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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des K in G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. April 1994, Zl. 4.322.496/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. April 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Ghana, der am 7. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist war und am 12. September 1991 einen Asylantrag gestellt hatte - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Oktober 1991 - mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen - abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Bei der niederschriftlich festgehaltenen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich hat der nach seinem "Fluchtweg" befragte Beschwerdeführer unter anderem angegeben, daß er von einem Freund seines Onkels am 20. Juli 1991 mit gefälschten Dokumenten nach Burkina Faso gebracht worden sei und sich bis 25. Juli 1991 in diesem Land aufgehalten habe.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich hat ihren negativen Feststellungsbescheid damit begründet, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft (im Sinne des § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) nicht zukomme.
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer - ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen - deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie stützte sich auf die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlich festgehaltenen Vernehmung am 16. September 1991, daß er sich in Burkina Faso (früher Obervolta) aufgehalten habe und folgerte aus diesem Aufenthalt, daß der Beschwerdeführer bereits in Burkina Faso vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb die Asylgewährung ausgeschlossen sei.
Im Hinblick auf die ergangene hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, Zl. 94/01/0022) - auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - kommt der Rüge des Beschwerdeführers, das Asylgesetz 1991 komme im vorliegenden Beschwerdefall nur deshalb zur Anwendung, weil die belangte Behörde ihre sich aus § 73 Abs. 1 AVG ergebende Verpflichtung verletzt habe, keine Berechtigung zu.
Der Beschwerdeführer wendet sich aber des weiteren gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er bereits in Burkina Faso vor Verfolgung sicher gewesen sei. Er bringt dazu vor, das Rückabschiebungsverbot stehe in Burkina Faso nicht effektiv in Geltung. Obwohl in diesem Land grundsätzlich ein nationales Feststellungsverfahren bezüglich der Flüchtlingseigenschaft existiere, sei bislang jedoch kein Entscheidungsorgan etabliert worden. Die in Burkina Faso bestehende Verfahrensregelung erfülle nicht die an ein Feststellungsverfahren zu stellenden Mindestanforderungen. Flüchtlinge, die durch Burkina Faso gereist seien, könnten nicht mit einer "Rückübernahme" rechnen. Das zuständige UNHCR-Büro könne keine Garantie abgeben, daß keine Abschiebung in den Verfolgerstaat erfolge. Er habe somit in Burkina Faso keinen wirksamen Schutz vor Abschiebung nach Ghana gehabt.
Mit diesen Ausführungen bringt der Beschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht Behauptungen vor, bei deren Zutreffen nicht mehr ohne weiteres die Rede sein könnte, Burkina Faso biete als Zufluchtsstaat von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz (vgl. auch die hg. Erkenntnisse jeweils vom 25. November 1994, Zl. 94/19/1184 und Zl. 94/19/1197).
Der Beschwerdeführer hat diese Behauptungen wohl erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm - zumal die Erstbehörde ihren abweislichen Bescheid nicht darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführer in Burkina Faso bereits vor Verfolgung sicher gewesen sei - im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten zu der ihm noch nicht bekanntgegebenen Annahme der belangten Behörde, daß er in Burkina Faso "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, Stellung zu nehmen, weshalb sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.
Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994191196.X00Im RIS seit
20.11.2000