TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/13 94/11/0259

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Veröffentlicht am 13.12.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs1;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §73 Abs2a;
KFG 1967 §74 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §24;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 14. Juli 1994, Zl. 5/11-14/506/2-1994, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B für die Dauer von 15 Monaten vorübergehend entzogen; er wurde ferner gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 verpflichtet, sich einer Nachschulung zu unterziehen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die mit dem angefochtenen Bescheid verfügten Maßnahmen wurden damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 4. März 1994 eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 (Verweigerung einer Atemluftprobe) begangen habe. Deswegen sei er mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 11. Mai 1994 bestraft worden. Dieses Straferkenntnis sei in Rechtskraft erwachsen. Das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967, die die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers bewirke, stehe damit bindend fest. Auf die Bestreitung der Begehung der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung sei daher im Entziehungsverfahren nicht einzugehen. Dieses Alkoholdelikt sei das dritte vom Beschwerdeführer begangene.

Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, daß das Straferkenntnis vom 11. Mai 1994 mangels rechtswirksamer Zustellung an ihn nicht in Rechtskraft habe erwachsen können. Das Straferkenntnis sei an ihn persönlich adressiert gewesen, obwohl er im Verwaltungsstrafverfahren durch die nunmehrigen Beschwerdevertreter anwaltlich vertreten gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich zunächst zur Feststellung veranlaßt, daß dieses Beschwerdevorbringen keine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung darstellt. Dies ist schon deswegen nicht der Fall, weil die bindende Wirkung des vermeintlich rechtskräftigen Straferkenntnisses dem Beschwerdeführer erstmals im angefochtenen Bescheid entgegengehalten worden ist.

Was die Erlassung des Straferkenntnisses anlangt, wurde es an den Beschwerdeführer persönlich adressiert und nach einem erfolglosen Zustellversuch am 1. Juni 1994 beim zuständigen Postamt hinterlegt, wo es vom 3. Juni 1994 an zur Abholung bereit lag. Der Beschwerdeführer hat aber bereits vertreten durch die nunmehrigen Beschwerdevertreter mit Schreiben vom 10. Mai 1994, in dem auch das Vollmachtsverhältnis im Sinne des letzten Satzes des § 10 Abs. 1 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) angezeigt wurde, eine Stellungnahme eingebracht, in der er die Begehung des Alkoholdeliktes vom 4. März 1994 in Abrede stellte; diese Stellungnahme ging bei der Bundespolizeidirektion Salzburg am 11. Mai 1994 ein.

Daraus ergibt sich, daß bei der Erlassung des Straferkenntnisses gegen § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes, wonach die Behörde eine ihr gegenüber als Zustellungsbevollmächtigten namhaft gemachte Person als Empfänger aller an diese Person ergehenden Erledigungen zu bezeichnen hat, verstoßen wurde. Das hat zur Folge, daß die Hinterlegung vom 1. Juni 1994 nicht die Wirkung der Zustellung des Straferkenntnisses an den Beschwerdeführer hatte; es besteht nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt dafür und wird auch von der belangten Behörde gar nicht behauptet, daß das Straferkenntnis den Beschwerdevertretern vor der Zustellung des angefochtenen Bescheides (am 25. Juli 1994) im Sinne des zweiten Satzes des § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes tatsächlich zugekommen wäre.

Damit entsprach es nicht dem Gesetz, daß sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf die Rechtskraft des Straferkenntnisses mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Entziehungsverfahren, er habe am 4. März 1994 kein Alkoholdelikt begangen, nicht auseinandergesetzt hat. Daß die belangte Behörde auf Grund einer Mitteilung der Erstbehörde von der Rechtskraft des Straferkenntnisses ausgegangen ist, ändert daran nichts, da es auf ein Verschulden der Behörde im gegebenen Zusammenhang nicht ankommt.

Das Fehlen der Auseinandersetzung mit dem in Rede stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers hindert den Verwaltungsgerichtshof an einer Prüfung der inhaltlichen Rechtmäßigkeit der Entziehung seiner Lenkerberechtigung und der damit im Zusammenhang stehenden Anordnung einer Nachschulung.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994110259.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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