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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der S-GmbH in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 17. Juni 1993, Zl. IIc/6702 B/9652, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei stellte am 11. Dezember 1992 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste-Gastgewerbe den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für eine namentlich genannte "jugoslawische" Staatsangehörige für die Tätigkeit als Serviererin.
Mit Bescheid - ebenfalls vom 11. Dezember 1992 - wies das Arbeitsamt diesen Antrag gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Begründend führte das Arbeitsamt nach Zitierung des § 4 Abs. 6 AuslBG aus, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In der Berufung rügte die beschwerdeführende Partei die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, in dem das Arbeitsamt am Tage der Einbringung des Antrages den abweisenden Bescheid ohne weitere Prüfung der Motive für die Antragstellung erlassen habe. Trotz umfangreicher Bemühungen sei es der beschwerdeführenden Partei nicht möglich gewesen, Personal zu finden, das sowohl Deutsch als auch Serbokroatisch spreche (bis zu 90 % der Gäste seien aus "Ex-Jugoslawien" gebürtig) und gleichzeitig bereit sei, auch Nachtdienst zu leisten. Auch der humanitäre Aspekt wäre in Erwägung zu ziehen gewesen, weil die beantragte ausländische Arbeitskraft durch den Bürgerkrieg in ihrer Heimat die gesamte Familie verloren habe und als "de facto-Flüchtling" unter Umständen Anspruch auf Unterstützung durch die Bundesbehörden während ihres Aufenthaltes in Österreich hätte. Aus diesem Grund könne auch von gesamtwirtschaftlichen Interessen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung gesprochen werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. Juni 1993 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 4 Abs. 1 und 6 sowie § 13a AuslBG i.d.F. gemäß BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge.
Im Rahmen der Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen stellte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides fest, daß die mit Verordnung für das Kalenderjahr 1992 (BGBl. Nr. 598/1991) bzw. 1993
(BGBl. Nr. 254/1992, richtig wohl: Nr. 738/1992) festgesetzten Landeshöchstzahlen (§ 13a Z. 3 AuslBG) für das Bundesland Wien laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Beginn des Kalenderjahres 1992 weit überschritten seien. Somit seien bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sowohl die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 als auch jene nach § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Zu § 4 Abs. 1 AuslB führte die belangte Behörde weiters aus, daß die dort genannten Voraussetzungen zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Hinblick auf die derzeitige Lage und Entwicklung am Arbeitsmarkt sowie aufgrund der Berufungsausführungen als gegeben erachtet werden könnten. Es seien aber weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden, die unter einen berücksichtigungswürdigen Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zu subsumieren wären, weshalb die Voraussetzungen zur Erteilung der Beschäftigungsbewilligung insgesamt nicht erfüllt seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeiten des Inhalts und Rechtswidrigkeiten infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid zwar im Spruch auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt, der Begründung ist jedoch zu entnehmen, daß seitens der belangten Behörde die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 als gegeben erachtet werden könnten. Es ist daher lediglich zu prüfen, ob die Ablehnung des Antrages auf Beschäftigungsbewilligung auf die Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt werden konnte.
§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 i.d.F. der Novelle
BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,
b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Die Anwendung des nach dieser Gesetzesstelle erschwerten Verfahrens für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung setzt voraus, daß entweder eine Kontingentüberschreitung oder eine Überschreitung der Landeshöchstzahl vorliegt.
Zu der von der belangten Behörde angenommenen Überschreitung der Landeshöchstzahl - infolge der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jahr 1993 ist die für dieses Kalenderjahr geltende Verordnung maßgebend - hat der (noch 1992 erlassene) erstinstanzliche Bescheid eine einschlägige Feststellung naturgemäß nicht enthalten. Die belangte Behörde wäre daher nach § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet gewesen, die beschwerdeführende Partei von der Überschreitung der Landeshöchstzahl im Jahr 1993 in Kenntnis zu setzen und ihr damit Gelegenheit zu Stellungnahme zu geben.
Ausgehend von diesen Erwägungen stellen die Ausführungen in der Beschwerde, die u.a. ausdrücklich das Überschreiten der "Kontingente bzw. Landeshöchstzahlen" im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestreiten, nicht etwa unzulässige Neuerungen, sondern vom Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Hinweise auf der belangten Behörde im Rahmen der Tatsachenfeststellung unterlaufene relevante Verfahrensmängel dar (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, 93/09/0059, 93/09/0067, und 93/09/0096). Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Es erübrigen sich damit weitere Erwägungen zur Frage, ob und unter Bezugnahme auf welche Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG die beschwerdeführende Partei allenfalls für ihren Antrag auch wichtige Gründe im Sinne dieser Gesetzesstelle in Anspruch nehmen kann.
Der angefochtene Bescheid war deshalb - unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. Art. I A Z. 1 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren waren nur für die Beschwerdeausfertigungen und für die lediglich in einfacher Ausfertigung erforderliche Vorlage des angefochtenen Bescheides (§ 28 Abs. 5 VwGG) zuzusprechen.
Schlagworte
Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090336.X00Im RIS seit
27.11.2000