TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/20 93/06/0236

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Veröffentlicht am 20.10.1994
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;

Norm

BauO Stmk 1968 §4 Abs1;
BauRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/06/0237

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerden

1.) des KD und 2.) der BD, beide in G und beide vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Gemeinderats der Stadt Graz vom 7. Oktober 1993, Zl. A 17-K-9.648/1993-8, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: M in G, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Graz hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit einem beim Magistrat der Stadt Graz am 11. September 1992 eingelangten Ansuchen beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer Baubewilligung für den Umbau eines bestehenden Objektes auf den Grundstücken Nr. 393, 394, 401, EZ 1728, mit der Adresse K-Straße 67. Die Beschwerdeführer sind Hälfteeigentümer einer Eigentumswohnung auf dem den genannten Grundstücken benachbarten Grundstück 400/1 mit der Adresse J-Gasse 6.

Der Antrag richtete sich u.a. auf einen Umbau des dreigeschoßigen bestehenden Gebäudes durch Änderung der Dachneigung des Satteldaches und Ausbau eines Dachgeschoßes und einer Galerie.

Aufgrund der Ladung zur mündlichen Verhandlung im Widmungs- und Baubewilligungsverfahren für das Projekt des Mitbeteiligten erhoben die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Februar 1993 rechtzeitig Einwendungen gegen das Vorhaben. Darin wurde ausgeführt, daß der nach § 4 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung erforderliche Mindestabstand von Gebäuden untereinander an einer in einem beigelegten Beiblatt ersichtlich gemachten Stelle nicht eingehalten werde.

Das bestehende Gebäude solle in fünf Geschoßen ausgebaut werden, davon träten an der dem Nachbargrundstück zugewandten südwestlichen Giebelfassade alle fünf Geschoße in Form eines aufgehenden Mauerwerkes in Erscheinung. Der bauordnungsgemäße Mindestabstand vom südwestlich gelegenen Nachbargebäude, J-Gasse 6, müsse daher 17 m betragen. Der tatsächliche Abstand betrage jedoch nach den dem Bewilligungsansuchen beigefügten Plänen lediglich 13,80 m.

Mit Bescheid vom 28. Juli 1993 wurde dem Mitbeteiligten der beantragte Umbau (hinsichtlich Geschoßzahl und Situierung des Gebäudes antragsgemäß) bewilligt. Aufgrund der Berufung der Beschwerdeführer erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem der Berufung keine Folge gegeben wurde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Berechnung des Seitenabstandes die jeweils der Grundgrenze nächstliegende Außenwand des Gebäudes maßgebend sei. Die Außenwand werde in vertikaler Richtung einerseits durch das Gelände und andererseits durch die Dachtraufe begrenzt. Beim geplanten Projekt blieben sowohl die Traufenhöhen auf beiden Traufenseiten als auch die Geschoßanzahl im Altbestand unverändert. Durch die Anhebung der Dachneigung auf 42 Grad komme es allerdings zu einer seitlichen Erhöhung der Fronten, wobei sowohl die Anhebung der Dachneigung als auch die Erhöhung der Giebelfronten den Ausbau des Dachgeschoßes erst ermöglichten.

Die Steiermärkische Bauordnung enthalte keine Begriffsbestimmung, was unter einem Geschoß zu verstehen sei, und unterscheide insbesondere nicht zwischen Vollgeschoßen und einem Dachgeschoß. Gemäß § 1 Abs. 3 der Steiermärkischen Bebauungsdichteverordnung 1993 gelte als Geschoß unter anderem der Gebäudeabschnitt zwischen Fußboden und der obersten Decke oder der Unterfläche des Daches, soferne eine bewilligungsfähige Raumhöhe vorliege. Insoferne sei auch ein Dachgeschoß als Geschoß im Sinne der Steiermärkischen Bebauungsdichteverordnung anzusehen. Eine Gebäudefront finde ihre vertikale obere Abgrenzung an der Längsseite eines Gebäudes durch die Dachtraufe und bei Ausbildung eines Satteldaches an den Giebelseiten durch den Dachsaum. Der genehmigte Altbestand sei so situiert, daß er zu dem Stiegenhaus des achtgeschoßigen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück, welches 1,2 m von der Gebäudefront vorspringe, 13,80 m entfernt sei, wobei sowohl die Giebelseite als schmälere Außenwand als auch die Außenwand der Längsseite des Gebäudes zum Nachbargebäude in Erscheinung träten. Zu dem 1,2 m vorspringenden und 5 m langen Stiegenhaus des achtgeschoßigen Gebäudes träte die Längsseite des Altbestandes über einen Bereich von 4,0 m dreigeschoßig und die Giebelseite lediglich über einen Bereich von 1,0 m in Erscheinung, gemessen am Punkt der kürzesten Entfernung der beiden Gebäude untereinander von 13,80 m. Es sei daher die Längsseite des Altbestandes als die der Nachbargrundgrenze nächstliegende Außenwand des Gebäudes anzusehen. Es handle sich diesbezüglich um einen bewilligten Altbestand, in dem die Geschoßanzahl unverändert bleibe und der bezüglich der Abstände einer neuerlichen Prüfung entzogen sei. Für den Seitenabstand komme es grundsätzlich nur auf die Verhältnisse an der dem Nachbarn jeweils zugekehrten Gebäudefront an.

Gegen diesen Bescheid richten sich die zu den Zlen. 93/06/0236 und 93/06/0237 protokollierten Beschwerden des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin. Es wird darin - zusammengefaßt - die Verletzung des den Beschwerdeführern aus § 4 der Steiermärkischen Bauordnung erwachsenden Rechts auf Einhaltung der im § 4 der Steiermärkischen Bauordnung genannten Abstände von Gebäuden zueinander und auf Einhaltung des sich aus § 4 Steiermärkische Bauordnung ergebenden Seitenabstandes des verfahrensgegenständlichen Gebäudes von der Grundgrenze geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und hat über beide Beschwerden erwogen:

§ 4 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 43/1992 sowie die Kundmachung LGBl. Nr. 54/1992, lautet:

"(1) Gebäude müssen entweder unmittelbar aneinander gebaut werden oder voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinander gebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt. Eine Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrundgrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, als die Anzahl der Geschoße, vermehrt um 2, ergibt. Bei Gebäuden ohne die übliche Geschoßeinteilung errechnet sich die Geschoßanzahl aus der Gebäudehöhe in Metern, geteilt durch 3."

Gemäß dieser Bestimmung hängt somit der nach dem Gesetz erforderliche Abstand zwischen Gebäuden von der Geschoßanzahl (beider Gebäude) ab.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid insbesondere auf die Auffassung gestützt, daß bei der Situierung von Gebäuden zueinander wie im Beschwerdefall eine Gebäudefront zu ermitteln sei, welche für die Berechnung des Seitenabstandes heranzuziehen ist.

Wenngleich es zutrifft, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Nachbarn stets nur einen Anspruch auf Einhaltung des Seitenabstandes zu der ihnen zugekehrten Front haben, kann im Beschwerdefall, in welchem die beiden Gebäude in einem Winkel von ca. 48 Grad zueinander stehen, nicht davon ausgegangen werden, daß eine Gebäudefront "hauptsächlich" dem Gebäude der Beschwerdeführer zugekehrt sei.

Daraus folgt aber, daß - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht nur die Traufenseite des Gebäudes des Mitbeteiligten, sondern auch die Giebelseite für die Frage des Seitenabstandes maßgeblich ist.

Auch wenn man somit die Auffassung der belangten Behörde teilt, daß § 4 Steiermärkische Bauordnung bei der Berechnung des Seitenabstandes die Annahme unterschiedlicher Geschoßanzahlen zulasse, je nachdem, von welcher Gebäudefront man ausgehe, hat es die belangte Behörde - ausgehend von ihrer verfehlten Rechtsansicht - unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, in welchem Abstand sich die Giebelseite des Gebäudes des Mitbeteiligten, an der sich das Projekt jedenfalls als fünfgeschoßig darstellt, vom Gebäude der Beschwerdeführer befindet und ob bei Berücksichtigung der Giebelseite der erforderliche Seitenabstand eingehalten ist.

Aus dem dem Antrag der Beschwerdeführer angeschlossenen Lageplan ist im Hinblick auf offenbare Ungenauigkeiten hinsichtlich des Maßstabes (die im angefochtenen Bescheid mit 13,80 m angegebene Entfernung zwischen dem Stiegenhaus des Gebäudes der Beschwerdeführer und der Hausecke des Gebäudes des Mitbeteiligten wäre nach dem vorgelegten Lageplan 15 m) nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß für den gegenüber der Giebelseite maßgeblichen Abstand nicht das vorspringende Stiegenhaus heranzuziehen sein wird - der Abstand zwischen den Gebäuden die im Falle eines fünfgeschoßigen Gebäudes erforderlichen 17 m erreicht oder nicht.

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren diesbezügliche Feststellungen zu treffen haben, wobei aufgrund des Umstandes, daß im Hinblick auf die Dachneigung nicht unmittelbar an der Hausecke von einem fünfgeschoßigen Gebäude auch an der Giebelfront auszugehen ist, zu ermitteln sein wird, ab welchem Punkt der Giebelfront im Dachgeschoß die für ein Geschoß erforderliche Höhe erreicht wird, sodaß ab diesem Punkt von einem viergeschoßigen Gebäude auszugehen ist, und ab welchem Punkt die Galerie die für ein Vollgeschoß erforderliche Höhe erreicht. Ab diesen beiden Punkten hat der Abstand zum Gebäude der Beschwerdeführer 15 bzw. 17 m zu betragen.

Da die belangte Behörde im Hinblick auf die von ihr zugrunde gelegte Rechtsansicht diese Ermittlungen unterlassen hat, hat sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 53 Abs. 1 und 2 VwGG. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft einerseits das Kostenbegehren der Zweitbeschwerdeführerin (deren Beschwerde die höhere Geschäftszahl des Verwaltungsgerichtshofes trägt), da die gegen denselben Bescheid gerichteten Beschwerden vom selben Rechtsanwalt unterschrieben sind, andererseits die neben dem Schriftsatzaufwand beantragte Umsatzsteuer, da die Pauschalsätze der Verordnung des Bundeskanzlers

BGBl. Nr. 416/1994 bereits die Umsatzsteuer enthalten, und weiters den angesprochenen, aber nicht näher belegten Aufwand für Barauslagen, soweit er den für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung und aufgrund des VwGG erforderlichen Stempelaufwand übersteigt. Mit der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über die Anträge, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993060236.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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