TE Vfgh Erkenntnis 1992/10/13 G10/92

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Veröffentlicht am 13.10.1992
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Index

32 Steuerrecht
32/07 Stempel- und Rechtsgebühren, Stempelmarken

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GebührenG 1957 §15 Abs2

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung des GebührenG 1957 infolge gleichheitswidriger Differenzierung zwischen einem mündlich angenommenen schriftlichen Vertragsanbot (gebührenfrei) und einem durch ein beliebiges anderes Verhalten angenommenen schriftlichen Vertragsanbot (gebührenpflichtig)

Spruch

In §15 Abs2 Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 668/1976, wird die Wortfolge ", ansonsten auch ein schriftliches Vertragsanbot, wenn der Vertrag durch ein im Anbotschreiben bezeichnetes Verhalten des Anbotempfängers oder auf andere Weise als durch schriftliche oder mündliche Annahmeerklärung zustande kommt" als verfassungswidrig aufgehoben.

Die aufgehobene Wortfolge ist nicht mehr anzuwenden, soweit die Gebühr nicht bereits in Stempelmarken oder durch Stempelaufdruck entrichtet oder rechtskräftig vorgeschrieben wurde.

Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. §15 Gebührengesetz 1957, BGBl. 267, bestimmt in Abs1 und 2 in der Fassung der Novelle BGBl. 668/1976 folgendes:

"(1) Rechtsgeschäfte sind nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wurde, es sei denn, daß in diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt ist.

(2) Als Urkunden gelten bei schriftlicher Annahme eines Vertragsanbotes das Annahmeschreiben, ansonsten auch ein schriftliches Vertragsanbot, wenn der Vertrag durch ein im Anbotschreiben bezeichnetes Verhalten des Anbotempfängers oder auf andere Weise als durch schriftliche oder mündliche Annahmeerklärung zustande kommt. Wird die mündliche Annahme eines Vertragsanbotes beurkundet, so gilt diese Schrift als Annahmeschreiben."

1. Die zu B1410/90 beschwerdeführende Gesellschaft erhielt am 29. Juni 1988 ein schriftliches Anbot auf Abschluß eines Vertrages über den Erwerb eines Miet- und Untervermietrechtes mit dem Beisatz, es könne "bis zum 30.6.1988 angenommen werden". Nach dem Vertragsentwurf ist das nicht zurückzahlbare Entgelt "bis zum 30.6.1988 an den Veräußerer zu bezahlen" (Punkt II) und der Mietzins für Juni 1988 "am 30.6.1988" zu entrichten (Punkt III). Das Schriftstück wurde vom Anbieter ("nur aus Vorsichtsgründen") dem Finanzamt für Gebühren mit der Erklärung vorgelegt, das Anbot sei mündlich angenommen und über die Annahmeerklärung keine Urkunde errichtet worden.

Das Finanzamt wertete die "Einzahlung des Mietbetrages bis 30.6.1988" als konkludente Handlung im Sinne des Anbotes (unter Hinweis auf Punkt II) und schrieb der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß §33 TP5 Abs1 Z1 GebG auf einer Bemessungsgrundlage von 381,800.000 S eine Gebühr von 3,818.000 S vor. Die dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos. Die Berufungsbehörde verwies in einem Vorhalt auf das Anbotschreiben, den Vertragsentwurf und den Überweisungsauftrag vom 30.6.1988 und kündigte die Absicht an, die Abweisung der Berufung auf den Schluß zu stützen, der Vertrag sei durch Zahlung einer bestimmten Summe zu einem bestimmten Termin zustandegekommen. Dem Einwand der beschwerdeführenden Gesellschaft, der Zahlung habe keine Annahmewirkung zukommen sollen, sie sei vielmehr nur Erfüllung der Hauptleistungspflicht gewesen, und der Vorlage von eidesstättigen Erklärungen über die telefonische Annahme des Anbotes am 29. Juni 1988 und darüber, daß nie beabsichtigt gewesen sei, eine bestimmte Art der Annahme vorzuschreiben, und keine der Vertragsparteien der Ansicht gewesen sei, die Bezahlung des Entgeltes bewirke die Annahme (zumal der Anbieter von dieser Tatsache erst nach Ablauf der Annahmefrist Kenntnis erlangt hätte), begegnete die Finanzlandesdirektion im Berufungsbescheid mit folgenden Ausführungen:

"§15 Abs2 GebG erhielt seine geltende Fassung durch die GebG-Novelle BGBl. Nr. 668/1976. Der Grund für die Neufassung dieser Bestimmung lag darin, daß - wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausführen - 'zur Vermeidung der Gebührenpflicht oft auch von gleichzeitig anwesenden Vertragsparteien die Form von Anbot- und Annahmeschreiben gewählt oder bei bereits mündlich zustande gekommenen Rechtsgeschäften zum Schein eine Beurkundung in Form von Anbot- und Annahmeschreiben vorgenommen' werden. Die Erläuterungen führen in diesem Sinne weiter aus 'als Urkunde soll auch ein Anbotschreiben gelten, wenn der Vertrag auf andere Weise als durch Annahmeerklärung zustande kommt'.

Sinn der Neuregelung des §15 Abs2 GebG war die Verhinderung der Umgehung der Gebührenpflicht durch Beurkundungsformen, für die zivilrechtlich kein Bedürfnis besteht.

§15 Abs2 GebG liegt somit der Gedanke zugrunde, auch alle jene Anbotschreiben als Urkunde im Sinne des Abs1 leg.cit. anzusehen, zu denen kein Annahmeschreiben vorliegt und mit denen der Abschluß des Rechtsgeschäftes bewiesen werden kann.

§15 Abs2 GebG erklärt demgemäß ein schriftliches Anbot als eine Urkunde im Sinne des §15 Abs1 GebG, wenn der Vertrag

a)

durch ein im Anbotschreiben bezeichnetes

Verhalten oder

b)

auf andere Weise als durch schriftliche oder mündliche Annahmeerklärung zustande kommt.

Im vorliegenden Fall steht außer Streit, daß eine schriftliche Annahmeerklärung nicht vorliegt. Weiters liegt eine Zeugenaussage der Anbotstellerin vor, 'daß nicht beabsichtigt war, daß die Annahme des schriftlichen Vertragsanbotes durch Bezahlung des Einmalentgeltes erfolgen sollte'. Weiters teilte die Zeugin mit:

'Es war zu keinem Zeitpunkt bei Erstellung des schriftlichen Vertragsanbotes oder danach beabsichtigt, ... eine bestimmte Art der Annahme vorzuschreiben.'

Die Finanzlandesdirektion geht davon aus, daß das Anbotschreiben nach seinem Inhalt jede Art der Annahme, nämlich schriftlich, mündlich oder konkludent zuläßt. Eine schriftliche Annahme ist der Finanzlandesdirektion nicht bekannt.

Die Finanzlandesdirektion vertritt nun im Hinblick auf die oben angeführte Zielsetzung des §15 Abs2 GebG die Auffassung, daß ein schriftliches Vertragsanbot auch dann der Gebühr unterliegt, wenn keine schriftliche Annahme erfolgt und die auf das Anbot erfolgten konkludenten Handlungen den Abschluß des Rechtsgeschäftes beweisen, unabhängig davon, ob den konkludenten Handlungen eine mündliche Annahme vorangegangen ist oder nicht. Die Berufungsbehörde ist der Ansicht, daß das schriftliche Anbot den Vorschlag inkludiert, daß der Vertrag durch Zahlung einer bestimmten Summe innerhalb einer gewissen Frist zustande kommt. Das Anbot enthält keine Einschränkung, daß der Vertrag nur durch mündliche Annahme zustandekommt.

Es wäre nach Ansicht der Finanzlandesdirektion nicht verfassungskonform, ein schriftliches Anbot, welches in der Art abgefaßt ist, daß durch die auf das Anbot erfolgenden konkludenten Handlungen der Abschluß des Rechtsgeschäftes bewiesen werden kann, nur deshalb nicht als eine die Gebührenschuld auslösende Urkunde zu werten, weil die Vertragsparteien unmittelbar vor Erbringung der konkludenten Handlungen mittels Telefonates die mündliche Annahme durchführen.

Ein schriftliches Vertragsanbot, welches wie folgt lautet: Der Vertrag kommt zustande, wenn er mündlich angenommen wird

(= gebührenfrei) oder wenn eine im Vertrag näher angeführte

konkludente Handlung (= gebührenpflichtig) erfolgt, stellt nach

Ansicht der belangten Behörde somit im Sinne einer nicht gegen den Gleichheitssatz verstoßenden Auslegung auch dann eine die Gebührenschuld auslösende Urkunde dar, wenn der konkludenten Handlung die mündliche Annahme vorausgegangen ist.

Die Bw. meint, daß selbst dann, wenn man 'der Zahlung die Absicht der Bw. zugrundelegen will, die Anbote (konkludent) anzunehmen', die Gebührenpflicht ausscheide, weil nämlich in diesem Falle die Annahmeerklärung zu spät erfolgt sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß das Anbot vom 29. Juni 1988 die Bestimmung enthält, daß 'das Entgelt für den Erwerb der Vertragsrechte' ... 'bis zum 30. Juni 1988 an den Veräußerer zu bezahlen ist'. Die Zahlung am 30. Juni 1988 erfolgte somit rechtzeitig.

Im übrigen sei zu den Aussagen der Zeugen, wonach am 29. Juni 1988, d.h. am selben Tag der schriftlichen Anbotstellung die Annahme des Anbotes mündlich erfolgte und der Vertrag an diesem Tag zustande gekommen ist, bemerkt, daß die Vermieterin am 30. August 1988, 30. September 1988, 30. Oktober 1988 usw. Schreiben an die Bw. gerichtet hat, in denen sie ausführt 'Gemäß Punkt III. Abs5 des am 30.6.1988 abgeschlossenen Vertrages über den Erwerb eines Miet- und Untermietrechtes ...'.

Diese Schreiben sind mit den vorliegenden Zeugenaussagen nicht in Einklang zu bringen, lassen aber letztlich die in der Berufungssache behandelte Rechtsfrage unberührt. Die mündliche Annahme hätte letztlich auch unmittelbar vor der Zahlung der S 260.800.000,-- erfolgen können, was - wenn die rechtlichen Ausführungen der Bw. zutreffend wären - zweifelsohne auch noch bewirkt hätte, das Anbotschreiben als keine die Gebühr auslösende Urkunde zu werten."

2. Die gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof rügt die Verletzung verfassungsgesetzich gewährleisteter Rechte, insbesondere auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit vor dem Gesetz. Die mündliche Annahme eines schriftlichen Vertragsanbots löse keine Gebührenpflicht aus, der Vertrag sei weder aufgrund eines im Anbot bezeichneten Annahmeverhaltens noch in anderer Weise (als durch mündliche Annahme) zustandegekommen - sondern eben durch mündliche Annahme -, und die angebliche Zielsetzung der Vorschrift sei - wie schon die Änderung in der Argumentation der Behörde gegenüber dem Vorhalt zeige - ein bloßer Vorwand; die Gebührenvorschreibung sei daher denkunmöglich und willkürlich.

In ihrer Gegenschrift führt die Behörde dazu aus:

"Das Gebührengesetz erfaßt nur schriftlich festgelegte Rechtsgeschäfte, wobei für die Bemessung der Gebühr der Urkundeninhalt (§17 GebG) maßgeblich ist. Mündlich abgeschlossene Rechtsgeschäfte werden so wie mündlich abgegebene Annahmeerklärungen vom Gebührengesetz nicht erfaßt. Sie sind nicht gebührenbar. Die mündliche Annahme eines schriftlichen Anbotes zum Abschluß eines Rechtsgeschäftes ist daher gebührenrechtlich unbeachtlich. Die im §15 Abs2 GebG enthaltene Bestimmung, daß ein schriftliches Vertragsanbot als Urkunde über das Rechtsgeschäft 'gilt', wenn nach diesem schriftlichen Anbot der Vertrag durch ein im Anbotschreiben bezeichnetes Verhalten zustande kommt, stellt ausschließlich auf den Urkundeninhalt des Vertragsanbotes ab (§17 leg.cit.). Allfällige mündliche Abreden zu einem schriftlichen Vertragsanbot haben daher gebührenrechtlich unbeachtlich zu bleiben.

Für die Frage, ob ein schriftliches Vertragsanbot als eine die Gebührenschuld auslösende Urkunde zu beurteilen ist, ist nach Ansicht der belangten Behörde allein entscheidend, ob durch eine objektiv nachvollziehbare und urkundlich beweisbare Handlung, die gemäß dem Vertragsanbot für das Zustandekommen des Vertrages erforderlich ist, der Beweis erbracht werden kann, daß das Rechtsgeschäft in der angebotenen Form abgeschlossen worden ist. Mit anderen Worten gesagt, ist anhand des vorliegenden schriftlichen Vertragsanbotes unter Außerachtlassung der hiezu getroffenen mündlichen Vereinbarungen das Zustandekommen des angebotenen Rechtsgeschäftes beweisbar, so ist das schriftliche Vertragsanbot eine Urkunde gemäß §15 Abs2 GebG. Es sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß im beschwerdegegenständlichen Fall nach dem Urteil redlich denkender Menschen (§914 ABGB) kein Zweifel besteht, daß das schriftliche Anbot mit dem Hinweis, daß der Betrag von S 260,880.000,-- bis 30. Juni 1988 zu zahlen ist, und der schriftliche Einzahlungsbeleg mit dem Verwendungszweck 'Erwerb eines Miet- und Untermietrechtes' einwandfrei den Abschluß des Vertrages in der angebotenen Form beweisen.

Abschließend ist der Beschwerde entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde keinesfalls eine Gebührenfestsetzung 'auf Grund der Zielsetzung des §15 Abs2 GebG' vorgenommen hat. Die belangte Behörde hat das Vertragsanbot als schriftliches Anbot gewertet, welches den Vorschlag beinhaltet, daß der Vertrag

durch Zahlung einer bestimmten Summe innerhalb einer gewissen Zeit zustande kommt (Akt des Finanzamtes Seite 101)."

II. Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der im Spruch genannten Wortfolge in §15 Abs2 GebG beschlossen. Er ist vorläufig davon ausgegangen, daß er bei der Beurteilung der Beschwerde unter anderem §15 Abs1 und 2 GebG anzuwenden hätte. Es sind indessen gegen den zweiten Halbsatz des ersten Satzes des Abs2 die Bedenken entstanden, daß er gegen das Sachlichkeitsgebot verstößt und daher den Gleichheitssatz verletzt.

1. Der Gerichtshof hat seinen Bedenken die folgenden Überlegungen zum Inhalt des Gesetzes vorausgeschickt:

"§15 Abs1 GebG stellt zunächst den Grundsatz auf, daß Rechtsgeschäfte - abgesehen von besonders genannten Ausnahmen wie etwa §33 TP8 Abs4, 16 Abs2 oder 17 Abs2 GebG - nur dann gebührenpflichtig sind, wenn über sie eine Urkunde errichtet wurde. Daran anknüpfend bestimmt der erste Halbsatz des ersten Satzes in Abs2 im Gegensatz zur Stammfassung des Abs2, nach welcher ein durch Austausch von Briefen oder durch sonstige schriftliche Mitteilungen zustandegekommenes Rechtsgeschäft bis zum amtlichen Gebrauch von den Schriften in der Regel gebührenfrei blieb, daß bei schriftlicher Annahme eines Vertragsanbotes das Annahmeschreiben als Urkunde über das Rechtsgeschäft gilt, und der zweite Satz des Abs2 wertet die Beurkundung einer münd- lichen Annahme wie eine schriftliche Annahmeerklärung. Die in Prüfung gezogene, den zweiten Halbsatz des ersten Satzes bildende Wortfolge behandelt dagegen auch ein bloßes schriftliches Vertragsanbot als Urkunde über das Rechtsgeschäft, wenn der Vertrag durch ein im Anbotschreiben bezeichnetes Verhalten des Anbotempfängers oder auf andere Weise als durch schriftliche oder mündliche Annahmeerklärung zustande kommt. Das Gesetz behandelt das schriftliche Vertragsanbot also nicht etwa als eine Urkunde über ein danach wie immer zustandegekommenes Rechtsgeschäft, sondern macht die Gebührenpflicht davon abhängig, daß - sofern nicht eine schriftliche Annahmeerklärung vorliegt, (die dann ihrerseits die gebührenpflichtige Urkunde darstellt) - irgendein im Anbotschreiben bezeichnetes Verhalten das Rechtsgeschäft zustandegebracht hat oder es auf andere Weise als durch mündliche Erklärung zustande gekommen ist. Der Verfassungsgerichtshof kann daher der Annahme der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, daß ein schriftliches Vertragsanbot auch dann der Gebühr unterliegt, wenn 'die auf das Anbot erfolgten konkludenten Handlungen den Abschluß des Rechtsgeschäftes beweisen, unabhängig davon, ob den konkludenten Handlungen eine mündliche Annahme vorangegangen ist oder nicht', vorläufig nicht folgen. Denn ein durch mündliche Annahme schon zustandegekommener Vertrag kann nicht mehr durch ein im Anbotschreiben bezeichnetes 'Verhalten des Anbotempfängers' oder 'auf andere Weise' - gleichsam neuerlich - zustande kommen. Gegen diese Annahme spricht außer dem klaren Wortlaut anscheinend auch der Sinn der Vorschrift: Die erkennbar beabsichtigte Gebührenfreiheit eines bloß mündlich angenommenen Vertrages würde dann durch jede mit der Abwicklung eines Vertrages verbundene Erfüllungshandlung durchkreuzt, weil diese stets 'den Abschluß des Rechtsgeschäftes beweisen' würde."

Der Gerichtshof vermochte vorläufig aber auch der Deutung des Gesetzesinhaltes in den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Gebührengesetznovelle 1976, 338 BlgNR, 14.GP, 9, nicht zu folgen.

Diese motivieren die Neufassung des Gesetzes wie folgt:

"Die Erfahrung hat gezeigt, daß über jene Rechtsgeschäfte, die auch bei einem Austausch von Anbot- und Annahmeschreiben gebührenpflichtig sind (Bestandvertrag, Dienstvertrag, Gesellschaftsvertrag, Pensionszusicherung), regelmäßig Vertragsurkunden errichtet werden. Bei allen übrigen Rechtsgeschäften wird hingegen zur Vermeidung der Gebührenpflicht oft auch von gleichzeitig anwesenden Vertragsparteien die Form von Anbot- und Annahmeschreiben gewählt oder bei bereits mündlich zustande gekommenen Rechtsgeschäften zum Schein eine Beurkundung in Form von Anbot- und Annahmeschreiben vorgenommen. Es wird also aus abgabenrechtlichen Gründen ein Weg beschritten, für den zivilrechtlich kein Bedürfnis besteht und der allenfalls zur Rechtsunsicherheit führt.

Nunmehr ist jede über ein Rechtsgeschäft errichtete Schrift, die den für die Gebührenbemessung maßgeblichen Inhalt des Rechtsgeschäftes erkennen läßt, als Urkunde anzusehen. Das sind zunächst grundsätzlich alle förmlichen Urkunden, seien sie rechtserzeugend oder rechtsbezeugend. Darüber hinaus soll aber auch jede andere Schrift die Gebührenpflicht begründen, aus der der Inhalt eines Rechtsgeschäftes und damit die für die Gebührenbemessung maßgeblichen Umstände hervorgehen, gleichgültig auf welche Weise das Rechtsgeschäft zustande gekommen ist. In diesem Sinne soll unter anderem ein Annahmeschreiben, das für sich allein den maßgeblichen Inhalt des Rechtsgeschäftes wiedergibt oder auf ein schriftliches Anbotschreiben Bezug nimmt, als eine die Gebührenpflicht auslösende Urkunde gelten. Als Urkunde soll auch ein Anbotschreiben gelten, wenn der Vertrag auf andere Weise als durch Annahmeerklärung zustande kommt. In diesem Fall entsteht jedoch die Gebührenschuld dem Grundsatz entsprechend, daß nur gültig zustande gekommene Rechtsgeschäfte den Gegenstand der Gebührenerhebung bilden können, nicht vor dem Zustandekommen des Vertrages."

Auch aus diesen - mit dem Gesetzestext in offenem Widerspruch stehenden - Erläuterungen lasse sich für die Ansicht, auch ein mündlich angenommenes schriftliches Vertragsanbot werde durch späteres Verhalten gebührenpflichtig, (mit Ausnahme einer Beurkundung der Annahme) nichts gewinnen.

Auf der Basis dieser Überlegungen zum Inhalt des Gesetzes formulierte der Gerichtshof seine Bedenken wie folgt:

"Der Verfassungsgerichtshof geht - wie schon in seiner bisherigen Rechtsprechung - davon aus, daß der in §15 Abs1 GebG verankerte Grundsatz, nur beurkundete Rechtsgeschäfte der Gebührenpflicht zu unterwerfen, eine sachlich begründbare Unterscheidung trifft. Das Vorhandensein einer Urkunde erleichtert den Beweis über das Zustandekommen eines bestimmten Rechtsgeschäftes in entscheidender Weise und stellt daher für die Beteiligten einen Vorteil dar, an den zulässigerweise eine Abgabepflicht geknüpft werden kann.

Daß ein bloßes Vertragsanbot, auch wenn es schriftlich ist, keine Urkunde über ein zustandegekommenes Rechtsgeschäft darstellt, bedarf keiner näheren Begründung. Wenn auch ein schriftliches Angebot unter gewissen Umständen den Beweis eines bestimmten Vertragsinhaltes erleichtern kann, ist es doch für sich allein dazu völlig ungeeignet. Nur im Zusammenhalt mit einem Vorgang, der in bezug auf die Beweiskraft einer Beurkundung der Annahme gleichkommt, kann ein schriftliches Vertragsanbot der Beurkundung eines zustandegekommenen Rechtsgeschäftes gleichgehalten werden. Es scheint jedoch, daß die in Prüfung gezogene Wortfolge sich nicht damit begnügt, solcherart beurkundete Rechtsgeschäfte von anderen im Detail abzugrenzen, sondern daß sie im Ergebnis eine sachlich nicht begründbare Unterscheidung zwischen Rechtsgeschäften trifft, die nur durch mündliche Annahmeerklärung zustandekommen und solche, die durch ein anderes Verhalten oder auf andere Weise abgeschlossen werden:

Neben der mündlichen Annahme 'durch Worte' kommt nach §863 ABGB auch die Erklärung durch allgemein angenommene Zeichen und durch solche Handlungen in Betracht, welche 'mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übriglassen' (schlüssige Annahme), und nach §864 ABGB auch ein dem Antrag tatsächlich entsprechendes Verhalten, wenn eine ausdrückliche Erklärung der Annahme nach der Natur des Geschäftes oder der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist (stille Annahme). Dem Verfassungsgerichtshof ist vorläufig kein sachlicher Grund erkennbar, der es rechtfertigen würde, in der Frage der Gebührenpflicht zwischen einem mündlich angenommenen schriftlichen Vertragsanbot und einem durch ein - beliebiges - anderes Verhalten angenommenen schriftlichen Vertragsanbot zu unterscheiden."

Sodann zeigt der Prüfungsbeschluß auf, daß eine strenge, am Wortlaut des Gesetzes haftende Auslegung sogar zu dem erstaunlichen Ergebnis führt, daß zwischen der Annahme durch Ja-Sagen und jener durch Kopfnicken unterschieden werden muß. So lege etwa Förster,

Der Urkundenbegriff des neuen Gebührenrechtes, GesRZ 1977, 14 ff

(16) dar:

"Eine ausdrückliche Erklärung der Annahme kann auch durch Zeichen erfolgen. Prototyp hiefür wäre 'Kopfnicken' des Oblaten, welches für 'Ja' oder 'Einverstanden' gehalten werden kann. Von den ausdrücklichen Willenserklärungen begünstigt das Gebührengesetz nur den durch Worte ('mündlich') in die Außenwelt tretenden Vertragswillen. Ein schriftliches Vertragsanbot, das ausdrücklich durch ein allgemein angenommenes Zeichen zum Geschäftsabschluß führt, wertet das Gebührengesetz als Urkunde. Von der Praxis her gesehen, wird es der Finanzbehörde jeweils im Einzelfall äußerst schwer fallen zu ergründen, ob sich der Oblat mündlich oder durch Zeichen erklärte. Damit ist es letzten Endes dem Abgabepflichtigen überlassen, ob er eine gebührenfreie oder gebührenpflichtige Beurkundung will und ob er dies auch gegenüber der Finanzbehörde behauptet."

Auch Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, 1988, 57, zählten die "Annahme durch allgemein verständliche Zeichen (§863 Abs1 Halbsatz 1 ABGB) z.B. 'Kopfnicken'" zur - Gebührenpflicht auslösenden - Annahme auf andere Weise als durch (schriftliche oder) mündliche Erklärung.

Selbst die mündliche Annahmeerklärung ("durch Worte") scheine das schriftliche Vertragsanbot dann zur Urkunde zu machen, wenn sie im Anbot als Annahmeverhalten bezeichnet wird; so meine Schönstein, Kommentar zum Gebührengesetz, 1978, 61:

"Der erste Fall der Ersatzbeurkundung bei Vertragszustandekommen durch ein im Anbotschreiben bezeichnetes Verhalten des Anbotempfängers bezieht sich insbesondere auf die mündliche Annahme, da jedes andere im Anbotschreiben bezeichnete Verhalten des Anbotempfängers (z.B. Leistung der ersten Mietzahlung) auch durch den weitreichenderen zweiten Fall dieser Vorschrift ('... auf andere Weise ...') erfaßt wird.

Der zweite Fall der Ersatzbeurkundung beinhaltet das Zustandekommen des Vertrages entweder durch ausdrückliche oder durch schlüssige Willensäußerungen, die nicht als schriftliche oder mündliche Annahmeerklärungen ausgelegt werden können (z.B. Annahme durch Zeichen). Solche schlüssigen (konkludenten, stillschweigenden) Willensäußerungen sind gem. §863 ABGB Handlungen oder Unterlassungen, die unter Berücksichtigung auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche nach den Begleitumständen Erklärungswert haben. Bei der Beurteilung solcher Handlungen und Unterlassungen ist ein strenger Maßstab anzulegen, im Zweifel liegt keine schlüssige Annahme vor. ... Als konkludente Annahmehandlung kann z.B. bei einem Mietvertrag die Zahlung des ersten Mietzinses gelten. ..."

Frotz-Hügel-Popp hielten dieser Ansicht zwar entgegen, es bewirke keine Beweisverbesserung, wenn das Anbotschreiben die Annahme durch mündliche Erklärung vorsehe, weil in beiden Fällen der Nachweis der mündlichen Annahme erst zu erbringen sei (56), doch räumten sie ein,

"... daß beide Auslegungen zu Wertungswidersprüchen führen. Folgt man Förster, so befremdet, daß ein schriftliches Vertragsanbot gebührenpflichtig ist, das etwa Annahme durch Kopfnicken vorsieht, nicht aber ein Vertragsanbot, das mündlich angenommen werden soll; beide Formen der Annahme sind idR gleich schwer zu beweisen. Folgt man Schönstein, hängt die Gebührenpflicht eines schriftlichen Anbots, das mündlich angenommen wird, davon ab, ob diese Form der Annahme im Anbot vorgesehen war; dies bringt aber hinsichtlich der Beweisbarkeit der Annahme ebenfalls keinen Unterschied, der die unterschiedliche Regelung rechtfertigen könnte."

Dazu komme, daß die mündliche Annahme eines schriftlichen Vertragsanbotes mangels gegenteiliger Willensäußerung des Anbieters schon kraft Gesetzes freisteht, im Anbot also garnicht ausdrücklich vorgesehen werden braucht. Der Verfassungsgerichtshof könne aber vorläufig überhaupt nicht erkennen, warum allein der Umstand, daß ein im schriftlichen Vertragsanbot bezeichnetes Verhalten des Anbotempfängers den Vertrag zustandebringt, es rechtfertigen soll, ihn der Gebührenpflicht zu unterwerfen. Und er könne auch nichts finden, was es rechtfertigen würde, zwischen der mündlichen Annahme ("durch Worte") und dem Zustandekommen auf - beliebige - andere Weise zu unterscheiden. Auf eine besondere - der Beurkundung auch nur nahekommende - Beweiskraft des "im Anbotschreiben bezeichneten Verhaltens des Anbotempfängers" oder des Zustandekommens "auf andere Weise" gegenüber einer schlichten mündlichen Annahme sei offenkundig nirgends abgestellt.

Die im Spruch genannte Wortfolge scheine also die Gebührenpflicht für Rechtsgeschäfte, über deren Zustandekommen keine Urkunde vorliegt, in unsachlicher Weise abzugrenzen.

2. Die Bundesregierung hat von einer Äußerung in der Sache abgesehen, für den Fall der Aufhebung des Gesetzes jedoch eine Befristung von einem Jahr beantragt, um ein grundsätzliches Überdenken des Systems des Gebührengesetzes zu ermöglichen.

III. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig.

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde oder an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Wortfolge zweifeln ließe. Auch sonst sind die Prozeßvoraussetzungen gegeben.

IV. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes treffen auch zu. Die in Prüfung gezogene Wortfolge verstößt gegen den Gleichheitssatz.

Das Verfahren hat nichts ergeben, was die Bedenken zerstreut hätte. Der Meinung der Behörde, die mündliche Annahme eines Anbotschreibens sei gebührenrechtlich unbeachtlich und schließe die Gebührenpflicht nicht aus, wenn nur der Abschluß des Rechtsgeschäftes sonstwie bewiesen werden kann, steht der Wortlaut des Gesetzes entgegen, nach welchem es auf die Art des Zustandekommens des Vertrages ankommt. Es erübrigt sich daher eine nähere Erörterung, wie eine Regelung dieses Inhaltes verfassungsrechtlich zu beurteilen wäre. Auch die Aussagen der Erläuterungen zur Novelle 1976, deren Ziel die Erfassung von Verträgen war, die nicht durch Errichtung einer schriftlichen Vertragsurkunde, sondern nur mittels Austausch von Anbot- und Annahmeschreiben zustandekommen oder beurkundet werden, scheitert - soweit sie auf eine beliebige Beweisbarkeit des Zustandekommens unter Außerachtlassung gerade nur der mündlichen Annahme hindeuten - am Wortlaut des Gesetzes, wonach es gerade nicht gleichgültig ist, auf welche Weise das Rechtsgeschäft zustandegekommen ist, sondern ein mündlich angenommenes und daher einer Annahme auf andere Weise garnicht mehr zugängliches Anbotschreiben nicht als (gebührenpflichtige) Urkunde über das Rechtsgeschäft gilt.

Ist aber ein mündlich angenommenes Anbotschreiben keine (gebührenpflichtige) Urkunde und die Beurkundung der (mündlichen) Annahme ihrerseits ein (gebührenpflichtiges) Annahmeschreiben, so bleibt die Unterscheidung zwischen mündlicher Annahme einerseits und Annahme durch ein im Anbotschreiben bezeichnetes Verhalten des Anbotempfängers oder Zustandekommen auf andere Weise als durch (schriftliche oder mündliche) Annahmeerklärung andererseits ganz rätselhaft (vgl. auch Arnold, Rechtsgebühren, 1988, 125f). Es ist nichts zu erkennen, was es rechtfertigen könnte, eine Annahme durch Ja-Sagen anders zu beurteilen als eine Annahme durch Kopfnicken, oder die Annahme durch eine im Anbotschreiben ausdrücklich vorgesehene mündliche Erklärung anders als durch eine schlichte mündliche Annahme ohne solche Bezeichnung als taugliches Annahmeverhalten im Anbotschreiben, und es ist darüber hinaus durch keine sachliche Überlegung erklärbar, warum jedes beliebige Annahmeverhalten das schriftlich angebotene Rechtsgeschäft gebührenpflichtig machen und nur die mündliche Annahmeerklärung es gebührenfrei lassen soll. Die in Prüfung gezogene Wortfolge grenzt also die Gebührenpflicht für Rechtsgeschäfte, über deren Zustandekommen in Wahrheit keine Urkunde vorliegt, in unsachlicher Weise ab. Sie ist daher als gleichheitswidrig aufzuheben.

Eine weitere Anwendung der aufgehobenen Wortfolge hält der Gerichtshof angesichts der geradezu skurrilen Wirkungen, die nach dem Gesetz in allen denkbaren Auslegungsvarianten eintreten, für unangebracht.

Der Ausspruch über das Nichtwiederinkrafttreten früherer Bestimmungen stützt sich auf Art140 Abs6 B-VG, die Kundmachungsverpflichtung auf Art140 Abs5 B-VG.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).

Schlagworte

Gebühr (GebG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G10.1992

Dokumentnummer

JFT_10078987_92G00010_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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