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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. Juni 1993, ohne Zahl, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der belangten Behörde) vom 22. Juni 1993 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer jugoslawischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin letztmalig am 1. Juni 1992 sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist sei. Sie sei schon vorher im Bundesgebiet sichtvermerksfrei bzw. ohne den erforderlichen Sichtvermerk aufhältig und polizeilich gemeldet gewesen. Die Beschwerdeführerin sei am 11. Juni 1990 und am 24. Jänner 1991 jeweils von einem Bezirksgericht wegen §§ 15, 127 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Bereits am 18. Juni 1990 sei sie von der belangten Behörde rechtskräftig bestraft worden, weil sie sich vom 5. März 1990 bis 12. Juli 1990 ohne den erforderlichen Sichtvermerk im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dieser Sachverhalt sei der Beschwerdeführerin bei der niederschriftlichen Einvernahme am 27. Oktober 1992 zu ihrem Antrag vom 11. Juni 1992 auf Erteilung eines Sichtvermerkes zur Kenntnis gebracht und sei ihr eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme eingeräumt worden. Erst im Februar 1993 habe die Beschwerdeführerin eine Heiratsurkunde vorgelegt, wonach sie am 15. Februar 1993 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet habe. Die belangte Behörde sei nach Abwägung der öffentlichen Interessen mit den Privatinteressen der Beschwerdeführerin zum Schluß gekommen, daß die öffentlichen Interessen schwerer zu werten wären als die kurzfristigen Privatinteressen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde nach Ablehnung von deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 27. September 1993, B 1200/93).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Erteilung eines Sichtvermerkes verletzt und begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz FrG kann ein Sichtvermerk einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern ein gültiges Reisedokument vorliegt und kein Versagungsgrund gemäß § 10 gegeben ist.
Gemäß § 10 Abs. 1 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde (Z. 4), wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll (Z. 6).
Gemäß § 10 Abs. 3 FrG kann die Behörde einem Fremden trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2 oder 3 oder gemäß Abs. 2 einen Sichtvermerk erteilen,
1. in besonders berücksichtigungwürdigen Fällen aus humanitären Gründen oder
2. wenn aufgrund der Verpflichtungserkärung einer Person mit ordentlichem Wohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, gesichert erscheint.
Die Beschwerdeführerin verweist auf die Möglichkeit, gemäß § 10 Abs. 3 FrG trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes einen Sichtvermerk zu erteilen. Die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, daß die Beschwerdeführerin einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehegatten habe, zusätzlich aufgrund eigener beruflicher Tätigkeit über ausreichendes eigenes Arbeitseinkommen verfüge und auch nach den Bestimmungen des ASVG pflichtversichert sei. Sie übersehe nicht, daß § 10 Abs. 3 ausdrücklich die Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 und 3 sowie Abs. 2 FrG zitiere; diese Differenzierung (Ausschluß der anderen Versagungsgründe des § 10 Abs. 1 FrG) erachte sie jedoch für sachlich nicht gerechtfertigt.
Soweit die Beschwerdeführerin damit die Sachwidrigkeit des § 10 Abs. 3 FrG behauptet, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu einer Antragstellung im Sinne des Art. 140 Abs. 1 B-VG nicht veranlaßt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0569). Im übrigen war diese Behauptung bereits in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde enthalten und hat dieser keinen Grund für die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gefunden. Weitere Argumente wurden diesbezüglich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgebracht.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin am 1. Juni 1992 sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist ist und sich seither im Bundesgebiet aufhält. Da der von der Beschwerdeführerin angestrebte Sichtvermerk somit nach dieser sichtvermerksfreien Einreise erteilt werden soll, ist der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall FrG verwirklicht, bei dem eine Bedachtnahme auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkswerbers nicht in Betracht kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0408). Schon aus diesem Grunde erfolgte die Versagung des Sichtvermerkes jedenfalls zu Recht. Aus diesem Grund war auf den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und das von der Beschwerdeführerin dazu erstattete Vorbringen nicht weiter einzugehen.
Der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe kein Parteiengehör gewährt, ist im Hinblick auf die anläßlich der Einvernahme am 27. Oktober 1992 eingeräumten Frist zur Stellungnahme aktenwidrig.
Die Beschwerdeführerin vertritt schließlich die Auffassung, das Fremdengesetz sei auf sie nicht anwendbar, weil sie sich bereits vor dem Wirksamwerden dieses Gesetz im Bundesgebiet aufgehalten habe.
Diese Auffassung ist verfehlt. Mangels anders lautender Übergangsvorschriften hatte die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die Bestimmungen des FrG anzuwenden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0242).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180558.X00Im RIS seit
11.07.2001