TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/22 94/04/0210

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Veröffentlicht am 22.11.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
95/08 Sonstige Angelegenheiten der Technik;

Norm

B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
IngG 1990 §4 Abs1 Z1 lita;
IngG 1990 §4 Abs1 Z1 litb;
StGG Art2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde des H in T, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. September 1994, Zl. 91.508/3217-III/7/94, betreffend Verweigerung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde in Verbindung mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. September 1994 gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Ansuchen des Beschwerdeführers um die Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 des Ingenieurgesetzes 1990 nicht statt. In der Begründung ging der Bundesminister davon aus, der Beschwerdeführer habe am 30. Juni 1994 die Reifeprüfung an der Höheren Lehranstalt für Maschinenbau - Betriebstechnik abgelegt und er sei seit 1. Juni 1988 als "Luftfahrzeugwart" im Werftbetrieb der Austrian Airlines Österreichische Luftverkehrs AG tätig. Nach den Vorschriften des Luftfahrtgesetzes seien für die Verwendung als "Luftfahrzeugwart" die Absolvierung eines einschlägigen Lehrberufes und persönliche Eigenschaften vorgeschrieben. Für die typenspezifischen Arbeiten an den Flugzeugen würden die "Luftfahrzeugwarte" in speziellen Fachkursen und betriebsinternen Schulungen ausgebildet. Diese in den Vorschriften des Luftfahrtgesetzes genau angeführten Ausbildungen seien für alle Luftfahrzeugwarte, egal welche Ausbildung diese nachwiesen, obligat. Für die Tätigkeiten eines Luftfahrzeugwartes seien daher lediglich Fachkenntnisse erforderlich, wie sie während der gewerblichen Berufsausbildung nach dem Berufausbildungsgesetz vermittelt würden. Höhere Fachkenntnisse im Umfang der HTL-Ausbildung würden für diese als handwerkliche Verrichtungen zu bezeichnenden Arbeiten nicht benötigt. Eine höhere Fachkenntnisse voraussetzende Tätigkeit, wie z.B. die Planung und Berechnung von Maschinen und technischen Anlagen oder die Konstruktion von Maschinenteilen, sei aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich und sei vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet worden. Gemäß § 2 der Durchführungsverordnung zum Ingenieurgesetz 1990, BGBl. Nr. 244/1991, könne eine Berufspraxis im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 nur angerechnet werden, wenn sie "im überwiegenden Maße" höhere Fachkenntnisse des Fachgebietes, auf welchem die Reifeprüfung abgelegt worden sei, voraussetze. Im Falle des Beschwerdeführers würde dies bedeuten, daß er bereits bei Beginn der HTL-Ausbildung über höhere Fachkenntnisse verfügt hätte, die andere Personen erst durch die fünfjährige Ausbildung an einer Höheren technischen Lehranstalt erwerben würden. Es bestehe zwar auch die Möglichkeit, im Zuge einer sehr langen "gehobenen Berufspraxis" mit einer theoretischen Weiterbildung höhere Fachkenntnisse zu erwerben. Diese Kriterien träfen aber keinesfalls auf eine handwerkliche Berufsausübung zu. Da es auch der Lebenserfahrung widerspreche, daß eine Person ohne entsprechende schulische Ausbildung oder eine sehr lange qualifizierte Berufsausübung mit theoretischer Weiterbildung Tätigkeiten verrichten könne, für die vom Gesetz zwingend höhere Fachkenntnisese der fünfjährigen HTL-Ausbildung vorgeschrieben seien, müsse der Nachweis der vorgeschriebenen dreijährigen Mindestpraxis als nicht erbracht angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, die von ihm nachgewiesenen Tätigkeiten während der von ihm geltend gemachten Praxiszeit seien zwanglos unter den § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b des Ingenieurgesetzes 1990 i.V.m. § 2 der hiezu ergangenen Durchführungsverordnung zu subsumieren. Diese Bestimmungen enthielten in den Ausdrücken "höhere Fachkenntnisse", "in überwiegendem Maße höhere Fachkenntnisse des Fachgebietes" und "ihnen gleichzuhaltende Tätigkeiten" unbestimmte Gesetzesbegriffe. Bis dato sei die Verwaltungspraxis der belangten Behörde dergestalt gewesen, daß sie in einer Fülle von Anträgen von Kollegen des Beschwerdeführers, die exakt die gleiche Tätigkeit ausgeübt hätten und auch gleiche Bestätigungen wie der Beschwerdeführer vorgelegt hätten, diesen Anträgen auch stattgegeben habe. Die belangte Behörde habe offensichtlich anläßlich des Antrages des Beschwerdeführers erstmals ihre Verwaltungspraxis geändert. Die sogenannten "unbestimmten Gesetzesbegriffe" seien wie Ermessen zu behandeln. Diesbezüglich sei es aber ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß ein willkürliches, sachlich nicht begründbares Abweichen von einer ständigen Verwaltungsübung einen Verstoß gegen den auch den Gleichheitssatz miteinschließenden Sinn des Gesetzes darstelle und der Verwaltungsgerichtshof berufen sei, die ständige Verwaltungsübung im Zuge seiner Rechtskontrolle von Ermessensbescheiden gehörig zu berücksichtigen. Die belangte Behörde habe somit durch ihr Abweichen von ihrer ständigen Übung von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen gehe nicht hervor, daß er mit der Planung und Berechnung von Maschinen und technischen Anlagen oder mit der Konstruktion von Maschinenteilen befaßt gewesen sei. Tatsächlich gehe derartiges aus den von ihm vorgelegten Unterlagen hervor. Schließlich habe die belangte Behörde das Parteiengehör verletzt, weil sie ihm keine ausdrückliche Gelegenheit geboten habe, zu den von der belangten Behörde aus den Ermittlungsergebnissen geschlossenen rechtlichen Konsequenzen Stellung zu nehmen. Hätte sie dies getan, so wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, eine weitere Urkunde vorzulegen, aus der sich seine Tätigkeit noch detaillierter hätte entnehmen lassen. Auch hätte er die Vernehmung eines namentlich bezeichneten Zeugen sowie die Einholung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Berufskunde beantragen können.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" Personen zu verleihen, die

a) die Reifeprüfung nach dem Lehrplan inländischer Höherer technischer oder Höherer land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und

b) eine mindestens dreijährige Berufspraxis absolviert haben, die höhere Fachkenntnise auf dem Fachgebiet voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde.

Als Praxis, die höhere Fachkenntisse voraussetzt, kann nur jene praktische Betätigung berücksichtigt werden, die der Bewerber um die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" in einem Zeitraum absolvierte, in welchem er bereits über diese höheren Fachkenntnisse verfügte. Auch kann es, wie sich aus dem systematischen Zusammenhang ergibt, keinem Zweifel unterliegen, daß als höhere Fachkenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990 nur solche Kenntnisse verstanden werden können, über die Absolventen der in lit. a dieser Gesetzesstelle genannten Lehranstalten regelmäßig verfügen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0193, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis dargelegt hat, ist im Hinblick auf den systematischen Aufbau der Berufsausbildung in Österreich in der Annahme der belangten Behörde, die durch den Abschluß einer Lehre erworbenen Fachkenntnisse reichten nicht an jene heran, die durch die Absolvierung einer der im § 4 Abs. 1 lit. a Ingenieurgesetz 1990 genannten Lehranstalten vermittelt werden, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken. Es bildet daher im Lichte dieser Rechtslage keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer nach Erlernung des einschlägigen Lehrberufes als Luftfahrzeugwart ausgeübten Tätigkeiten grundsätzlich nicht als solche im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b leg. cit. anerkannte. Daß aber die vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner geltend gemachten Praxiszeiten ausgeübten Tätigkeiten ihrer Qualifikation nach über das Maß hinausgingen, das im Rahmen der Ausübung dieses Lehrberufes üblicherweise erworben wird, insbesondere, daß er durch besondere Akte er Weiterbildung noch vor Beginn des fraglichen Praxiszeitraumes ein Niveau an fachlicher Qualifikation erlangt hätte, das dem mit Abschluß der Reifeprüfung in einer einschlägigen Höheren technischen Lehranstalt verbundenen mindestens gleichwertig war, wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Bei diesem Ergebnis kann es dahingestellt bleiben, ob den Behörden bei Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe tatsächlich ein Spielraum eingeräumt ist, der wie Ermessen zu behandeln ist (vgl. die in Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes, 7. Auflage, Rz. 958, hiezu referierte Judikatur und Literatur), weil die belangte Behörde bei der von ihr gewälten Auslegung dieser Begriffe keinesfalls den Rahmen eines ihr allenfalls eingeräumten Ermessensspielraumes überschritten hat. Es ist daher auch für die Beurteilung des vorliegenden Falles bedeutungslos, ob die belangte Behörde in anderen, ähnlich gelagerten Fällen zu einer anderen Entscheidung gekommen ist.

Schließlich erübrigt es sich bei diesem Ergebnis auch auf die Frage einzugehen, ob durch die Vorgangsweise der belangten Behörde das Parteiengehör des Beschwerdeführers verletzt wurde, weil es einem allfälligen diesbezüglichen Verfahrensmangel, wie oben dargestellt, an der für eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides erforderlichen Relevanz im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG mangelt.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994040210.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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