TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/20 94/08/0156

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Veröffentlicht am 20.12.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs5;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der B in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 8. Juni 1994, Zl. IVa-AlV-7022/1/B/VNR.4698 091167/Gmunden, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitlosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach einer vom Arbeitsamt Gmunden mit der Beschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift vom 26. Jänner 1994 wurde ihr am 12. Jänner 1994 eine Beschäftigung als Hausmädchen in der Pension S mit einer Entlohnung von S 7.850,-- bis S 8.932,-- monatlich ab 31. Jänner 1994 angeboten. Zum Nichtzustandekommen dieser Beschäftigung gab die Beschwerdeführerin am 26. Jänner 1994 folgende Erklärung ab:

"Ich habe die Beschäftigung abgelehnt, weil ich am 5.4.1994 wieder bei meinem eh. Dienstgeber (Gasthof G) die Arbeit aufnehmen werde.

An der zugewiesenen Tätigkeit war ich nicht interessiert.

Berücksichtigungswürdige Umstände: keine."

Mit Bescheid vom 10. Februar 1994 sprach das Arbeitsamt Gmunden aus, daß die Beschwerdeführerin für die Zeit vom 31. Jänner 1994 bis 27. Februar 1994 den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG verloren habe; eine Nachsicht werde nicht erteilt. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß die Beschwerdeführerin die Annahme einer vom Arbeitsamt zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung in der Pension S, ohne triftigen Grund vereitelt habe. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie - soweit hier wesentlich - ausführte, daß sie nach Vorsprache bei der Pension S aufgrund einer Wiedereinstellung (ab 5. April 1994) bei Gasthof G abgelehnt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründend wurde ausgeführt, daß das Beschäftigungsverhältnis mit der Pension S nicht zustandegekommen sei, weil die Beschwerdeführerin wegen ihrer für den 5. April 1994 geplanten Arbeitsaufnahme bei ihrem früheren Dienstgeber kein Interesse an der zugewiesenen Beschäftigung gehabt habe. Der Vereitelungstatbestand des § 10 Abs. 1 erster Satz zweite Alternative AlVG werde auch dann verwirklicht, wenn ein Arbeitssuchender - wenn auch wahrheitsgemäß - seine Absicht zum Ausdruck bringe, die angebotene Beschäftigung nur als Übergangslösung zu betrachten. Durch die Interesselosigkeit an der zugewiesenen Beschäftigung wegen der für den 5. April 1994 mit dem früheren Dienstgeber vereinbarten Arbeitsaufnahme habe die Beschwerdeführerin die Annahme der zugewiesenen Beschäftigung vereitelt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin meint, die Bereitschaft, eine Arbeit bis zum Zeitpunkt der Weiterbeschäftigung beim alten Dienstgeber aufzunehmen, stelle keinesfalls eine Vereitelung der zugewiesenen Beschäftigung dar. Die belangte Behörde habe keine Feststellungen zu ihrer diesbezüglichen Arbeitswilligkeit getroffen, sondern sich vielmehr damit begnügt, aus dem Umstand, daß die Beschwerdeführerin den neuen Dienstgeber von der getroffenen Einstellungsvereinbarung in Kenntnis gesetzt habe, ihre angebliche Interesselosigkeit an der neuen Beschäftigung abzuleiten.

Wenn der Arbeitslose sich weigert, eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, verliert er nach § 10 Abs. 1 erster Satz AlVG für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Zumutbarkeit einer zugewiesenen Beschäftigung ist nach § 9 Abs. 2 bis 5 AlVG in der im Beschwerdefall bereits anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 682/1991 vorzunehmen. Nach der zuletzt genannten Bestimmung des § 9 Abs. 5 AlVG ist eine vom Arbeitsamt vermittelte Beschäftigung auch dann zumutbar, wenn dem Arbeitslosen eine Wiedereinstellungszusage von einem früheren Dienstgeber erteilt wurde oder sich der Arbeitslose schon zur Aufnahme einer Beschäftigung in Zukunft verpflichtet hat (Einstellungsvereinbarung).

Ausgehend von der oben wiedergegebenen Erklärung der Beschwerdeführerin in der Niederschrift vom 26. Jänner 1994 und ihrem Berufungsvorbringen ist die belangte Behörde zutreffend von einer Einstellungsvereinbarung (offensichtlich vom 24. Oktober 1993 als dem Ende der vorangegangenen Beschäftigung) zwischen dem früheren Arbeitgeber und der Beschwerdeführerin, aufgrund derer diese verpflichtet ist, ihre Beschäftigung zu einem bestimmten Zeitpunkt (wieder) aufzunehmen, ausgegangen. Dies führt die Beschwerde aber schon deswegen nicht zum Erfolg, weil § 9 Abs. 5 AlVG selbst bei gegebener Einstellungsvereinbarung im Sinne dieser Bestimmung eine vom Arbeitsamt vermittelte Beschäftigung als zumutbar erklärt. Zumutbar ist demnach nicht nur eine Beschäftigung zwischen dem Ende der vorangegangenen Beschäftigung und dem Beginn der zukünftigen Beschäftigung, sondern auch eine als Dauerstellung angebotene.

Allfällige verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Konsequenzen dieser Auffassung, daß nämlich der Arbeitslose danach entweder den Verlust des Arbeitslosengeldes für eine bestimmte Zeit in Kauf nehmen muß oder, wenn er dies nicht will, gezwungen ist, entweder die Einstellungsvereinbarung zur Auflösung zu bringen, oder, wenn dies nicht (mehr) möglich ist, vertragsbrüchig zu werden und dadurch allfällige Schadenersatzverpflichtungen zu gewärtigen, sind beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden. Denn es ist nicht unsachlich, wenn das AlVG auch einer arbeitsvertragsrechtlich wirksamen Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die gleichzeitig erfolgende Neubegründung ab einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt (mit der Konsequenz, daß in der Zwischenzeit nach den Bestimmungen des AlVG Arbeitslosengeld bezogen werden kann) keine zum Nachteil der Arbeitslosenversicherung bindende Wirkung des Inhalts beilegt, daß wegen dieser Einstellungsvereinbarung die Vermittlung des Arbeitslosen eingeschränkt oder ausgeschlossen wird und dadurch die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses zu einer Verlagerung des Unternehmerrisikos auf die Arbeitslosenversicherung führt.

Wegen der Zuweisungstauglichkeit der der Beschwerdeführerin von der erstinstanzlichen Behörde namhaft gemachten Beschäftigung bleibt zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten die Annahme dieser Beschäftigung vereitelt hat. Unter dem Begriff der Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei gegebener Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt. Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses muß nicht nur in der Sphäre des Vermittelten, sondern darüber hinaus in einem auf das Nichtzustandekommen gerichteten oder dies zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0147, und 16. November 1993, Zl. 93/08/0233). Eine solche Vereitelung hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt auch dann bejaht, wenn der Arbeitslose beim Vorstellungsgespräch, wenn auch wahrheitsgemäß, seine Intention zum Ausdruck bringt, die mit der Spezifikation einer Dauerstellung angebotene zumutbare Beschäftigung nur als Übergangslösung zu betrachten, weil er damit - bezogen auf den konkreten angebotenen Arbeitsplatz als Dauerstellung - seine Arbeitswilligkeit in Zweifel stellt. Dadurch, daß die Beschwerdeführerin auf die ablehnende Äußerung des Vertreters der Pension S aufgrund der Mitteilung, daß die Beschwerdeführerin ab 5. April 1994 woanders anfangen werde, nicht sofort klarstellte oder erklärte, sie sei dennoch bereit ein Arbeitsverhältnis auf Dauer mit dieser Firma zu begründen, nahm sie auch das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses in Kauf.

Die Berufung der Beschwerdeführerin auf die Einstellungsvereinbarung muß schon deswegen versagen, weil diese Vereinbarung, womit ein Arbeitsverhältnis beendet und zu einem in der Zukunft liegenden, absehbaren Zeitpunkt wieder begonnen werden soll, mit der Konsequenz, daß in der Zwischenzeit Arbeitslosengeld bezogen wird, als Vertrag zu Lasten Dritter zum Nachteil der Arbeitslosenversicherung geschlossen wird.

Die Beschwerde war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994080156.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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