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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. Juni 1993, Zl. SD 201/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 6 FrG ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin durch die Vorlage eines gefälschten Sichtvermerkes bei der Einreise nach Österreich unrichtigerweise dargelegt, daß sie über eine gültige, von einer österreichischen Behörde ausgestellte Einreise- und Aufenthaltserlaubnis verfüge. Diesen gefälschten Sichtvermerk habe sie auch später in ihrem Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes vorgelegt. Die Beschwerdeführerin habe somit unrichtige Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse gemacht, um sich die Einreise und den weiteren Aufenthalt zu verschaffen. Im Berufungsverfahren habe die Beschwerdeführerin vergeblich versucht, die belangte Behörde davon zu überzeugen, daß sie davon nichts gewußt habe, daß der Sichtvermerk vom 4. November 1992 gefälscht sei. Dazu habe sie in der Berufung ausgeführt, sie habe sich bei der Botschaft um die Erlangung eines Sichtvermerkes angestellt. Von einem dort Beschäftigten seien ihr der Paß und die Dokumente abgenommen und ihr mitgeteilt worden, daß sie sich den Sichtvermerk abholen könne. Die Beschwerdeführerin habe aber übersehen, daß sie bei ihrer Einvernahme am 31. März 1993 vor der Bundespolizeidirektion Wien, als sie mit der Tatsache der Fälschung des Sichtvermerkes konfrontiert worden sei, angegeben habe, daß sie alle Formalitäten zur Erlangung des Sichtvermerkes einem bekannten Polizisten übergeben und dieser ihr den Sichtvermerk besorgt habe.
Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG sei daher erfüllt. Auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 leg. cit. lägen vor. Die Bestimmungen der §§ 19 und 20 leg. cit. stünden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Die Beschwerdeführerin befinde sich seit November 1992 in Österreich, drei ihrer Kinder lebten in England, zwei bei ihrem Lebensgefährten in Wien, der jedoch gleichzeitig mit einer anderen türkischen Staatsangehörigen verheiratet sei und mit dieser auch sieben Kinder habe. Selbst wenn man von einem Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin ausgehe, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bzw. eines geordneten Fremdenwesens sowie aus den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen dringend geboten. Dies zeige auch, daß die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen, als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von seiner Erlassung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, daß sie von der Fälschung des Sichtvermerkes keine Kenntnis gehabt habe, bekämpft sie die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diese hält aber der Überprüfung im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) stand:
Bei ihrer Einvernahme am 31. März 1993 gab die Beschwerdeführerin nach Vorhalt, daß es sich bei dem Sichtvermerk um eine Totalfälschung handle, an, daß sie "bezüglich der Erlangung des Sichtvermerkes alle Formalitäten einem bekannten Polizisten übergeben und dieser ihr den Sichtvermerk besorgt habe". In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung führte sie in diesem Zusammenhang aus, daß sie sich bei der österreichischen Botschaft in Ankara um die Erlangung eines Sichtvermerkes angestellt habe und ihr der Paß und die Dokumente von einem dort Beschäftigten abgenommen und ihr mitgeteilt worden sei, daß sie den Sichtvermerk abholen könne. Diesen widersprüchlichen Angaben hat die belangte Behörde zu Recht keinen Glauben geschenkt. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten beantragte die Beschwerdeführerin am 29. Juli 1992 bei der österreichischen Botschaft in Ankara die Erteilung eines Sichtvermerkes, der ihr versagt wurde. Darüber hinaus wurde von der Botschaft festgestellt, daß der Beschwerdeführerin in den Jahren 1991, 1992 und 1993 kein Sichtvermerk erteilt wurde. Wenn die belangte Behörde aufgrund dieser Umstände davon ausging, daß es sich um eine Fälschung des Sichtvermerkes handle und die Beschwerdeführerin, der ja der legale Weg zur Erlangung eines Sichtvermerkes bekannt war (siehe ihre - vergebliche - Antragstellung), davon gewußt habe, kann dies nicht als unschlüssig angesehen werden.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, selbst im Schreiben der österreichischen Botschaft in A vom 2. März 1993 an das Bundesministerium für Inneres werde nicht festgestellt, daß es sich um eine Totalfälschung handle, gibt den Wortlaut dieses Schreibens unrichtig wieder und verkennt den Sinnzusammenhang. In diesem Schreiben wird festgehalten, daß es sich bei dem angeblichen Sichtvermerk vom 4. November 1992 um eine Totalfälschung handeln dürfte. Diese Aussage ist im Zusammenhang mit der im Schreiben enthaltenen Mitteilung zu lesen, daß 1991, 1992 und 1993 der Beschwerdeführerin kein Sichtvermerk erteilt wurde, und stellt daher keine bloße Vermutung, sondern eine Schlußfolgerung dar.
Das Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin hätte nicht um einen Sichtvermerk in Österreich angesucht, wenn sie von der Fälschung gewußt hätte, vermag keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde darzutun, mußte doch die Beschwerdeführerin nicht mit einer Überprüfung des Zustandekommens des Sichtvermerkes durch die Behörde rechnen.
Die Beschwerdeführerin tritt der weiteren wesentlichen Sachverhaltsannahme - Vorlage dieses gefälschten Sichtvermerkes bei der Einreise nach Österreich - nicht entgegen. Bei dieser Sachlage stößt es auf keine Bedenken, wenn die belangte Behörde von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG ausging, diente doch dieser Sichtvermerk dazu, um sich die Einreise nach Österreich zu verschaffen. Die darauf gründende rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ordnung gefährde, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0129).
Mit Rücksicht auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, das Aufenthaltsverbot sei im Grunde des § 19 FrG zur Wahrung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Interessen (hier zum Schutz der öffentlichen Ordnung) dringend geboten.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist auch die von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet. Die Tatsache des Aufenthaltes des Lebensgefährten als auch zweier Kinder der Beschwerdeführerin in Österreich wurde von der belangten Behörde berücksichtigt. Bei der Interessenabwägung hat der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich außer Betracht zu bleiben.
Was die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes anlangt, ist sie darauf zu verweisen, daß nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0516) - unter Bedachtnahme auf § 21 Abs. 1 FrG - ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf in vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit zu erlassen ist, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Wenn sich die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht imstande sah, den Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes vor Verstreichen von zehn Jahren anzunehmen, so begegnet dies auf dem Boden der dargestellten Rechtslage keinem Einwand.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180377.X00Im RIS seit
20.11.2000