TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/10 94/18/0004

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Veröffentlicht am 10.02.1994
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §26;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des T in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. November 1993, Zl. St 141-4/93, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 22. November 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines ägyptischen Staatangehörigen, auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 15. Juli 1986 erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, daß sich der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1983 im Bundesgebiet aufhalte. Bereits drei Jahre später habe die Bundespolizeidirektion Wels gegen ihn gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und g in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dieses habe sich darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer wegen Verwaltungsübertretungen auf dem Gebiet der Fremdenpolizei, des Paß- und des Meldegesetzes bestraft worden sei, er gegenüber einer inländischen amtlichen Stelle zum Zwecke der Täuschung unrichtige Angaben über seine Person oder seine persönlichen Verhältnisse gemacht habe und daß er relativ häufig wegen Verwaltungsübertretungen betraft worden sei, die dem Schutz der öffentlichen Ordnung dienten. Außerdem habe er eine gerichtliche Vorstrafe wegen Körperverletzung und fahrlässigem Ansichbringen, Verheimlichen oder Verhandeln von Sachen (§ 165 StGB) aufgewiesen. In der Folge habe der Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlassen, sei dann aber in den Jahren 1987 und 1988 wieder eingereist. In einer mit dem Beschwerdeführer am 21. September 1990 aufgenommenen Niederschrift seien 12 rechtskräftige Verwaltungsstrafen, vornehmlich wegen Ordnungsstörung und Lärmerregung, aufgeschienen. Dies habe letztlich auch zu seiner am 14. Juni 1991 erfolgten Abschiebung in sein Heimatland geführt. Am 20. Juli 1991 habe er, nachdem er auch schon zuvor mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet gewesen war, in Kairo seine derzeitige Gattin, eine österreichische Staatsangehörige, geheiratet. Seither habe sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufgrund erteilter Vollstreckungsaufschübe bzw. Aufenthaltsberechtigungen in Bescheidform aufgehalten.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 29. Jänner 1991 sei er wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden, der Vollzug der Strafe sei unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen worden.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 27. Februar 1992 sei der Beschwerdeführer wiederum wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 28. Juni 1993 sei er wegen des Vergehens nach § 169 Abs. 1 und § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 5 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden.

Eine teilbedingt nachgesehene Freiheitsstrafe habe nach § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG als bestimmte Tatsache zu gelten, aufgrund derer die Annahme gerechtfertigt sei, daß der Aufenthalt eines Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde. Aus seinen beiden weiteren Verurteilungen wegen Körperverletzung aus den letzten beiden Jahren sei der gleiche Schluß zu ziehen, wobei hinzukomme, daß der Beschwerdeführer sich eigentlich des Umstandes hätte bewußt sein müssen, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet zufolge des bereits gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes lediglich ein geduldeter sei.

Die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, seien nicht nur nicht weggefallen, sondern sei durch seine Verurteilung durch das Landesgericht Linz zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten sogar ein weiterer Grund, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, hinzugekommen.

Eine Änderung sei hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers eingetreten, indem er nunmehr mit einer österreichischen Staatsangehörigen wieder in aufrechter Ehe lebe, aus der ein Kind hervorgegangen sei, das derzeit etwa 6 Monate alt sei. Die Neigung des Beschwerdeführers zu agressivem Verhalten, die sich in den beiden Verurteilungen wegen Körperverletzung, aber auch wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und gefährlicher Drohung geäußert habe, lasse ungeachtet der familiären Umstände zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes. Dazu komme noch, daß in der letzten Zeit die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer gesetzten Delikte zunehme.

Eine Überprüfung nach der derzeit durch das Fremdengesetz gegebenen Rechtslage ergebe, daß die Gründe, die seinerzeit, unter der Geltung des Fremdenpolizeigesetzes, zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, nicht weggefallen seien und sich auch nicht jene Umstände, die für die Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten Interessen andererseits maßgebend seien, zugunsten des Beschwerdeführers in einer solchen Art geändert hätten, daß dies die öffentlichen Interessen überwiegen würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesem Grunde aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 26 FrG ist das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein relevanter Eingriff im Sinne des § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist - und bejahendenfalls - ferner, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwiegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0564, mit weiteren Nachweisen).

Das in den rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretungen fremdenpolizeilicher Vorschriften, des Paß- und Meldgesetzes sowie anderer Verwaltungsvorschriften, die dem Schutz der öffentlichen Ordnung dienen, begründete öffentliche Interesse würde nach wie vor die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer rechtfertigen (§ 18 Abs. 2 Z. 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 FrG). Bei einer Entscheidung nach § 26 FrG ist aber auch auf die nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0564). Der daraus für den vorliegenden Fall im bekämpften Bescheid gezogene Schluß, die aus den Jahren 1991 bis 1993 stammenden rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers würden für sich die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen, begegnet insofern keinen Bedenken, als die Verurteilung des Beschwerdeführers vom 28. Juni 1993 wegen des Vergehens nach § 269 Abs. 1 und § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten, davon 5 Monate bedingt, den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt.

Die belangte Behörde hat einen relevanten Eingriff im Sinne des § 19 FrG in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes angenommen, aber diese Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) für dringend geboten erachtet.

Dieser Auffassung tritt der Beschwerdeführer mit der Behauptung entgegen, daß er gegen keinen einzigen der im Art. 8 Abs. 2 MRK gebotenen Grundsätze verstoßen oder in einen dieser Grundsätze eingegriffen habe.

Ausgehend von den - unbestritten gebliebenen - gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes ist die Beurteilung durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen. In den erfolgten Verurteilungen wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß § 169 Abs. 1 StGB, der Vergehen der gefährlichen Drohung gemäß §§ 107 Abs. 1 und der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zeigt sich die vom Beschwerdeführer ausgehende beträchtliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

Der Beschwerdeführer hält die Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG für rechtswidrig. Er sei seit 1988 im Bundesgebiet aufhältig und vollständig in die österreichische Gesellschaft integriert. Weiters sei er mit einer Österreicherin verheiratet und habe mit dieser gemeinsam ein 6 Monate altes Kind, sodaß sehr intensive familiäre Bindungen in Österreich bestünden. Der Eingriff in die familiäre Sphäre wiege auf jeden Fall schwerer, als jene Gründe, die zur Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes "geführt" haben.

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß sich an den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes insofern etwas wesentliches zu seinen Gunsten geändert habe, als er nunmehr für ein minderjähriges Kind sorgepflichtig sei. Die Beurteilung durch die belangte Behörde, daß die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht schwerer wögen als die dagegensprechenden öffentlichen Interessen begegnet aber keinem Bedenken. Durch die gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes hat sich nämlich auch die Lage der maßgeblichen öffentlichen Interessen wesentlich zu Ungunsten des Beschwerdeführers geändert. Die Auffassung der belangten Behörde, daß die dadurch berührten öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes höher zu werten seien, als die Auswirkungen der Aufrechterhaltung des Verbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie ist nicht rechtswidrig.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß der Beschwerdeführer in dem Recht auf Aufhebung des über ihn mit Bescheid vom 6. August 1986 verhängten Aufenthaltsverbotes nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180004.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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