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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §54 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des V in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 13. August 1993, Zl. Fr 1510/93, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirekton für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 13. August 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Iran, vom 6. Mai 1993 auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Iran gemäß § 54 Abs. 1 FrG zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, von der Bundespolizeidirektion Wien sei am 28. Februar 1990 gegen den Beschwerdeführer ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Ein Antrag gemäß § 54 FrG sei nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr in einem förmlichen Feststellungsverfahren zu behandeln, sondern als unzulässig zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 54 Abs. 1 FrG hat die Behörde auf Antrag eines Fremden mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist. Zufolge des § 54 Abs. 2 leg. cit. kann der Antrag nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.
Nach dem Wortlaut des § 54 Abs. 2 FrG ist ein auf § 54 Abs. 1 FrG gestützter Antrag vom Zeitpunkt der Einleitung eines Aufenthaltsverbotsverfahrens bis zu dessen rechtskräftigen Abschluß zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1993, Zl. 93/18/0472).
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß zum Zeitpunkt seines Antrages ein neues Verfahren zur Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen ihn anhängig gewesen sei. Dieses Verfahren, welches von der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn geführt worden und in welchem am 19. Oktober 1993 ein Bescheid ergangen sei, sei infolge seiner Berufung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
Die belangte Behörde vertritt dazu in der Gegenschrift die Auffassung, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides von der Erlassung eines neuerlichen Aufenthaltsverbotes noch keine Rede gewesen sei.
Entscheidend für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ist, ob im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer eingeleitet war. Für die amtswegige Einleitung eines Aufenthaltsverbotsverfahrens ist weder im Fremdengesetz noch im AVG ein bestimmter Verfahrensakt vorgeschrieben. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich folgendes:
Die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn ordnete nach Verständigung durch die Justizanstalt Sonnberg über die Einlieferung des Beschwerdeführers dessen Ladung zur Einvernahme an. In der darauf erfolgten Niederschrift vom 6. Mai 1993 wurde als Gegenstand der Amtshandlung die "fremdenpolizeiliche Behandlung" angegeben. Der Inhalt der Niederschrift lautet - soweit hier wesentlich - wie folgt:
"Aus der Haft vorgeführt gibt der Obgenannte, mit dem Gegenstand der Verhandlung vertraut gemacht und nach Belehrung über die Bestimmungen der §§ 51 bis 54 FrG, über Befragen folgendes an: ...
Es wird mir mitgeteilt, daß von der Fremdenpolizeibehörde aufgrund meiner schweren Verurteilung ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für ganz Österreich gegen mich erlassen werden kann, daß ich aufgrund eines Aufenthaltsverbotes Österreich nach Entlassung aus der Gerichtshaft unverzüglich verlassen müßte und daß ich während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ohne eine spezielle Bewilligung nach Österreich nicht mehr zurückkommen dürfte.
Ich ersuche die Fremdenpolizeibehörde, nach Möglichkeit gegen mich kein Aufenthaltsverbot zu erlassen bzw. im Falle der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes mich nicht in den Iran abzuschieben. ...
Ich stelle hiemit gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes den Antrag, mit Bescheid festzustellen, daß eine Abschiebung meiner Person in den Iran aus den oben angeführten Gründen nicht zulässig ist. ...
Sollte bis zu einer - eventuellen vorzeitigen - Entlassung meiner Person aus der Strafhaft noch nicht geklärt sein, welche fremdenpolizeilichen Maßnahmen mit mir geschehen sollen, werde ich in Schubhaft genommen werden. Die Schubhaft kann von der Fremdenpolizeibehörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung einer eventuellen Abschiebung verhängt werden. ..."
Der Verwaltungsgerichtshof vermag bei dieser Sachlage der in der Gegenschrift geäußerten Rechtsmeinung der belangten Behörde, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides von der Erlassung eines neuerlichen Aufenthaltsverbotes noch keine Rede gewesen sei, nicht beizupflichten. Die Erklärungen der erstinstanzlichen Behörde in der Niederschrift vom 6. Mai 1993 bei der Einvernahme des Beschwerdeführers zum Gegenstand "fremdenpolizeiliche Behandlung" waren vom Beschwerdeführer als Einleitung eines Aufenthaltsverbotsverfahrens aufzufassen. Die belangte Behörde hat die Amtshandlungen der Erstbehörde nicht in ihre Feststellungen und in die rechtlichen Überlegungen miteinbezogen, wodurch der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig blieb.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand ist die Umsatzsteuer bereits enthalten, sodaß das darauf gerichtete Begehren abzuweisen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993180600.X00Im RIS seit
11.07.2001