedoch nicht jeder Umstand zu gelten, der ihr in anderen Verfahren zur Kenntnis gelangt ist, sofern sich nicht in den Akten des betreffenden Verfahrens (konkret: des Sichtvermerkserteilungsverfahrens) ein entsprechender Hinweis findet. Im vorliegenden Fall war nach der Aktenlage die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer in dem ihn betreffenden Sichtvermerkserteilungsverfahren nicht aktenkundig. Die belangte Behörde hatte daher von einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache i.S. des § 11 Abs. 1 FrG auszugehen.

3.1. Die Beschwerde mißt dem Umstand, daß dem Beschwerdeführer der ungültig erklärte Sichtvermerk noch im zeitlichen Geltungsbereich des Fremdenpolizeigesetzes erteilt wurde, insofern rechtliche Bedeutung bei, als ihm seiner Meinung nach mit dieser Sichtvermerkserteilung (ebenso wie mit den beiden vorausgegangenen) ein Vollstreckungsaufschub in Ansehung seines Aufenthaltsverbotes erteilt worden sei, der auch nach Inkrafttreten des Fremdengesetzes gemäß dessen § 88 Abs. 6 seine Gültigkeit (bis 15. Jänner 1994) behalten habe.

3.2. Dieser Einwand versagt schon deshalb, weil auch dann, wenn in der Erteilung des Sichtvermerkes am 23. November 1992 die Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes zu erblicken wäre, dies nicht am Weiterbestehen des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer geändert hätte. Darüber hinaus ist die Ansicht des Beschwerdeführers im Hinblick darauf verfehlt, daß nach dem Fremdenpolizeigesetz ein Vollstreckungsaufschub (§ 6 Abs. 2) nicht in Form eines Sichtvermerkes, sondern ausschließlich durch Bescheid zu bewilligen war (§ 11 Abs. 4).

4. Die Rüge, es sei das Parteiengehör nicht eingeräumt worden, ist nicht zielführend, verabsäumt es doch der Beschwerdeführer darzutun, inwiefern die Gewährung des rechtlichen Gehörs zu einem für ihn günstigeren Ergebnis geführt hätte.

5. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993180418.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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