Entscheidungsdatum
15.10.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W231 2211543-4/25E
ERKENNTNIS
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch die CARITAS Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2022, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Iran, vertreten durch die CARITAS Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2022, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I wird als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. stattgegeben und XXXX gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt. römisch II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. stattgegeben und römisch 40 gem. Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthalts-berechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, Asylgesetz 2005 wird römisch 40 eine befristete Aufenthalts-berechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.
III. Die übrigen Spruchpunkte werden ersatzlos behoben.römisch III. Die übrigen Spruchpunkte werden ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang: römisch eins. Verfahrensgang:
I.1. Vorverfahren:römisch eins.1. Vorverfahren:
I.1.1. Der Beschwerdeführer („BF“), ein iranischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Gilani, stellte nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.06.2018 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz.römisch eins.1.1. Der Beschwerdeführer („BF“), ein iranischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Gilani, stellte nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.06.2018 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1.2. Im Rahmen der Erstbefragung gab der BF im Wesentlichen an, dass er im Iran Personen unterrichtet habe, die aus dem Islam ausgetreten seien und ihre Religion gewechselt hätten. Er sei von zivilen Personen bedroht worden. Er habe sich auch auf der Universität kritisch gegenüber der Regierung bzw. dem System geäußert. Er sei selbst keine politische Person. Weil er nicht wählen gegangen sei und die Regierung nicht aktiv unterstütze, seien ihm auch keine weiteren Stunden von der Universität gegeben worden. Er habe Angst um sein Leben.
1.1.3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl („BFA“) am 09.08.2018 gab der BF zusammengefasst an, dass er eine Organisation gegründet und dort Bahai unterrichtet habe. Die Religionspolizei habe ihn aufgefordert, diese rauszuschmeißen und nicht mehr zu unterrichten. Die Universität sei auch angegriffen worden und Kollegen hätten dem BF erzählt, dass nach ihm gefragt worden sei. Sein Unterricht sei auch als politisch motiviert angesehen worden.
1.1.4. Mit Bescheid vom 16.11.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).1.1.4. Mit Bescheid vom 16.11.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch III.). Weiters wurde gegen den BF gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Iran gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).
1.1.5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde.
1.1.6. Das Bundesverwaltungsgericht („BVwG“) führte am 19.08.2019 und am 23.09.2019 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.
1.1.7. Mit Erkenntnis des BVwG vom 29.07.2020, Zl. W259 2211543-1/27E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
1.1.8. Mit Schriftsatz vom 22.12.2020, beim BVwG am 23.12.2020 eingelangt, stellte der BF einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu W259 2211543-1 sowie einen Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht. Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF am 19.12.2020 von seinem Bruder zwei E-Mails erhalten habe, mit welcher der BF über die Existenz von zwei gerichtlichen Ladungen in Kenntnis gesetzt worden sei. Die Ladungen seien als Kopien dem Anhang der E-Mails beigefügt. Die Originale würden vom Bruder des BF postalisch versendet werden. Sobald der BF über diese verfüge, werde er diese dem BVwG vorlegen. Die Dokumente würden neue Beweismittel darstellen, die im Hauptinhalt des Spruches ein anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten. Wie durch die vorgelegten Beweismittel bescheinigt, drohe dem BF mit Blick auf die Länderberichte ein unfaires gerichtliches Verfahren sowie die Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen. Zudem würden die gerichtlichen Ladungen beweisen, dass der BF bereits in das Visier der iranischen Behörden geraten sei. Dem BF treffe kein Verschulden daran, dass diese Dokumente erst nach der Entscheidung des Gerichts in seinen Besitz gelangt seien. Da der BF am 19.12.2020 aufgrund der E-Mails des Bruders Kenntnis von den neuen Beweismitteln erlangt habe, ergehe der Antrag auf Wiederaufnahme binnen der zweiwöchigen Präklusionsfrist.
1.1.9. Mit Beschluss des BVwG vom 11.01.2021, Zl. W259 2211543-2/4E, wurde der Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht zurückgewiesen.
1.1.10. Mit Schreiben vom 25.06.2021 wurde dem BF die Übersetzung der vorgelegten Beilagen vom 22.12.2020 zur Kenntnis gebracht und wurde diesem die Möglichkeit gegeben, eine allfällige Stellungnahme abzugeben.
1.1.11. Mit Beschluss des BVwG vom 07.12.2021, Zl W259 2211543-3/7E, wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des BF abgewiesen.
I.2. Gegenständliches Verfahren:römisch eins.2. Gegenständliches Verfahren:
1.2.1. Am 09.09.2021 stellte der BF einen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zu seinem Fluchtgrund befragt an, dass er zum Christentum konvertiert sei und zu Ostern 2022 voraussichtlich getauft werde. Aus diesem Grund sei es ihm nicht mehr möglich, in den Iran zurückzukehren. Zu seinen Befürchtungen im Falle einer Rückkehr brachte der BF vor, dass ihm als konvertierten Christen im Iran die Todesstrafe drohe.
1.2.2. Am 06.09.2021 langte beim BFA eine Stellungnahme samt Beweismittelvorlage ein.
1.2.3. Am 23.11.2021 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung und an einer Panikstörung leide. Er stehe in psychiatrischer Behandlung. Im Herkunftsland seien nach wie vor die Onkel und Cousins des BF aufhältig, mit welchen er in Kontakt stehe. Seine Eltern seien bereits verstorben. Im Herkunftsland habe der BF Jus studiert und als Assistent des Professors an der Universität gearbeitet.
Aufgrund einer Panikattacke des BF wurde die Einvernehme unterbrochen und am 20.12.2021 fortgesetzt.
In der fortgesetzten Einvernahme brachte der BF weiters vor, dass er der christlichen Glaubensgemeinschaft angehöre und zu Ostern getauft werde. In Österreich besuche der BF regelmäßig einen Psychiater und einen Psychotherapeuten. Zudem sei der BF Diabetiker und nehme Medikamente ein. Die Eltern des BF seien bereits verstorben, sein Bruder halte sich in der Türkei auf. Der BF habe unregelmäßigen Kontakt zu seinen Freunden im Herkunftsland.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF an, dass im Herkunftsland sein Leben bedroht sei, da er eine andere Religion angenommen habe. Dies sei sein einziger Fluchtgrund. Er habe bereits im Iran eine christliche Schule besucht und sich mit dem Christentum beschäftigt, er sei lediglich nach Österreich gekommen, um sich taufen zu lassen. Er sei erst am 06.09.2021 aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten, da er zuvor nicht gewusst habe, dass er austreten könne. Der BF verfüge über Grundwissen über den Islam, da er als Schüler darüber gelernt habe. Mittlerweile kenne er sich aber nicht mehr gut aus. In Österreich besuche der BF drei verschiedene Seminare zum Christentum sowie den Gottesdienst. Er habe bereits zwei Mal versucht, Personen zu missionieren. Ferner gab der BF an, seit zwei Jahren eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin zu führen.
1.2.4. Am 03.01.2022 langte bei der Behörde eine Stellungnahme zu den im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme eingebrachten Länderberichte ein. Darin wurde erneut auf die gesundheitliche Verfassung des BF hingewiesen und Unterlagen in Zusammenhang mit dem Vorbringen des BF vorgelegt.
1.2.5. Am 15.06.2022 wurde dem BF ein Parteiengehör gewährt und die Beantwortung bestimmter Fragen – insbesondere im Zusammenhang mit dem Aufenthalt und der Integration des BF in Österreich – aufgetragen. Die Beantwortung der Fragen sowie eine Stellungnahme zu den aktualisierten Länderfeststellungen erfolgte am 06.07.2022.
1.2.6. Mit Bescheid vom 22.11.2022 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).1.2.6. Mit Bescheid vom 22.11.2022 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch III.). Weiters wurde gegen den BF gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Iran gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).
1.2.7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 16.12.2022. Der BF sei zum Christentum konvertiert und habe aus diesem Grund Verfolgung im Herkunftsland zu befürchten. Zudem wurde auf die gesundheitlichen Einschränkungen des BF und seinen langen Aufenthalt in Österreich sowie die damit einhergehenden privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet hingewiesen.
1.2.8. Am 04.05.2023 erstattete der BF erneut im Wege seiner Rechtsvertretung eine Stellungnahme hinsichtlich der aktuellen Länderberichte zum Iran und brachte neue Länderberichte ins Verfahren ein.
1.2.9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.05.2023 in Anwesenheit eines beeideten Dolmetschers für die Sprache Farsi, im Beisein des rechtskundigen Vertreters des BF eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Der Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen. Im Rahmen der Verhandlung wurde auch der für die vom BF besuchte Farsigemeinde zuständige Pfarrer als Zeuge zur Glaubensüberzeugung des BF befragt.
1.2.10. Mit Schreiben vom 01.06.2023 und 13.06.2023 brachte der BF weitere Unterlagen zu seinem Gesundheitszustand und seinem Fluchtvorbringen sowie eine diesbezügliche Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein.
1.2.11. Weiters legte der BF mit Schreiben vom 27.10.2023 weitere Unterlagen im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren (Teilnahmezertifikat an einem B2-Deutschkurs, Behindertenpass) vor.
1.2.12. Mit Beschluss vom 01.02.2024 wurde das Verfahren über die Beschwerde gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-222/22 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.03.2021, Zl. EU 2022/0001-1, vorgelegten Fragen ausgesetzt. In dieser Rechtssache hat der EuGH mit Urteil vom 29.02.2024 entschieden. Zusammengefasst, darf die Zuerkennung von Asyl aufgrund von in einem Folgeantrag geltend gemachten „selbst geschaffenen“ Umständen nicht davon abhängen, dass diese Umstände Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung sind.1.2.12. Mit Beschluss vom 01.02.2024 wurde das Verfahren über die Beschwerde gemäß Paragraph 38, AVG in Verbindung mit Paragraph 17, VwGVG bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-222/22 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.03.2021, Zl. EU 2022/0001-1, vorgelegten Fragen ausgesetzt. In dieser Rechtssache hat der EuGH mit Urteil vom 29.02.2024 entschieden. Zusammengefasst, darf die Zuerkennung von Asyl aufgrund von in einem Folgeantrag geltend gemachten „selbst geschaffenen“ Umständen nicht davon abhängen, dass diese Umstände Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung sind.
1.2.13. Mit Schreiben vom 02.04.2024 hat der BF zum LIB Iran, Version 7, Stellung genommen. Daraus ergebe sich, dass Konvertiten im Iran nach wie vor verfolgt würden. Weiters wurden Unterlagen (Kursbesuchsbestätigung B2, Bestätigung über ehrenamtliche Arbeit, Arztbrief, wonach der BF aufgrund seines hohen Grades der Behinderung – 80% - täglich in vielen Belangen auf Hilfe angewiesen sei; Bestätigung über Diagnose und Therapie der Erkrankungen Diabetes Mellitus Typ II, Arterielle Hypertonie, Dyslipidämie). In der Folge wurde eine weitere Bestätigung über die ehrenamtliche Tätigkeit des BF in einem Pensionistenheim – Seniorenbetreuung durch zB Schachspielen - vorgelegt. 1.2.13. Mit Schreiben vom 02.04.2024 hat der BF zum LIB Iran, Version 7, Stellung genommen. Daraus ergebe sich, dass Konvertiten im Iran nach wie vor verfolgt würden. Weiters wurden Unterlagen (Kursbesuchsbestätigung B2, Bestätigung über ehrenamtliche Arbeit, Arztbrief, wonach der BF aufgrund seines hohen Grades der Behinderung – 80% - täglich in vielen Belangen auf Hilfe angewiesen sei; Bestätigung über Diagnose und Therapie der Erkrankungen Diabetes Mellitus Typ römisch II, Arterielle Hypertonie, Dyslipidämie). In der Folge wurde eine weitere Bestätigung über die ehrenamtliche Tätigkeit des BF in einem Pensionistenheim – Seniorenbetreuung durch zB Schachspielen - vorgelegt.
1.2.14. Am 03.04.2024 stellte die erkennende Richterin folgende Anfrage an die Staatendokumentation: „Gibt es, bzw. welche Unterstützung (Sozialleistungen, staatliche/nichtstaatliche Organisationen etc.) gibt es in Iran für Menschen, die einen hohen Grad der Behinderung (konkret 80 %) aufweisen und die aufgrund ihrer Behinderung allenfalls kein eigenes Einkommen erwirtschaften können?“ Diese Anfrage wurde am 24.05.2024 beantwortet.
1.2.15. Dazu nahm der BF Stellung; aus der Anfragebeantwortung gehe hervor, dass die darin genannten gesetzlichen Leistungen nicht zuverlässig und nicht regelmäßig an Betroffene ausbezahlt werden bzw. diesen zur Verfügung stehen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der BF bei einer Rückkehr zu diesen Leistungen Zugang hätte.
1.2.16. Mit Stellungnahme vom 10.10.2024 nahm der BF zum aktuellen LIB Iran, Version 8, Stellung, wies darin erneut auf die erfolgte Taufe und den regelmäßigen Gottesdienstbesuch hin und legte Nachweise zu diversen Integrationsbemühungen vor. Die belangte Behörde hat von der Einbringung einer Stellungnahme abgesehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Zur Person des BF:römisch II.1. Zur Person des BF:
Der BF ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren; seine Identität steht fest. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Gilani und seine Muttersprache ist Farsi. Er ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF wurde am 12.03.1972 in der Stadt Rasht in der Provinz Gilan geboren und wuchs in der Stadt Rasht auf. Die Eltern des BF sind verstorben. Sein Bruder hält sich mittlerweile in der Türkei auf.
Der BF hat im Iran die Schule mit Matura abgeschlossen und danach 6 Jahre die Universität besucht. Er hat die Universität mit einem Bachelor- und einem Mastertitel abgeschlossen. Zuletzt hat er auf einer Universität gearbeitet. Gemeinsam mit seinem Bruder hat er ein Institut gegründet, in dem gelehrt wurde. Das Institut wurde im Jahr 2014 geschlossen. Er arbeitete auch als Erfinder und Versicherungsagent.
Der BF hat den Iran legal im April 2016 verlassen und hielt sich in Österreich bis April 2018 mit einem Studentenvisum auf.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten und hatte darüber hinaus keine Probleme mit österreichischen Behörden. Er ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft.
In Österreich verfügt der BF über keine familiären Anknüpfungspunkte.
Der BF weist in Österreich keine strafgerichtlichen Verurteilungen auf.
II.2. Zum Gesundheitszustand des BF:römisch II.2. Zum Gesundheitszustand des BF:
Der BF leidet an einer hochgradigen Parese und Entwicklungsrückstand der rechten oberen Extremität im oberen Rahmensatz bei verkürztem rechtem Arm mit Funktionslosigkeit, weshalb ein Grad der Behinderung von 80% festgestellt wurde. Der BF verfügt über einen entsprechenden Behindertenpass, ausgestellt von der zuständigen österreichischen Behörde. Der BF ist aufgrund seines hohen Grades der Behinderung – 80% - täglich in vielen Belangen auf Hilfe angewiesen.
Der BF leidet weiter an einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer paranoiden Persönlichkeitsstörung, ist diesbezüglich in fachärztlicher Behandlung und nimmt täglich Medikamente ein (CANDESARCOMP TBL 16/12,5mg, CIPRALEX FTBL 10mg, JENTADUETO FTBL 2,5/1000mg, ROSUVASTATIN + PH FTBL 10mg, THROMBO ASS FTBL 100mg). Einmal wöchentlich nimmt der BF OLEOVIT D3 TR und als Einzelfallmedikation wurde dem BF TRUXAL FTBL 15mg verschrieben.
Zudem ist der BF an Diabetes Mellitus Typ II, Arterielle Hypertonie und Dyslipidämie erkrankt und nimmt auch dagegen Medikamente ein.Zudem ist der BF an Diabetes Mellitus Typ römisch II, Arterielle Hypertonie und Dyslipidämie erkrankt und nimmt auch dagegen Medikamente ein.
II.3. Der BF reiste im Jahr 2016 legal mit einem Visum in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seither durchgehend in Österreich auf. Nach Ablauf des Visums stellte der BF am 22.06.2018 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Erkenntnis des BVwG vom 29.07.2020, Zl. W259 2211543-1/27E, als unbegründet abgewiesen wurde. Eine drohende Verfolgung durch die Religionspolizei im Herkunftsstaat aufgrund des Umstandes, dass der BF zusammen mit seinem Bruder eine Organisation gegründet und dort Bahai unterrichtet habe, konnte der BF nicht glaubhaft machen.römisch II.3. Der BF reiste im Jahr 2016 legal mit einem Visum in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seither durchgehend in Österreich auf. Nach Ablauf des Visums stellte der BF am 22.06.2018 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Erkenntnis des BVwG vom 29.07.2020, Zl. W259 2211543-1/27E, als unbegründet abgewiesen wurde. Eine drohende Verfolgung durch die Religionspolizei im Herkunftsstaat aufgrund des Umstandes, dass der BF zusammen mit seinem Bruder eine Organisation gegründet und dort Bahai unterrichtet habe, konnte der BF nicht glaubhaft machen.
Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb in Österreich.
II.4. Zu den Fluchtgründen des BF:römisch II.4. Zu den Fluchtgründen des BF:
Am 09.09.2021 stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Diesen begründete er damit, dass er zum Christentum konvertiert sei. Der BF bringt nunmehr vor, dass er sich bereits im Herkunftsland für das Christentum interessiert habe und in Österreich getauft worden sei. Zudem habe er in Österreich an Demonstrationen gegen das iranische Regime teilgenommen.
Der BF hat seinen Herkunftsstaat nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen und hätte nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch keine asylrelevanten Übergriffe in diesem Zusammenhang zu befürchten. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle der Rückkehr in den Iran Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch den iranischen Staat oder Privatpersonen droht.
Der BF wuchs im Iran als schiitischer Moslem auf. Im Iran wandte sich der BF nicht ernsthaft dem Christentum zu und missionierte nicht. Dem BF wird dies auch nicht von iranischen Behörden oder Privatpersonen unterstellt.
In Österreich wurde der BF im März 2022 zu den Sakramenten der Eingliederung (Initiation) der katholischen Kirche zugelassen und nahm an Angeboten der Gemeinde teil (Bestätigung vom 28.06.2022). Am 13.08.2022 wurde der BF katholisch getauft. Der BF besucht regelmäßig den Gottesdienst. Das Christentum ist allerdings kein wesentlicher Bestandteil der Identität des BF geworden.
Der BF nahm vereinzelt an Demonstrationen gegen das iranische Regime im Bundesgebiet teil. Er hatte dabei keine besonders exponierte Position inne. Dass der BF wegen der Teilnahme an Demonstrationen in Österreich gegen das iranische Regime nach dem Tod der Iranierin Mahsa AMINI im Iran vom iranischen Staat verfolgt wird, kann nicht festgestellt werden.
Andere Fluchtgründe wurden vom BF nicht vorgebracht und sind auch während des Verfahrens nicht hervorgekommen.
II.5. Zur Rückkehrsituation des BF:römisch II.5. Zur Rückkehrsituation des BF:
Für den BF ist aufgrund seines hohen Grades der Behinderung (80%), in Zusammenschau mit seinen weiteren Erkrankungen, die Suche nach einer Erwerbsarbeit und auch die Aufnahme einer Erwerbsarbeit deutlich erschwert. Der BF hat mittlerweile keine Angehörigen im Herkunftsland mehr, die ihn bei einer Rückkehr zumindest anfänglich unterstützen könnten. Das Ausmaß der Unterstützung durch den Herkunftsstaat ist unklar bzw. ist diese Unterstützung nicht gesichert. Vor diesem Hintergrund ist nicht gesichert, dass der BF im Iran bei einer Rückkehr seine grundlegende Existenz sichern könnte.
II.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:römisch II.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zum Iran (Version 8, 26.06.2024):
Politische Lage (letzte Änderung 2024-06-26)
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (FAZ 24.3.2023). Sie kombiniert republikanisch-demokratische Elemente mit einem theokratischen System, wobei die theokratischen Aspekte die republikanischen Prinzipien größtenteils überschatten und untergraben (BS 19.3.2024). Das Kernkonzept der Verfassung ist die "Rechtsgelehrtenherrschaft" (velayat-e faqih). Nach schiitischem Glauben gibt es einen verborgenen Zwölften Imam, den als Erlöser am Jüngsten Gericht von Gott gesandten Muhammad al-Mahdi (BPB 10.1.2020). Gemäß diesem Prinzip soll ein schiitischer Theologe praktisch in Stellvertretung des seit dem Jahr 874 in Verborgenheit weilenden Mahdi agieren und die Geschicke des Gemeinwesens lenken (BAMF 5.2022). Darauf aufbauend schuf Ajatollah Ruhollah Khomeini 1979 ein auf ihn zugeschnittenes Amt, das über allen gewählten Organen steht und somit die republikanischen Verfassungselemente des Präsidenten und des Parlaments neutralisiert: das Amt des "Herrschenden Rechtsgelehrten" (vali-ye faqih), dessen Inhaber auch "Revolutionsführer" (rahbar) genannt wird. Der Revolutionsführer übt quasi stellvertretend für den Zwölften Imam bis zu dessen Rückkehr die Macht aus (BPB 10.1.2020).
Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter, religiöser Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 11.2021). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 14.3.2024), ist höchste Autorität des Landes, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und ernennt den Leiter des Justizwesens sowie des staatlichen Rundfunks und die Mitglieder des Schlichtungsrats (FH 2024). Ihm unterstehen auch die Islamischen Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inkl. der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. In der Hand religiöser Stiftungen und der "Garden" liegen mächtige Wirtschaftsunternehmen, die von der infolge der US-Sanktionen wachsenden Schattenwirtschaft profitieren (ÖB Teheran 11.2021). Die ultimative Macht liegt trotz der in der Islamischen Republik Iran abgehaltenen Wahlen in den Händen des Obersten Führers und den nicht gewählten Institutionen unter seiner Kontrolle. Diese Institutionen, einschließlich der Sicherheitskräfte und der Justiz, spielen eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung von abweichenden Meinungen und anderen Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten. Nach den Anti-Regierungs-Protesten unter dem Motto "Frau, Leben, Freiheit", die durch den Tod von Jina Mahsa Amini in Gewahrsam der Sittenpolizei im Jahr 2022 ausgelöst worden waren, haben die iranischen Behörden mit ausgedehnten Maßnahmen durchgegriffen (FH 2024). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Die Revolutionsgarden, die direkt Revolutionsführer Khamenei unterstehen, bleiben selbst ein militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor (AA 30.11.2022).
Entscheidende Gremien sind der vom Volk direkt gewählte Expertenrat sowie der Wächterrat (ÖB Teheran 11.2021). Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der "Gesamtinteressen des Systems" zu achten (AA 14.3.2024). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 11.2021). Er sollte die Arbeit des Revolutionsführers kontrollieren. In der Praxis scheint er die Entscheidungen des Revolutionsführers jedoch nicht herauszufordern (FH 2024). Der Expertenrat wird zwar direkt von der Bevölkerung gewählt, jedoch müssen die Kandidaten zunächst vom Wächterrat bestätigt werden (BS 19.3.2024). Sechs der zwölf Mitglieder des Wächterrats sind vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte (klerikale) Juristen, die vom Parlament bestätigt werden müssen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (ÖB Teheran 11.2021), er überwacht die Übereinstimmung der vom Parlament verabschiedeten Gesetze mit dem islamischen Recht (Scharia) (BS 19.3.2024), ist jedoch noch wesentlich mächtiger (ÖB Teheran 11.2021). Er entscheidet, wer bei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen antreten darf (BS 19.3.2024). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2020).
Der Präsident ist nach dem Revolutionsführer der zweithöchste Amtsträger im Staat. Er bildet ein Regierungskabinett, das vom Parlament bestätigt werden muss (FH 2024). Das iranische Regierungssystem ist damit ein semipräsidiales und an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (ÖB Teheran 11.2021), der jeweils für zwei hintereinanderfolgende Amtszeiten zur Wahl antreten darf (FH 2024). Der Präsident ist für das tagespolitische Geschäft zuständig und hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik des Landes (BBC 8.10.2022). Seine Macht ist allerdings vergleichsweise beschränkt, vor allem in Sicherheitsfragen (BBC 8.10.2022; vgl. BPB 10.1.2020). Die Befugnisse des gewählten Präsidenten werden durch den Revolutionsführer und andere nicht gewählte Behörden eingeschränkt (FH 2024), wie auch durch das Parlament (BBC 8.10.2022).Der Präsident ist nach dem Revolutionsführer der zweithöchste Amtsträger im Staat. Er bildet ein Regierungskabinett, das vom Parlament bestätigt werden muss (FH 2024). Das iranische Regierungssystem ist damit ein semipräsidiales und an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (ÖB Teheran 11.2021), der jeweils für zwei hintereinanderfolgende Amtszeiten zur Wahl antreten darf (FH 2024). Der Präsident ist für das tagespolitische Geschäft zuständig und hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik des Landes (BBC 8.10.2022). Seine Macht ist allerdings vergleichsweise beschränkt, vor allem in Sicherheitsfragen (BBC 8.10.2022; vergleiche BPB 10.1.2020). Die Befugnisse des gewählten Präsidenten werden durch den Revolutionsführer und andere nicht gewählte Behörden eingeschränkt (FH 2024), wie auch durch das Parlament (BBC 8.10.2022).
Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 11.2021). Das Parlament ist die gesetzgebende Institution Irans. Allerdings muss bei Gesetzesvorhaben die Vereinbarkeit mit der islamischen Rechtstradition beachtet werden. Gesetzesvorschläge kommen von den Ministern oder den Abgeordneten (DW 16.6.2021). Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz kann vom Wächterrat so lange an das Parlament zurückverwiesen werden, bis es seinen Vorstellungen entspricht (DW 16.6.2021; vgl. FH 2024). Der Wächterrat weist oftmals Gesetze zurück, die er als "unislamisch" ansieht (FH 2024). Die Bewerber um einen Parlamentssitz erhalten ihre Unterstützung nicht von Parteien, sondern von klerikalen und wirtschaftlichen Interessengruppen (DW 16.6.2021; vgl. FP 7.3.2024).Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 11.2021). Das Parlament ist die gesetzgebende Institution Irans. Allerdings muss bei Gesetzesvorhaben die Vereinbarkeit mit der islamischen Rechtstradition beachtet werden. Gesetzesvorschläge kommen von den Ministern oder den Abgeordneten (DW 16.6.2021). Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz kann vom Wächterrat so lange an das Parlament zurückverwiesen werden, bis es seinen Vorstellungen entspricht (DW 16.6.2021; vergleiche FH 2024). Der Wächterrat weist oftmals Gesetze zurück, die er als "unislamisch" ansieht (FH 2024). Die Bewerber um einen Parlamentssitz erhalten ihre Unterstützung nicht von Parteien, sondern von klerikalen und wirtschaftlichen Interessengruppen (DW 16.6.2021; vergleiche FP 7.3.2024).
Am 18.6.2021 fanden in Iran Präsidentschaftswahlen statt (AA 14.3.2024), die der konservative Hardliner und vormalige Justizchef Ebrahim Raisi mit mehr als 62 % der Stimmen gewonnen hat (Standard 19.6.2021). Der Wettbewerb um die Wählerstimmen war stark manipuliert. Der Wächterrat hatte im Vorfeld die meisten der 600 Präsidentschaftskandidaten - darunter auch 40 Frauen - abgelehnt. Drei der genehmigten Kandidaten zogen ihre Kandidatur wenige Tage vor der Wahl zurück. Die Behörden übten auf die Medien Druck aus, um kritische Berichterstattung über Raisi oder den Wahlvorgang zu verhindern (FH 2024). Nachdem Raisi am 19.5.2024 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam (Standard 20.5.2024), wurden für den 28.6.2024 Neuwahlen angesetzt (Zeit Online 20.5.2024). Der Wächterrat hat unter 80 Bewerbern sechs Kandidaten zur Wahl zugelassen (Tagesschau 9.6.2024). Ausgeschlossen wurden vor allem Bewerber, die als moderat oder reformorientiert gelten (BAMF 10.6.2024), auch wenn mit Massoud Pezeshkian ein Kandidat antreten durfte, der den Reformisten zugerechnet wird (IRINTL 12.6.2024; vgl. Guardian 11.6.2024). Laut Medienberichten hat die iranische Presseaufsichtsbehörde im Vorfeld der vorgezogenen Präsidentschaftswahlen Richtlinien für die Berichterstattung und Veröffentlichung von Medieninhalten zur Wahl erlassen. Es wurde angekündigt, dass sämtliche Inhalte, die darauf abzielen würden, die Wahlbeteiligung negativ zu beeinflussen, sowie jegliche Form der Organisation von Protestversammlungen als kriminell eingestuft würden. Die Richtlinien würden insbesondere auch für soziale Medien gelten (BAMF 10.6.2024). Am 18.6.2021 fanden in Iran Präsidentschaftswahlen statt (AA 14.3.2024), die der konservative Hardliner und vormalige Justizchef Ebrahim Raisi mit mehr als 62 % der Stimmen gewonnen hat (Standard 19.6.2021). Der Wettbewerb um die Wählerstimmen war stark manipuliert. Der Wächterrat hatte im Vorfeld die meisten der 600 Präsidentschaftskandidaten - darunter auch 40 Frauen - abgelehnt. Drei der genehmigten Kandidaten zogen ihre Kandidatur wenige Tage vor der Wahl zurück. Die Behörden übten auf die Medien Druck aus, um kritische Berichterstattung über Raisi oder den Wahlvorgang zu verhindern (FH 2024). Nachdem Raisi am 19.5.2024 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam (Standard 20.5.2024), wurden für den 28.6.2024 Neuwahlen angesetzt (Zeit Online 20.5.2024). Der Wächterrat hat unter 80 Bewerbern sechs Kandidaten zur Wahl zugelassen (Tagesschau 9.6.2024). Ausgeschlossen wurden vor allem Bewerber, die als moderat oder reformorientiert gelten (BAMF 10.6.2024), auch wenn mit Massoud Pezeshkian ein Kandidat antreten durfte, der den Reformisten zugerechnet wird (IRINTL 12.6.2024; vergleiche Guardian 11.6.2024). Laut Medienberichten hat die iranische Presseaufsichtsbehörde im Vorfeld der vorgezogenen Präsidentschaftswahlen Richtlinien für die Berichterstattung und Veröffentlichung von Medieninhalten zur Wahl erlassen. Es wurde angekündigt, dass sämtliche Inhalte, die darauf abzielen würden, die Wahlbeteiligung negativ zu beeinflussen, sowie jegliche Form der Organisation von Protestversammlungen als kriminell eingestuft würden. Die Richtlinien würden insbesondere auch für soziale Medien gelten (BAMF 10.6.2024).
Am 1.3.2024 fanden zuletzt Parlamentswahlen statt, wobei der Wettbewerb im Wesentlichen zwischen Hardlinern und unauffälligen Konservativen stattfand, die alle ihre Loyalität zu den revolutionären Idealen bekundeten, während einflussreiche Gemäßigte und Konservative der Wahl fernblieben und Reformisten die Wahl als nicht frei und unfair bezeichneten (REU 4.3.2024; vgl. FP 7.3.2024). Der dafür zuständige Wächterrat hatte im Vorfeld massenhaft Kandidaten disqualifiziert (Standard 4.3.2024; vgl. IRINTL 23.1.2024) und die Namen der schlussendlich antretenden Kandidaten wurden weniger als zwei Wochen vor der Wahl bekannt gegeben. Der Wahlkampf dauerte nur zehn Tage, sodass die Wähler wenig Zeit hatten, um die Kandidaten kennenzulernen (NYT 28.2.2024). Aktivisten wie auch Oppositionsgruppen haben im Vorfeld zu einem Boykott der Wahlen aufgerufen (REU 4.3.2024; vgl. NYT 28.2.2024), was auch zu Verhaftungen geführt hat (Standard 4.3.2024). Die Wahlbeteiligung lag landesweit bei 41 %, was die niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Parlamentswahl seit 1979 darstellt (2020 lag die Wahlbeteiligung bei 42,5 %, 2016 bei rund 62 %) (REU 4.3.2024). Die Wahlbeteiligung wird sowohl von Anhängern als auch Kritikern der Regierung als Gradmesser für die Legitimität des Regimes angesehen (NYT 28.2.2024).Am 1.3.2024 fanden zuletzt Parlamentswahlen statt, wobei der Wettbewerb im Wesentlichen zwischen Hardlinern und unauffälligen Konservativen stattfand, die alle ihre Loyalität zu den revolutionären Idealen bekundeten, während einflussreiche Gemäßigte und Konservative der Wahl fernblieben und Reformisten die Wahl als nicht frei und unfair bezeichneten (REU 4.3.2024; vergleiche FP 7.3.2024). Der dafür zuständige Wächterrat hatte im Vorfeld massenhaft Kandidaten disqualifiziert (Standard 4.3.2024; vergleiche IRINTL 23.1.2024) und die Namen der schlussendlich antretenden Kandidaten wurden weniger als zwei Wochen vor der Wahl bekannt gegeben. Der Wahlkampf dauerte nur zehn Tage, sodass die Wähler wenig Zeit hatten, um die Kandidaten kennenzulernen (NYT 28.2.2024). Aktivisten wie auch Oppositionsgruppen haben im Vorfeld zu einem Boykott der Wahlen aufgerufen (REU 4.3.2024; vergleiche NYT 28.2.2024), was auch zu Verhaftungen geführt hat (Standard 4.3.2024). Die Wahlbeteiligung lag landesweit bei 41 %, was die niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Parlamentswahl seit 1979 darstellt (2020 lag die Wahlbeteiligung bei 42,5 %, 2016 bei rund 62 %) (REU 4.3.2024). Die Wahlbeteiligung wird sowohl von Anhängern als auch Kritikern der Regierung als Gradmesser für die Legitimität des Regimes angesehen (NYT 28.2.2024).
Am 1.3.2024 wurde auch der Expertenrat neu gewählt (Standard 4.3.2024; vgl. REU 4.3.2024). Die Wahlen wurden vom Regime dafür genützt, den Expertenrat zu verjüngen (Standard 4.3.2024). Die 88 Mitglieder des auf acht Jahre gewählten Gremiums bestimmen den religiösen Führer, eine Aufgabe, von der angenommen wird, dass sie der Expertenrat in Anbetracht des gesundheitlichen Zustands des 84-jährigen Ayatollahs Khamenei in dieser Amtszeit auch wahrnehmen wird müssen. Durch die Auswahl der zur Wahl stehenden Kandidaten wurde sichergestellt, welche politische Richtung gewinnt. Es wurden nur Kandidaten im Sinne Khameneis und seines islamistischen geistlichen Erbes zugelassen, von denen erwartet wird, dass sie im Fall seines Ablebens "keine Schwierigkeiten machen" und nicht auf reformerische Ideen kommen (Standard 4.3.2024; vgl. Tagesschau 11.2.2024).Am 1.3.2024 wurde auch der Expertenrat neu gewählt (Standard 4.3.2024; vergleiche REU 4.3.2024). Die Wahlen wurden vom Regime dafür genützt, den Expertenrat zu verjüngen (Standard 4.3.2024). Die 88 Mitglieder des auf acht Jahre gewählten Gremiums bestimmen den religiösen Führer, eine Aufgabe, von der angenommen wird, dass sie der Expertenrat in Anbetracht des gesundheitlichen Zustands des 84-jährigen Ayatollahs Khamenei in dieser Amtszeit auch wahrnehmen wird müssen. Durch die Auswahl der zur Wahl stehenden Kandidaten wurde sichergestellt, welche politische Richtung gewinnt. Es wurden nur Kandidaten im Sinne Khameneis und seines islamistischen geistlichen Erbes zugelassen, von denen erwartet wird, dass sie im Fall seines Ablebens "keine Schwierigkeiten machen" und nicht auf reformerische Ideen kommen (Standard 4.3.2024; vergleiche Tagesschau 11.2.2024).
Präsident, Parlament und Expertenrat werden in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 30.11.2022; vgl. FH 2024). In kaum einem anderen Land des Nahen Ostens kam es jedoch zu derart umkämpften Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die bestehenden programmatischen Differenzen zwischen prinzipientreuem Klerus und neokonservativen Technokraten, wirtschaftsliberalen Pragmatikern und klerikalen oder gar säkularen Reformern spiegelten einen Pluralismus in Iran wider, der allerdings phasenweise aufs Schärfste bedroht war (BPB 31.1.2020b). Die Wahlen in Iran waren einst hart umkämpft, mit Kandidaten aller großen politischen Parteien auf dem Stimmzettel. Die Ergebnisse waren unvorhersehbar und die Wahlbeteiligung war hoch. In den letzten Jahren hatten die Wähler jedoch nur noch die Möglichkeit, zwischen konservativen Kandidaten zu wählen (NYT 28.2.2024). Der Tod von Mahsa Amini im September 2022, der weitverbreitete Proteste auslöste, fand bereits im Kontext einer Wende zur schärferen Durchsetzung von "islamischen Werten" statt, die nach der ebenso streng regulierten Wahl von Ebrahim Raisi zum iranischen Präsidenten im Juni 2021 eingeleitet wurde. Dies wird auch damit in Verbindung gebracht, dass das Regime beim Ableben des inzwischen 84-jährigen Khamenei mit einem Übergangsszenario konfrontiert werden wird, bei dem die Entscheidungsträger nichts dem Zufall überlassen wollen (Standard 4.3.2024). In dieser Hinsicht befindet sich die Islamische Republik Iran laut einer Expertin in einer "kritischen Übergangsphase" (Zamirirad/SWP 19.4.2023).Präsident, Parlament und Expertenrat werden in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 30.11.2022; vergleiche FH 2024). In kaum einem anderen Land des Nahen Ostens kam es jedoch zu derart umkämpften Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die bestehenden programmatischen Differenzen zwischen prinzipientreuem Klerus und neokonservativen Technokraten, wirtschaftsliberalen Pragmatikern und klerikalen oder gar säkularen Reformern spiegelten einen Pluralismus in Iran wider, der allerdings phasenweise aufs Schärfste bedroht war (BPB 31.1.2020b). Die Wahlen in Iran waren einst hart umkämpft, mit Kandidaten aller großen politischen Parteien auf dem Stimmzettel. Die Ergebnisse waren unvorhersehbar und die Wahlbeteiligung war hoch. In den letzten Jahren hatten die Wähler jedoch nur noch die Möglichkeit, zwischen konservativen Kandidaten zu wählen (NYT 28.2.2024). Der Tod von Mahsa Amini im September 2022, der weitverbreitete Proteste auslöste, fand bereits im Kontext einer Wende zur schärferen Durchsetzung von "islamischen Werten" statt, die nach der ebenso streng regulierten Wahl von Ebrahim Raisi zum iranischen Präsidenten im Juni 2021 eingeleitet wurde. Dies wird auch damit in Verbindung gebracht, dass das Regime beim Ableben des inzwischen 84-jährigen Khamenei mit einem Übergangsszenario konfrontiert werden wird, bei dem die Entscheidungsträger nichts dem Zufall überlassen wollen (Standard 4.3.2024). In dieser Hinsicht befindet sich die Islamische Republik Iran laut einer Expertin in einer "kritischen Übergangsphase" (Zamirirad/SWP 19.4.2023).
Frauen haben das aktive Wahlrecht, werden bei der politischen Teilhabe allerdings mit bedeutsamen rechtlichen, religiösen und kulturellen Hindernissen konfrontiert. Nach Interpretation des Wächterrats verwehrt die iranische Verfassung es Frauen, die Ämter des Revolutionsführers oder Präsidenten, Funktionen im Experten-, Wächter- und Schlichtungsrat sowie manche Richterposten anzutreten (USDOS 23.4.2024). Frauen sind in der Politik, einschließlich der Regierung, deutlich unterrepräsentiert (FH 2024). Bei den Parlamentswahlen 2024 waren 1.713 der insgesamt 15.200 Kandidaten Frauen. Gegenüber den Parlamentswahlen im Jahr 2020 hat sich ihre Anzahl damit mehr als verdoppelt (NYT 28.2.2024).