TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/21 94/20/0333

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.06.1994
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. November 1993, Zl. 4.323.821/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, der am 1. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Dezember 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 25. November 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 3. Oktober 1991 angegeben, in seiner Heimatprovinz Bingöl kämpften kurdische Freischärler gegen türkische Regierungstruppen. Der Beschwerdeführer habe den Sommer über in seinem Dorf als Bauer verbracht, während er im Winter in der südwesttürkischen Stadt Marmaris ohne Probleme gearbeitet habe. Im Jahre 1987 habe ihn die Gendarmerie aufgefordert, den Posten eines Dorfhüters zu übernehmen, wozu er aber wegen der Gefährlichkeit dieser Funktion und, weil er nicht gegen seine eigenen Leute habe kämpfen wollen, nicht bereit gewesen sei. Er sei aus diesem Grund zweimal festgenommen, geschlagen - ohne daß davon Spuren verblieben wären - und nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden. Seine Frau und seine Kinder hätten es schwer, weil sie im Dorf ständig Mißhandlungen seitens der Soldaten ausgesetzt seien. Im Jahr 1981 sei der Beschwerdeführer noch als Schüler von der Polizei durchsucht worden, wobei in einer Tasche ein Flugblatt der Separatisten gefunden worden sei, ohne daß der Beschwerdeführer gewußt habe, wie dieses dorthin gekommen sei. Er sei daraufhin für zwei Wochen inhaftiert und während dieser Zeit auch geschlagen worden. Nach seiner Entlassung aus der Haft habe er erfahren, daß er wegen staatsfeindlicher Betätigung aus der Schule entlassen worden sei.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer seine erstinstanzlichen Angaben bekräftigt und ergänzend ausgeführt, im Sommer, wenn er im Dorf arbeite, gebe es stets Probleme. Immer, wenn PKK-Kämpfer in der Nähe des Dorfes gewesen seien, sei die Dorfbevölkerung vom Militär zusammengetrieben, verhört und geschlagen worden. Der Beschwerdeführer habe der PKK zwar nicht offiziell angehört, habe sie aber mit Brot und Wasser unterstützt. Auf Grund seiner Weigerung, der Dorfmiliz anzugehören, sei der Beschwerdeführer als PKK-Angehöriger angesehen worden. Da er den Druck und die ständige Gefahr der Festnahme bzw. Inhaftierung nicht mehr ausgehalten und sich vor noch stärkerer Verfolgung gefürchtet habe, habe er sich zur Flucht entschlossen. Der Beschwerdeführer habe auch sein Entlassungszeugnis aus der Mittelschule und ein Urteil vorgelegt, in dem er aus Mangel an Beweisen von der Anklage des "Lobens des Kommunismus" freigesprochen worden sei. In einem ergänzenden Schreiben vom 21. Juni 1993 habe der Beschwerdeführer unter nochmaliger Vorlage der angeführten Beweismittel seine bisherigen Angaben bestätigt und erklärt, seine Furcht vor Verfolgung sei nicht in der politischen Situation, einer allgemeinen Furcht bzw. einem allgemeinen Mißtrauen, im Sprachverbot oder in den Beschränkungen der Religionsausübung zu sehen, sondern in der konkreten Furcht, weitere Male und in schwerwiegender Weise durch türkische Behörden in der Freiheit und körperlichen Integrität verletzt zu werden.

Die belangte Behörde hat das Vorliegen von Gründen im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) zunächst mit der Begründung verneint, daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Vorkommnisse zu weit zurücklägen. Hiebei ist der belangten Behörde zuzustimmen, wenn sie die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände im Zusammenhang mit seiner Schulzeit (1981) für eine daraus auch noch im Zeitpunkt seiner Ausreise (1991) abzuleitende begründete Furcht vor Verfolgung als zeitlich zu weit zurückliegend erachtet hat (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0259). Aber auch die dargelegten Ereignisse in den Jahren 1986 und 1987 im Zusammenhang mit der Weigerung des Beschwerdeführers, Dorfhüter zu werden, hat die belangte Behörde zutreffend im Sinne der zitierten Judikatur als zeitlich zu weit zurückliegend erachtet.

Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund der Darlegungen des Beschwerdeführers über seinen unproblematischen Aufenthalt während der Wintermonate in der Stadt Marmaris zu der Auffassung gelangt ist, daß der Beschwerdeführer dort keine Verfolgung zu befürchten und somit für ihn eine inländische Fluchtalternative bestanden habe. Diese durch die unwidersprochen gebliebene Darstellung des erstinstanzlichen Vorbringens des Beschwerdeführers gedeckte Schlußfolgerung der belangten Behörde steht in Übereinstimmung mit der hg. Rechtssprechung, derzufolge grundsätzlich die Verfolgung bzw. die objektiv begründete Furcht vor einer solchen im gesamten Staatsgebiet eines Asylwerbers bestanden haben muß (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0930, vom 10. März 1994, Zl. 93/01/0079, und vom 21. April 1993, Zl. 92/01/0956).

Soweit der Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde ausführt, seine Furcht vor Verfolgung sei insbesondere deshalb begründet, weil er in den Augen der Behörden als PKK-Sympathisant gelte und weil - Medienberichten zufolge - Repressalien gegen "Mitglieder/Sympathisanten der PKK" in letzter Zeit erheblich zunähmen, macht er mit diesem Vorbringen lediglich allgemeine Umstände geltend, die nicht auf eine ihm konkret drohende individuelle Verfolgung schließen lassen.

Wenn der Beschwerdeführer das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative deshalb bestreitet, weil er gezwungen sei, im Sommer in seinem Heimatdorf als Bauer zu arbeiten, so ist ihm entgegenzuhalten, daß die Unmöglichkeit, an einem Ort im Inland, wo sich ein Asylwerber nach seinen eigenen Angaben problemlos aufhalten kann, einen bestimmten Beruf auzuüben, nicht geeignet ist, die dort anzunehmende Verfolgungssicherheit in Zweifel zu ziehen.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und somit auch ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994200333.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten