TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/1 93/18/0540

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Veröffentlicht am 01.06.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art20;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 1. September 1993, Zl. Fr 1712/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 1. September 1993 wurde der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 FrG ausgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 31. August 1991 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist. Am 1. September 1991 habe er einen Asylantrag gestellt und sei ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1968 erteilt worden. Das Asylverfahren sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. November 1992, dem Beschwerdeführer zugestellt am 27. November 1992, rechtskräftig negativ abgeschlossen worden. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung sei sohin erloschen. Der Beschwerdeführer sei weder im Besitz eines Reisedokumentes noch einer Aufenthaltsberechtigung. Er halte sich sohin rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Bei Erlassung der Ausweisung sei es unerheblich, ob der Beschwerdeführer vorübergehend beschäftigt gewesen sei oder nicht. Die Eltern und zwei Brüder des Beschwerdeführers hielten sich in ihrem Heimatland auf. Aufgrund des mehrmonatigen rechtswidrigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen.

Würde (unter anderem) durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen, so ist zufolge des § 19 ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 MRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Der Beschwerdeführer bringt vor, daß er zum Aufenthalt berechtigt sei, weil er trotz "illegaler Einreise" jenem Personenkreis zuzurechnen sei, die per Weisung des der belangten Behörde übergeordneten Bundesministers für Inneres vom 25. Juli 1993 Aufenthalt bekommen können sollen. Da die belangte Behörde den Erlaß des Bundesministers für Inneres nicht befolgt habe, habe sie rechtswidrig gehandelt.

Dieses Vorbringen ist schon deswegen unbeachtlich, weil der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht an einer (nicht befolgten) Weisung zu messen hat, auf deren Befolgung den Parteien kein subjektives Recht zusteht (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 568 zitierte hg. Rechtsprechung). Der Beschwerdeführer tritt der Auffassung der belangten Behörde, daß er nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (ergänze gemäß § 15 Abs. 1 FrG) sei, nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer bestreitet die Zulässigkeit der Ausweisung mit der Behauptung, daß damit ein Eingriff in sein Privatleben vorgenommen werde. Dies ergebe sich schon daraus, daß er sich seit 31. August 1991 - also seit über zwei Jahren - im Bundesgebiet aufhalte. Auf die "näheren familiären Bindungen" allein komme es entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht an.

Dieses Vorbringen kann die Beschwerde nicht zum Erfolg führen. Die belangte Behörde hat - zutreffend und von der Beschwerde auch nicht in Zweifel gezogen - einen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers verneint und

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offensichtlich von einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ausgehend - die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele für dringend geboten erachtet. Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, daß eine Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nicht nur bei einem Eingriff in das Familienleben des Fremden, sondern auch nur bei einem Eingriff in sein Privatleben geboten ist. Entgegen seiner offensichtlichen Auffassung ist jedoch nicht jeder Eingriff schlechthin von § 19 FrG erfaßt. Die Prüfung der Zulässigkeit einer solchen Maßnahme ist nur dann geboten, wenn ein nicht unerheblicher Eingriff vorliegt. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Dauer seines bisherigen Aufenthaltes läßt jedoch keinen relevanten Eingriff in sein Privatleben im Sinne des § 19 FrG erkennen. Der Beschwerdeführer erreichte den

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rechtmäßigen - Aufenthalt vom 31. August 1991 (illegale Einreise) bis 27. November 1992 (Ende des Asylverfahrens) nur durch die Stellung eines unberechtigten Asylantrages. Der Aufenthalt ab diesem Zeitpunkt bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides (rund 10 Monate) war unrechtmäßig. Unter diesen Umständen kann von einem relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden. Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0251).

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinRechtswidrigkeit von Bescheiden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993180540.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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