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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, hinsichtlich der J, vertreten durch Dr. R, RA in N, über deren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den VwGH gegen den Bescheid der BH Neusiedl am See vom 30. August 1993, Zl. XI-V-24/2-1993, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes
Spruch
den Beschluß gefaßt:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid (hg. Zl. 94/18/0041) wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 30. August 1993 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer ungarischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Sichtvermerkes vom 3. März 1993 gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, mangels örtlicher Zuständigkeit zurückgewiesen.
Der Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, daß gegen ihn binnen zwei Wochen ab Zustellung Berufung an die Sicherheitsdirektion für das Burgenland erhoben werden könne.
2. Die von der Beschwerdeführerin entsprechend dieser Rechtsmittelbelehrung erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 28. Dezember 1993 gemäß § 63 Abs. 1 iVm § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 13. Jänner 1994 zugestellt.
3. Mit dem am 25. Jänner 1994 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den unter
1. genannten Bescheid und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen diesen Bescheid.
4. Der Wiedereinsetzungsantrag ist rechtzeitig (§ 46 Abs. 3 VwGG); er ist auch begründet.
Gemäß § 46 Abs. 2 VwGG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Frage, ob das Rechtsmittel fälschlich eingeräumt wurde, ob also mit dem anzufechtenden Bescheid der Rechtszug bereits ausgeschöpft war, ohne Bindung an die im zurückweisenden Bescheid ausgesprochene Rechtsmeinung zu prüfen (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0071, mwN).
Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See wies mit ihrem Bescheid vom 30. August 1993 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 67 Abs. 1 FrG mangels örtlicher Zuständigkeit zurück. Nach § 70 Abs. 2 leg. cit. ist (u.a.) gegen die Versagung eines Sichtvermerkes eine Berufung nicht zulässig. Verfahrensrechtliche Bescheide, wie der vorgenannte, unterliegen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich des Instanzenzuges - mangels abweichender gesetzlicher Anordnung (was hier der Fall ist) - denselben Vorschriften, die für den Instanzenzug in der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Verwaltungsangelegenheit (der "Sache") maßgebend sind (vgl. etwa die bei RINGHOFER, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, auf S. 589 unter E 28. bis 31. zitierten Entscheidungen). Da somit der den Ausschluß eines Instanzenzuges normierende § 70 Abs. 2 FrG auch für den Zurückweisungsbescheid vom 30. August 1993 zu beachten war, erweist sich die ihm beigegebene Rechtsmittelbelehrung als unrichtig.
5. Da im vorliegenden Fall die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel einräumte und die Partei das Rechtsmittel ergriff, war dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 Abs. 2 VwGG Folge zu geben.
II. Zur Beschwerde
1. Der den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Sichtvermerkes mangels örtlicher Zuständigkeit zurückweisende Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (der belangten Behörde) vom 30. August 1993 wurde damit begündet, daß die Beschwerdeführerin ihren eigenen Angaben zufolge weder Wohnsitz noch Aufenthalt im Inland habe.
2. In der dagegen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde bleibt unbestritten, daß die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keinen Wohnsitz im Inland hatte. Damit kam der Tatbestand des § 67 Abs. 1 erster Fall FrG zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit der belangten Behörde nicht in Betracht. Gleiches gilt aber auch für den Tatbestand des § 67 Abs. 1 zweiter Fall leg. cit. Da die Beschwerdeführerin nach dem ausdrücklichen Vorbringen im Verwaltungsverfahren (vgl. die "Stellungnahme und nähere Ausführung zu den Anträgen um Erteilung eines Sichtvermerkes" vom 3. Juni 1993) sich zum Zeitpunkt der Antragstellung (Einbringung des Antrages) nicht in Österreich aufgehalten hat, durfte die belangte Behörde davon ausgehen, daß die Beschwerdeführerin zu dem für die Verwirklichung dieses Zuständigkeitstatbestandes maßgebenden Zeitpunkt des Einlangens des Sichtvermerksantrages bei ihr auch keinen Aufenthalt im Inland hatte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zlen. 94/18/0114 - 0120).
3. Auf dieses Erkenntnis wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auch zur Entkräftung des auf § 3 AVG bezughabenden Beschwerdevorbringens verwiesen.
Was den Beschwerdevorwurf anlangt, die belangte Behörde übersehe, "daß das Fremdengesetz keine Bestimmung kennt, daß ein Antrag auf erstmalige Erteilung eines Sichtvermerkes nur vor der österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland gestellt werden dürfte", so geht dieser Einwand ins Leere, weil dem bekämpften Bescheid eine derartige Rechtsansicht nicht zugrunde lag (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis, Zlen. 94/18/0114 - 0120).
4. Da sich nach dem Gesagten die Zurückweisung des Sichtvermerksantrages wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangte Behörde nicht als rechtswidrig erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
örtliche ZuständigkeitBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter VerfahrensanordnungenInstanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und MutwillensstrafenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180040.X00Im RIS seit
25.01.2001Zuletzt aktualisiert am
23.04.2009