TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/21 94/18/0336

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Veröffentlicht am 21.07.1994
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z2;
AsylG 1991 §7 Abs4;
FrG 1993 §15 Abs1 Z3;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §7 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. April 1994, Zl. SD 348/94, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. April 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, am 8. August 1991 sei ein Mann im Flüchtlingslager Traiskirchen erschienen, der sich als der am 13. Oktober 1964 geborene nigerianische Staatsangehörige U ausgegeben und einen Asylantrag gestellt habe. Er habe hierauf eine Bescheinigung darüber ausgestellt erhalten, daß er bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens zum (vorläufigen) Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. In der Folge habe das Feststellungsverfahren betreffend seine Flüchtlingseigenschaft nicht durchgeführt werden können, weil sich der Antragsteller nicht weiter um seinen Antrag gekümmert habe. Am 24. Juni 1992 sei ein Mann im genannten Flüchtlingslager erschienen, der sich als nigerianischer Staatsbürger mit dem Namen und Geburtsdatum des Beschwerdeführers bezeichnet habe. Er habe einen Asylantrag gestellt und eine Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung erhalten. Da er keine Nachweise über seine Identität erbracht habe, sei er nicht in die Bundesbetreuung aufgenommen worden. Um die Aufnahme zu erlangen, habe sich der Genannte in der Folge einen auf diesen Namen lautenden gefälschten nigerianischen Führerschein verschafft. Als er den Führerschein im Juni vorgelegt habe, sei die Fälschung entdeckt worden. Auf Grund dieser Tat sei er wegen Gebrauches einer gefälschten Urkunde verurteilt worden. Der Antrag auf Asylgewährung sei abgewiesen worden, weil der Antragsteller seine Wohnadresse der Behörde nicht bekanntgegeben habe und auch eine Ladung an der von der Behörde festgestellten Meldeadresse erfolglos geblieben sei. Nunmehr sei auf Grund identischer Fingerabdrücke festgestellt worden, daß beide Anträge von ein und derselben Person gestellt worden seien. Der Beschwerdeführer habe somit unter seinem nunmehr verwendeten Namen und auch im Jahre 1991 unter falschem Namen Asylanträge gestellt.

Der Beschwerdeführer habe die Asylanträge gestellt, um sich eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen und habe auch tatsächlich eine Bescheinigung über die "vorläufige Asylberechtigung" erhalten. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG sei daher erfüllt. Das Verhalten des Beschwerdeführers verstoße gegen die elementarsten für ein geordnetes Fremdenwesen geltenden Vorschriften. Sein Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung.

Angesichts der Tatsache, daß der Beschwerdeführer mit einer positiven Erledigung seines Asylantrages (seiner Asylanträge) nicht habe rechnen können und auch den befristeten Sichtvermerk nur auf Grund seiner Angabe "political asylum" beantragt und erhalten habe, habe er mit einer weiteren Aufenthaltsberechtigung nicht rechnen dürfen. Die kurz vor Ablauf des befristeten Sichtvermerkes mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe sei unter diesem Risiko geschlossen worden. Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, insbesondere zur Verteidigung der Ordnung, dringend geboten. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich der Beschwerdeführer auch nach der Eheschließung nicht um eine legale Beschäftigung bemüht habe, sondern weiterhin zugegebenermaßen gelegentlich der Schwarzarbeit nachgegangen sei, wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die durch die Eheschließung geschaffene Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG sei durch sein von der belangten Behörde als erwiesen angenommenes Verhalten erfüllt. Sowohl im August 1991 als auch im Juni 1992 seien ihm lediglich Bescheinigungen über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung während des Asylverfahrens ausgestellt worden, eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz sei ihm jedoch in keinem der beiden Fälle zugekommen.

1.2. Nach § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 zu verschaffen.

Nach § 15 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt. Nach § 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 umfaßt der durch Asyl gewährte Schutz insbesondere das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet.

Gemäß § 3 leg. cit. wird Asyl auf Antrag des Asylwerbers gewährt.

1.3. Im Hinblick auf diese Rechtslage ist davon auszugehen, daß mit einem Asylantrag der Zweck verbunden ist, sich die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 FrG zu verschaffen. Bewußt wahrheitswidrige Angaben in diesem Zusammenhang erfüllen somit den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. Ob das angestrebte Ziel tatsächlich erreicht wird, ist nicht entscheidend.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der am 24. Juni 1992, somit bereits nach Inkrafttreten des Asylgesetzes 1991 gestellte Antrag der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung nach diesem Gesetz gedient hat. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang einen gefälschten nigerianischen Führerschein vorgelegt und verschwiegen, daß er bereits knapp ein Jahr zuvor unter einem anderen Namen einen Asylantrag gestellt hat. Er hat damit jedenfalls unrichtige Angaben über den Zeitpunkt seiner Einreise in das Bundesgebiet gemacht (und dadurch auch die Ausstellung einer Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 4 Asylgesetz 1991 erreicht). Die Auffassung der belangten Behörde, der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG sei erfüllt, kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Auf Grund dieses Verhaltens und unter Berücksichtigung der Verwendung eines falschen Namens bei der im Jahre 1991 erfolgten Stellung eines Asylantrages ist die Annahme der belangten Behörde, der Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung, namentlich auf dem Gebiet des Fremdenwesens, gerechtfertigt. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, der am 8. September 1992 erfolgten Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten wegen Verwendung einer gefälschten Urkunde liege "ein Vorfall während des Asylverfahrens zugrunde, der aus den besonderen Umständen des Asylverfahrens erklärbar ist", vermag er damit - abgesehen davon, daß diese Verurteilung rechtskräftig ist - keine Umstände aufzuzeigen, die die Verwendung eines gefälschten Führerscheines rechtfertigen oder entschuldigen könnten. Den Ausführungen des Beschwerdeführers, daß die gegen ihn anhängigen Strafverfahren wegen Verdachtes von Übertretungen nach dem Suchtgiftgesetz noch nicht rechtskräftig abgeschlossen seien, ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde die Rechtfertigung der im § 18 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme auf diese Strafverfahren nicht gestützt hat.

3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn gemäß § 19 FrG zulässig, weil diese Maßnahme in Fällen wie den vorliegenden zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, namentlich zum Schutz der öffentlichen Ordnung (im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens), dringend geboten ist. In diesem Zusammenhang war zu berücksichtigen, daß sich der Beschwerdeführer bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides ca. ein Jahr lang (nämlich seit 1. Mai 1993) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und ihm - nach seinem Vorbringen - auch während der Dauer der Asylverfahren keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen ist. Mit seiner Behauptung, am 6. Mai 1993 um "Verlängerung" des Sichtvermerkes angesucht zu haben, vermag er nicht die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes darzutun, weil die Antragstellung die erforderliche behördliche Bewilligung nicht ersetzen kann.

4. Selbst im Falle des Zutreffens der Beschwerdebehauptung, daß der Beschwerdeführer nach der Eheschließung eine "ordentliche Beschäftigung" aufgenommen habe und seit 4. Juni 1993 "nahezu ununterbrochen ordentlich beschäftigt war", würden im Hinblick auf das große Gewicht der hier maßgebenden öffentlichen Interessen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Es kann daher dahinstehen, ob die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe sich auch nach der Eheschließung nicht um eine "legale Beschäftigung" bemüht, auf einem mängelfreien Verfahren beruht.

Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet fällt im Hinblick auf seine Kürze und seine zum Teil mangelnde Erlaubtheit nicht entscheidend zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht. Gleiches gilt für die erst kurz vor dem Ende des erlaubten Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet erfolgte Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0173, mwN).

5. Soweit der Beschwerdeführer die Begründung des angefochtenen Bescheides für mangelhaft hält, weil seine Berufung Argumente enthalten habe, von denen nicht von vornherein erkennbar sei, daß sie unzutreffend seien oder an der Sache vorbeigingen, ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen, welche in der Berufung geltend gemachten Argumente im angefochtenen Bescheid unberücksichtigt geblieben sein sollen und inwiefern die belangte Behörde bei Vermeidung des behaupteten Begründungsmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Verfahrensrüge ist daher insoweit nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt.

6. Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180336.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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