TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/13 92/07/0193

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Veröffentlicht am 13.12.1994
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
80/06 Bodenreform;

Norm

FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des S in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 24. September 1992, Zl. LAS-79/67-80, betreffend Minderheitsbeschwerde (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Agrargemeinschaft N Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die Vollversammlung der mitbeteiligten Partei lehnte am 17. Mai 1991 zu Punkt 6 der Tagesordnung den Antrag des Beschwerdeführers, im Bereich der A-Alm zwei Teilflächen im Gesamtausmaß von ca. 545 m2 aus dem Grundstück Nr. 2009/1 der mitbeteiligten Partei (kurz: mP) an diesen zu verkaufen, mit Mehrheitsbeschluß ab. Ein gegen diesen Beschluß eingebrachter Einspruch des Beschwerdeführers, der unter anderem auch eine "Beschwerdeerhebung gegen den Obmann und die Ausschußmitglieder wegen der eigenmächtigen Grundverpachtung im Bereich der A-Alm" enthält, wurde vom Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) mit Bescheid vom 7. Oktober 1991 gemäß § 37 Abs. 1 und 2 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978, LGBl. Nr. 54 in der Fassung LGBl. Nr. 18/1984 (kurz: TFLG) als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung (LAS) die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 und 2 TFLG als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, es sei davon auszugehen, daß Agrargemeinschaften Selbstverwaltungskörper sind, die ihr Vermögen nach eigenem Gutdünken verwalten können. Die Aufsichtsbehörde könne nur regulierend eingreifen, "wenn die Agrargemeinschaft zum offensichtlichen Nachteil ihrer Mitglieder Dispositionen träfe und das Gemeinschaftsvermögen verschleuderte". Dies treffe jedoch im Beschwerdefall nicht zu. Wenn sich eine Agrargemeinschaft weigere, Grund und Boden an ein Mitglied zu veräußern, so widerspreche ein solcher Beschluß nicht dem Grundsatz der pfleglichen Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens. Die Aufsichtsbehörde habe jedenfalls keinerlei Möglichkeit, im Rahmen ihres Aufsichtsrechtes die Agrargemeinschaft zu zwingen, einen Teil ihres Vermögens zu veräußern. Wenn die Vollversammlung die Veräußerung von Gemeinschaftsgrund ablehne, auch wenn sie dazu vom Obmann geradezu eingeladen werde, so stehe der Aufsichtsbehörde rechtlich keine Möglichkeit zu, "einen solchen Vollversammlungsbeschluß wegen Gesetz- und Satzungswidrigkeit zu beheben".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde erstattete ebenso wie die mP eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Z. 2 der Satzung der mP umfaßt der Wirkungskreis der Vollversammlung die Besorgung unter anderem folgender

Angelegenheiten: die Veräußerung, Belastung und Verpachtung von Grundstücken, soweit hiezu nicht die Zuständigkeit des Ausschusses gegeben ist.

Gemäß § 12 dieser Satzung gehören zum Wirkungskreis des Ausschusses alle Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich einem anderen Organ vorbehalten sind; so insbesondere Grundverkäufe, die nicht das Ausmaß einer Bauparzelle erreichen.

Gemäß § 8 Abs. 4 dieser Satzung können überstimmte Mitglieder gegen Vollversammlungsbeschlüsse binnen einer Woche an die Agrarbehörde schriftlich Einspruch erheben.

Gemäß § 37 Abs. 1 TFLG unterliegen die Agrargemeinschaften der Aufsicht der Agrarbehörde. Die Aufsicht erstreckt sich auf

a) die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der Satzungen,

b) die Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke und des sonstigen Vermögens der Agrargemeinschaft.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. entscheidet über Streitigkeiten, die zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, die Agrarbehörde unter Ausschluß des Rechtsweges.

Gemäß Abs. 6 leg. cit. sind Beschlüsse, die Gesetze verletzen, von der Agrarbehörde aufzuheben.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch die "Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften", insbesondere durch "die Verletzung des § 8 Abs. 4 der Satzung" der mP sowie durch "das dem Beschwerdeführer als Mitglied" der mP "zustehende subjektive öffentliche Recht auf fehlerfreie Handhabung des § 37 Abs. 1 und 2 TFLG" beschwert.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wird zunächst gerügt, daß im § 8 Abs. 4 der Satzung der mP "ein Instanzenzug zur Überprüfung von Vollversammlungsbeschlüssen" eingerichtet worden sei, sodaß die belangte Behörde ebenso wie die Behörde erster Instanz nicht als Aufsichtsbehörde im Sinne des § 37 TFLG angerufen, sondern vielmehr eine Überprüfung des Vollversammlungsbeschlusses im Rahmen der Satzung der mP begehrt worden sei. Die belangte Behörde hätte den Fehler der AB, nämlich die Unterlassung einer inhaltlichen Prüfung des Vollversammlungsbeschlusses und einer "Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme", aufgreifen und ihrerseits eine Stellungnahme zum angefochtenen Vollversammlungsbeschluß abgeben müssen.

Mit diesem Vorbringen kann jedoch der Beschwerdeführer keinen Eingriff in seine subjektiven Rechte dartun, da die AB und die belangte Behörde auf seine Beschwerde gegen den Vollversammlungsbeschluß zu Punkt 6 der Tagesordnung vom 17. Mai 1991 eingegangen sind und diese anhand des in § 37 TFLG festgelegten Prüfungsmaßstabes, der auch eine Prüfung der Einhaltung der Bestimmungen der Satzung umfaßt, zu beurteilen hatten. Jedenfalls kann aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 4 erster Satz der Satzung der mP kein gesondertes subjektiv-öffentliches Recht des Beschwerdeführers auf Überprüfung der Vollversammlungsbeschlüsse außerhalb des § 37 TFLG durch die zuständigen Agrarbehörden abgeleitet werden. Abgesehen davon würde der mP Zuständigkeit, Umfang und Maßstab einer von den Agrarbehörden durchzuführenden Überprüfung von Agrargemeinschaften zu bestimmen, fehlen. Die diesbezüglichen Normen finden sich im § 37 TFLG, der zu Recht von der belangten Behörde herangezogen wurde. Auch ließ die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid inhaltlich klar erkennen, daß sie den bekämpften Bescheid als übereinstimmend mit dem TFLG und der Satzung der mP erachtet, sodaß der Vorwurf, die belangte Behörde hätte rechtswidrigerweise keine "entsprechende Stellungnahme zum Vollversammlungsbeschluß" abgegeben, nicht zutrifft.

Der Beschwerdeführer beanstandet unter dem Titel einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, aus dem Protokoll der mP vom 7. Mai 1991 ergebe sich zu Tagesordnungspunkt 6, daß dem Beschwerdeführer der Ankauf von zwei Teilflächen deswegen verwehrt worden sei, weil es zwischen der Agrargemeinschaft und dem Beschwerdeführer Differenzen geben würde. Jedenfalls habe der Beschwerdeführer den Eindruck, daß der Beschluß "eine bewußte Schikane" der mP ihm gegenüber darstelle, um ihn "in die Schranken zu weisen". Insbesondere hätte die belangte Behörde den Beschluß deshalb aufheben müssen, weil die Vollversammlung ohne sachlich fundierten Grund ausschließlich "im Bewußtsein, einem Mitglied damit zu schaden," einen Beschluß gefaßt habe, der einen "offenkundigen Verstoß gegen die Rechtsordnung" darstelle.

Dem ist zu entgegnen, daß nach § 2 der Satzung der mP deren Zweck die Sicherstellung der pfleglichen Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens zur bestmöglichen und andauernden Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder, die Erhaltung und Verbesserung des Gemeinschaftsvermögens sowie allenfalls auch der damit zusammenhängende Betrieb der erforderlichen gewerblichen Unternehmen ist.

Dem Beschwerdeführer steht aufgrund seiner Mitgliedschaft zur mP auch kein Rechtsanspruch auf einen bestimmten Grundverkauf an ihn zu. Eine Verletzung des Zwecks der Agrargemeinschaft, der gerade in der Substanzerhaltung zur nachhaltigen Erfüllung der Ansprüche ihrer Mitglieder liegt, ist nicht gegeben. Der von der Agrargemeinschaft gefaßte Beschluß über einen allfälligen Grundverkauf betrifft den autonomen Wirkungsbereich der Agrargemeinschaft, innerhalb dessen sie nicht zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden kann.

Gleichfalls ins Leere geht die Rüge des Beschwerdeführers, daß der Obmann der mP vor der Abstimmung die anwesenden Mitglieder ersuchte, gegen den Verkaufsantrag zu stimmen, und dabei auch eine entsprechende "Empfehlung" des Ausschusses der mP bekanntgab, da der Bereich der Beratungen und Abgabe von Empfehlungen für die Abstimmung weder vom TFLG noch von den Satzungen der mP näher geregelt ist. In diesen Normen ist kein bestimmtes Verhalten der Organe bei der Abgabe von Äußerungen oder Abstimmungsempfehlungen, woraus eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinen subjektiven Rechten ableitbar wäre, enthalten. Es war daher auch für die belangte Behörde nicht von Bedeutung, ob ein diesbezüglicher formeller "Beschluß" des Ausschusses, der schließlich in der Vollversammlung vom Obmann zitiert wurde, vorlag oder nicht, da daraus keine für die Mitglieder verbindliche Verhaltensweise für die Abstimmung in der Vollversammlung abgeleitet werden kann.

Die erstmals in der Beschwerde erhobene Rüge der Ungleichbehandlung in bezug auf den Verkauf einer anderen Teilfläche der mP an ein Nichtmitglied ist zufolge § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtlich. Abgesehen davon ist aus diesem Vorbringen nichts für eine mögliche Rechtsverletzung des Beschwerdeführers aus seiner Mitgliedschaft zur mP zu gewinnen. Auch die Rüge des Entgangs eines möglichen Kauferlöses für die mP ist nicht geeignet, der belangten Behörde in bezug auf den Beschwerdeführer eine Rechtsverletzung nachzuweisen, ist es doch nicht primärer Zweck der Agrargemeinschaft - wie bereits dargestellt -, durch Verkaufserlöse Einnahmen zu erzielen. Außerdem widerspricht sich der Beschwerdeführer diesbezüglich selbst, da er behauptet, die fraglichen Liegenschaftsteile bereits ersessen zu haben. In einem solchen Fall käme ein Verkauf und ein daraus zu erzielender Erlös für die mP nicht in Frage.

Nicht nachvollziehbar ist die Rüge, daß die belangte Behörde nicht "ihre Kompetenz" gemäß § 37 Abs. 2 TFLG wahrgenommen habe, ist doch der angefochtene Bescheid ausdrücklich auf dieser Rechtsgrundlage in Ausübung des Aufsichtsrechtes ergangen.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe unter Tagesordnungspunkt 6 auch die seiner Meinung nach ohne Beschluß erfolgte Verpachtung der A-Alm bekämpft, ist entgegenzuhalten, daß die Behörde erster Instanz nur über den Einspruch des Beschwerdeführers betreffend den Beschluß zu Tagesordnungspunkt 6 der Vollversammlung vom 17. Mai 1991 abgesprochen hat. Die belangte Behörde konnte daher in ihrer Berufungsentscheidung nur über die von der Behörde erster Instanz entschiedene Sache selbst entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher auf die Beschwerdeausführungen nicht eingehen, soweit sie sich auf eine Angelegenheit beziehen, welche nicht Gegenstand der im angefochtenen Bescheid erledigten Verwaltungssache war (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 90/07/0163).

Da sohin der belangten Behörde weder eine rechtswidrige Gesetzesanwendung noch auch im Zusammenhalt mit der entscheidungswesentlichen Sachlage in bezug auf subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers ein im Rahmen der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmender Verfahrensmangel angelastet werden kann, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der mP betrifft die begehrte Umsatzsteuer, welche bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist, sowie die begehrten Stempelgebühren, weil die mP diesbezüglich von der Gebührenpflicht befreit ist.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung Anfechtungserklärung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992070193.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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