TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/16 90/13/0134

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Veröffentlicht am 16.02.1994
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §307 Abs1;

Betreff

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Büsser, über die Beschwerde der S-GmbH in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 10. April 1990, Zl. GA 5-1772/5/90, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Vorschreibung von LSt im Haftungsweg und Vorschreibung von Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für FBH für den Zeitraum 1. Jänner 1978 bis 31. Dezember 1982, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH bezahlte aus Anlaß der Kündigung des Dienstverhältnisses ihrem Geschäftsführer H. eine Abfertigung in Höhe von S 175.392,-- und versteuerte diesen Betrag begünstigt gemäß § 67 EStG 1972. Bei einer (ersten) Lohnsteuerprüfung wurde diese Vorgangsweise nicht beanstandet. Im Gefolge einer weiteren abgabenbehördlichen Prüfung kam das Finanzamt jedoch zur Auffassung, die begünstigte Besteuerung sei nicht gerechtfertigt, da die Kündigung des Dienstvertrages per 30. September 1981 in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Übernahme von 80 % der Gesellschaftsanteile durch H. laut Abtretungsvertrag vom 24. März 1982 stehe.

Im wiederaufgenommenen Verfahren erging ein entsprechender Haftungs- und Zahlungsbescheid, der zu einer Lohnsteuernachforderung in Höhe von S 91.533,-- und zu einer Nachforderung von Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen von S 7.893,-- führte.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und bekämpfte die Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Begründung, es seien keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen. Die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheide blieben hingegen unangefochten. Dessenungeachtet sprach die Rechtsmittelbehörde im ersten Rechtsgang nicht nur über die Berechtigung zur Wiederaufnahme des Verfahrens, sondern auch über die angeführten Sachbescheide ab.

Mit Vorerkenntnis vom 24. Jänner 1990, 86/13/0146 hob der Verwaltungsgerichtshof diese Berufungsentscheidung daher insoweit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Da die Beschwerdeführerin lediglich gegen den Wiederaufnahmebescheid berufen habe, sei die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen, auch in der Sache selbst zu entscheiden.

In der Folge nahm die belangte Behörde diese - teilweise - Bescheidaufhebung zum Anlaß, das Verfahren fortzusetzen und mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid neuerlich über die Wiederaufnahme des Verfahrens abweislich zu entscheiden. Dagegen wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, daß die Abgabenbehörde zweiter Instanz aufgrund des zitierten Vorerkenntnisses vom 24. Jänner 1990 über die Berufung betreffend die Berechtigung zur Wiederaufnahme des Verfahrens neuerlich abzusprechen hatte. Diese Ansicht ist jedoch verfehlt. Im Vorerkenntnis hat der Gerichtshof nämlich wörtlich ausgeführt:

    "Da der Gerichtshof die Unzuständigkeit der belangten

Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides ... auch

dann wahrzunehmen hat, wenn diese Rechtswidrigkeit in der

Beschwerde nicht geltend gemacht wird, war der angefochtene

Bescheid insoweit als mit ihm eine Sachentscheidung getroffen

wurde ... aufzuheben.

Soweit hingegen der angefochtene Bescheid die Wiederaufnahme des Verfahrens selbst betrifft, war er der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen, weil dieser Bescheidinhalt weder ausdrücklich noch schlüssig Gegenstand des Beschwerdepunktes war."

Damit wurde klar zum Ausdruck gebracht, daß die im ersten Rechtsgang erlassene Berufungsentscheidung im Umfang ihres Abspruches über die Wiederaufnahme des Verfahrens mangels Anfechtung der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung entzogen und NICHT GEGENSTAND DER AUFHEBUNG war. Aufgehoben wurde die Berufungsentscheidung lediglich in dem die Sachbescheide betreffenden Teil, weil die Sachbescheide im Verwaltungsverfahren nicht mit Berufung bekämpft worden waren. Durch das Vorerkenntnis vom 24. Jänner 1990 ergab sich für die belangte Behörde demnach keine Verpflichtung, aber auch keine Berechtigung zur Erlassung eines Ersatzbescheides. Soweit im Beschwerdefall überhaupt eine Berufung vorgelegen hat (hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens), wurde darüber bereits im ersten Rechtsgang - vor dem Gerichtshof unangefochten - entschieden. Für einen neuerlichen Abspruch über diese Berufung war die Rechtsmittelbehörde nicht zuständig.

Wenn die belangte Behörde dessenungeachtet den angefochtenen Bescheid erlassen hat, ist sie erneut außerhalb ihrer Zuständigkeit tätig geworden. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG infolge Unzuständigkeit der Behörde - eine Rechtswidrigkeit, die von Amts wegen wahrzunehmen ist -, aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte nach § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Danach ist der obsiegenden Partei der Ersatz der notwendigen Stempelgebühren zuzusprechen; das sind gegenständlich S 120,-- für jede der drei Beschwerdeausfertigungen sowie S 60,-- an Beilagengebühr.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1990130134.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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