Entscheidungsdatum
23.10.2023Norm
AWG 2002 §62 Abs2Anmerkung
VwGH 24.10.2024, Ra 2023/07/0169-10, ZurückweisungText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Grubner als Einzelrichter über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 14. April 2021, Zl. ***, betreffend Maßnahmen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 (Schließung einer ortsfesten Abfallbehandlungsanlage) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Grubner als Einzelrichter über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 14. April 2021, Zl. ***, betreffend Maßnahmen nach Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 (Schließung einer ortsfesten Abfallbehandlungsanlage) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird behoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Schließung der auf den Grundstücken Nr. *** und ***, KG ***, betriebenen ortsfesten Abfallbehandlungsanlage (Sortier- und Recyclinganlage samt Zwischenlagerflächen und Nebenanlagen) verfügt. Zudem wurde angeordnet, dass ab sofort keine Abfallbehandlung durchgeführt und keine neuen Abfälle in die Anlage zugeführt werden dürfen.
Begründend führte die belangte Behörde – zusammengefasst – an, dass die Auflage 27 (Aufzeichnungspflichten) und die Auflage 37 (Untersuchungspflichten) des Bescheides vom 24. Juli 2018, ***, mit dem die abfallrechtliche Genehmigung und die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung der Abfallbehandlungsanlage erteilt worden sind, für das Jahr 2019 nicht eingehalten worden seien. Es würden keine Nachweise vorliegen, dass das im Jahr 2019 übernommene Material dem qualitativen und quantitativen Abfallkonsens entsprechen würde. Vielmehr sei der quantitative Konsens um mehr als 150 % überschritten worden und es würden erhebliche Überschreitungen zu näher genannten Schwellenwerten der QZV Chemie Grundwasser vorliegen. Mit Verfahrensanordnung vom 16. Februar 2021 (ergänzt am 23. März 2021) sei zur Vorlage der Aufzeichnungen über Art, Menge, Herkunft und Verbleib der Abfälle (zusammengefasst als Jahresbilanz) sowie zur Vorlage der Prüfberichte (betreffend 196 Untersuchungen unter Bezugnahme auf die Bilanz aus dem EDM Portal – 488 000 t) aufgefordert worden. Unter einem sei darauf hingewiesen worden, dass bei Nichtentsprechen Maßnahmen wie die Schließung erfolgen würden. Der Verfahrensanordnung sei nicht entsprochen worden.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides bzw in eventu die Behebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung des Verfahren an die Verwaltungsbehörde.
In ihrer Begründung führte die Beschwerdeführerin – zusammengefasst – an, die gegenständlichen angenommenen Auflagenverstöße würden keinen Anwendungsfall des § 62 Abs. 2 AWG 2002 darstellen. Die angenommenen Verstöße gegen die Auflagen würden nicht mehr vorliegen. Weiters würde die dem angefochtenen Bescheid vorangehende Verfahrensanordnung den gesetzlichen Voraussetzungen nicht entsprechen und die Schließung keine geeignete Maßnahme zur Beseitigung der Auflagenverstöße darstellen bzw sei diese nicht verhältnismäßig im engeren Sinne.In ihrer Begründung führte die Beschwerdeführerin – zusammengefasst – an, die gegenständlichen angenommenen Auflagenverstöße würden keinen Anwendungsfall des Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 darstellen. Die angenommenen Verstöße gegen die Auflagen würden nicht mehr vorliegen. Weiters würde die dem angefochtenen Bescheid vorangehende Verfahrensanordnung den gesetzlichen Voraussetzungen nicht entsprechen und die Schließung keine geeignete Maßnahme zur Beseitigung der Auflagenverstöße darstellen bzw sei diese nicht verhältnismäßig im engeren Sinne.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 24. Juli 2023 und am 25. September 2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakte der belangten Behörde zu ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, die hg. Verwaltungsgerichtsakten zu LVwG-AV-1052-2021 und LVwG-AV-1259-2022, sowie durch Befragung des handelsrechtlichen Geschäftsführers der Beschwerdeführerin, des abfallrechtlichen Vertreters der Beschwerdeführerin, des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin, des Vertreters der belangten Behörde und des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz C.
Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wies in der Verhandlung – zusammengefasst – darauf hin, dass die angeführten Materialien schon lange nicht mehr in der Anlage seien. Bei den Auflagen gehe es nicht um die Kapazität der Anlage, sondern um die durchzuführenden Untersuchungen. Es gehe ausschließlich um die Frage, ob die Materialien beprobt worden seien oder nicht. Diese Umstände könnten kein Grund für eine Schließung sein. Der handelsrechtliche Geschäftsführer gab an, dass das Material im Zuge der Rückbauarbeiten entsorgt worden sei. Die übernommenen Materialien seien vor Übernahme beprobt worden. Es gehe nur noch um das Handling auf der Anlage. Der abfallrechtliche Geschäftsführer wies darauf hin, dass für die Jahre 2021 und 2022 von der Behörde vorgeschrieben worden sei, die Zahlen mitzuteilen und die Prüfberichte vorzulegen. Das sei auch so erfolgt. Für 2019 wisse er es nicht. Sie hätten es zwar durchgeführt, aber nicht an die Behörde übermittelt. Das sei ihr Fehler gewesen. Für das Bodenmaterial seien keine entsprechenden Untersuchungen vorhanden. Die Bilanz sei seit 2020 nicht geändert worden.
Der Vertreter der belangten Behörde wies darauf hin, dass einschließlich des Jahres 2019 keine Unterlagen vorgelegt worden wären, die eine Überprüfung ermöglicht hätten. Die belangte Behörde könne nicht nachvollziehen, welches Material eingebracht worden sei. Es liege der Verdacht nahe, dass nach wie vor konsenswidrig betrieben werde, weil die Nachweise nach wie vor nicht vorgelegt worden seien, und zwar auch nicht für die Betriebsjahre nach 2019. Der Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz führte in der Verhandlung u.a. an, es sei auf Grund der vorliegenden Informationen bzw der seit 2020 vorgenommenen Änderungen (Abgrabungen) unwahrscheinlich, dass Materialuntersuchungen für das Jahr 2019 noch nachgeholt werden könnten.
4. Feststellungen:
Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 24. Juli 2018, ***, wurden der D GmbH (Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin) die abfallrechtliche Genehmigung und die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer ortsfesten Behandlungsanlage für Abfälle bestehend aus einer Sortier- und Recyclinganlage samt Zwischenlagerflächen und Nebenanlagen (Gesamtfläche etwa 77 845 m², Jahresdurchsatz 190 000 t, Gesamtlagermenge 79 540 m³) auf den Grundstücken Nr. *** – ***, KG ***, befristet bis 30. Juni 2028, unter Vorschreibung von Auflagen, erteilt. Es handelt sich um keine IPPC-Anlage.
Auflage 27 des Bescheides vom 24. Juli 2018, ***, in der Fassung des Bescheides vom 19. Dezember 2019, ***, lautet:
„27. Hinsichtlich der übernommenen Abfälle zur Zwischenlagerung und Behandlung sind geeignete Aufzeichnungen über Art, Menge, Herkunft und Verbleib zu führen. Diese Aufzeichnungen sind als Jahresbilanzen zusammenzufassen.“
Auflage 35 des genannten Bescheides lautet:
„35. Das Grundwassersondensystem (2 Zustrom- und 4 Abstromsonden) ist zumindest jährlich einmal durch ein befugtes Unternehmen warten (Kamerabefahrung, spülen, entsanden) und beproben zu lassen.
Die Grundwasserstände sowie der Seewasserstand sind vorläufig vierteljährlich (einmal davon bei der Beprobung) zu messen (Abstich), aufzuzeichnen (in müA) und in Form eines Grundwasserschichtenplans fachkundig durch Darstellung der Abstromverhältnisse auswerten zu lassen.
Dem Prüfbericht zu den Wasseruntersuchungen ist stets ein Sondenplan mit den eindeutigen Bezeichnungen der Messstellen anzuschließen; diese Bezeichnungen sind dauerhaft auf den Sondenüberschubrohren anzubringen.
Die Wasseruntersuchungen haben sich auf folgende Parameter zu erstrecken:
[…]
Die Untersuchungsergebnisse sind der Qualitätszielverordnung Chemie Grundwasser (QZV) und der Trinkwasserverordnung gegenüber zu stellen; Überschreitungen der Grenz- oder Schwellenwerte sind auszuweisen.
Der Prüfbericht ist der Behörde nach Vorliegen umgehend zu übermitteln.“
Auflage 37 des genannten Bescheides lautet:
„37. Die zur Verwertung vorgesehenen bzw zwischengelagerten Materialien (Bodenaushub, Erden, Recycling-Baustoff U-A) sind jeweils nach Abfallart getrennt durch ein externes befugtes Unternehmen („befugt“ nach §2 AWG 2002) im Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit und bautechnische Eignung jedenfalls zumindest einmal pro Jahr untersuchen zu lassen.
Zur Bestätigung der Umweltverträglichkeit ist standortbezogen für Bodenaushubmaterial zumindest die Qualitätsklasse A2 (gemäß BAWP 2017) einzuhalten. Es ist ein Untersuchungsmaßstab von maximal 2.500 t zu wählen (bei Verdacht auf eine gefährliche Kontamination ein Untersuchungsmaßstab von 500 t).
Für Recyclingmaterial ist die Klasse U-A einzuhalten. Die Umweltverträglichkeit ist gemäß Recycling-Baustoffverordnung unter Anwendung des Anhangs 3 zu belegen.
Die Prüfberichte sind der Behörde nach Vorliegen umgehend zu übermitteln.“
Auflage 27 wurde für das Betriebsjahr 2019 teilweise nicht erfüllt, Auflage 37 wurde für das Betriebsjahr 2019 nicht erfüllt. Die Verfahrensanordnungen bezogen sich auf den aus der (teilweisen) Nichterfüllung und den in den Verfahrensanordnungen angeführten Stellungnahmen resultierenden Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs im Jahr 2019. Die Abfallbehandlungsanlage wird seit 2019 durchgehend betrieben, der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs liegt auch für die Folgejahre vor.
5. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen im insofern unbedenklichen Verwaltungsakt, insbesondere in der Überprüfungsverhandlung der gegenständlichen Abfallbehandlungsanlage (Ortsaugenschein) am 22. Oktober 2020, und den Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
Die Feststellungen, dass den Auflagen 27 und 37 des Bescheides vom 24. Juli 2018 für das Betriebsjahr 2019 (teilweise) nicht entsprochen wurde und dass die Abfallbehandlungsanlage nach wie vor betrieben wird, gründen im Vorbringen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Personen. Die Feststellungen zum Verdacht der Konsensüberschreitung – zumindest in qualitativer Hinsicht – in den Folgejahren gründen in den Ausführungen des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz vom 15. März 2021 zu Auflage 35 des Bescheides vom 24. Juli 2018, ***, in der Fassung des Bescheides vom 19. Dezember 2019, ***, wonach auf Grund eines Prüfberichts der Firma E vom 9. Dezember 2020 die Werte für Ammonium und Phosphat in der Sonde BWS2 überschritten wären. Es sei von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Abfallbehandlungsanlage und den Grenzwertüberschreitungen auszugehen. Sie sind weiters in dem Umstand begründet, dass bestimmte Nachweise zur Überprüfung der Einhaltung des Konsenses auch für die Folgejahre – zumindest hinsichtlich der Strukturierung – von der Beschwerdeführerin noch zu überarbeiten sind.
6. Rechtslage:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des AWG 2002 lauten:
„6. Abschnitt[…]
[…]
[…]
[…]“
7. Erwägungen:
7.1. Nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 hat die Behörde, wenn der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes einer Behandlungsanlage, welche gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist, besteht, – unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens – den Inhaber der Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes aufzufordern. Kommt der Inhaber einer solchen Aufforderung nicht nach, hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.7.1. Nach Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 hat die Behörde, wenn der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes einer Behandlungsanlage, welche gemäß den Paragraphen 37,, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist, besteht, – unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens – den Inhaber der Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes aufzufordern. Kommt der Inhaber einer solchen Aufforderung nicht nach, hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.
§ 62 Abs. 2 AWG 2002 dient der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, somit des konsensmäßigen Betriebs einer (genehmigten) Abfallbehandlungsanlage. Im AWG 2002 sind vielfach Regelungen den ihnen korrespondierenden Bestimmungen der GewO 1994 nachgebildet, weshalb in diesen Fällen auf die Rechtsprechung zur GewO 1994 zurückgegriffen werden kann, während bei anderen Regelungen des AWG 2002 dies nicht der Fall und ein Rückgriff unzulässig ist. Entscheidend für die Heranziehung der Rechtsprechung der GewO 1994 zum Verständnis von Regelungen des AWG 2002 ist die Vergleichbarkeit der Regelungen. Eine Vergleichbarkeit im Sinne dieser Judikatur liegt zwischen den Bestimmungen des § 360 Abs. 1 GewO 1994 und des § 62 Abs. 2 AWG 2002 vor, sodass die zu § 360 Abs. 1 GewO 1994 ergangene Judikatur auf § 62 Abs. 2 AWG 2002 übertragbar erscheint. Zweck der nach § 360 Abs. 1 GewO 1994 zu verfügenden Maßnahmen ist die kurzfristige Beseitigung einer Gefahr oder Belästigung, wie dies auch aus der beispielhaften Aufzählung der anzuordnenden Maßnahmen (Stilllegung von Maschinen, Schließung von Teilen des Betriebes oder Schließung des gesamten Betriebes) zum Ausdruck kommt. Aus der kurzfristigen Realisierbarkeit und dem temporären Charakter ergibt sich die Abgrenzung von Maßnahmen nach dieser Gesetzesstelle gegenüber Maßnahmen nach § 79 GewO 1994 als „Dauermaßnahmen“ (VwGH 17. Dezember 2015, 2013/07/0174). § 62 Abs. 2 AWG 2002 dient somit der Einhaltung des Genehmigungskonsenses beim Betrieb einer Behandlungsanlage (vgl. NÖ LVwG 8. April 2022, LVwG-AV-1502/001-2020, mit Hinweis auf VwGH 20. September 2012, 2011/07/0235).Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 dient der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, somit des konsensmäßigen Betriebs einer (genehmigten) Abfallbehandlungsanlage. Im AWG 2002 sind vielfach Regelungen den ihnen korrespondierenden Bestimmungen der GewO 1994 nachgebildet, weshalb in diesen Fällen auf die Rechtsprechung zur GewO 1994 zurückgegriffen werden kann, während bei anderen Regelungen des AWG 2002 dies nicht der Fall und ein Rückgriff unzulässig ist. Entscheidend für die Heranziehung der Rechtsprechung der GewO 1994 zum Verständnis von Regelungen des AWG 2002 ist die Vergleichbarkeit der Regelungen. Eine Vergleichbarkeit im Sinne dieser Judikatur liegt zwischen den Bestimmungen des Paragraph 360, Absatz eins, GewO 1994 und des Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 vor, sodass die zu Paragraph 360, Absatz eins, GewO 1994 ergangene Judikatur auf Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 übertragbar erscheint. Zweck der nach Paragraph 360, Absatz eins, GewO 1994 zu verfügenden Maßnahmen ist die kurzfristige Beseitigung einer Gefahr oder Belästigung, wie dies auch aus der beispielhaften Aufzählung der anzuordnenden Maßnahmen (Stilllegung von Maschinen, Schließung von Teilen des Betriebes oder Schließung des gesamten Betriebes) zum Ausdruck kommt. Aus der kurzfristigen Realisierbarkeit und dem temporären Charakter ergibt sich die Abgrenzung von Maßnahmen nach dieser Gesetzesstelle gegenüber Maßnahmen nach Paragraph 79, GewO 1994 als „Dauermaßnahmen“ (VwGH 17. Dezember 2015, 2013/07/0174). Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 dient somit der Einhaltung des Genehmigungskonsenses beim Betrieb einer Behandlungsanlage vergleiche NÖ LVwG 8. April 2022, LVwG-AV-1502/001-2020, mit Hinweis auf VwGH 20. September 2012, 2011/07/0235).
7.2. § 62 Abs. 2 AWG 2002 kommt zur Anwendung, wenn der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage besteht (VwGH 23. Juli 2021, Ra 2021/05/0007). Ein Verdacht muss nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich über bloße Vermutungen hinausgehen und erfordert einen auf bestimmten Tatsachen beruhenden Erfahrungsschluss, der die Annahme eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage, die gemäß §§ 37, 52 oder 54 AWG 2002 genehmigungspflichtig ist, vertretbar bzw nicht völlig ausgeschlossen erscheinen lässt (so Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4 § 360 Rz 6, zum insoweit vergleichbaren § 360 Abs. 1 GewO 1994).7.2. § 62 Absatz 2, AWG 2002 kommt zur Anwendung, wenn der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage besteht (VwGH 23. Juli 2021, Ra 2021/05/0007). Ein Verdacht muss nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich über bloße Vermutungen hinausgehen und erfordert einen auf bestimmten Tatsachen beruhenden Erfahrungsschluss, der die Annahme eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage, die gemäß Paragraphen 37,, 52 oder 54 AWG 2002 genehmigungspflichtig ist, vertretbar bzw nicht völlig ausgeschlossen erscheinen lässt (so Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4 Paragraph 360, Rz 6, zum insoweit vergleichbaren Paragraph 360, Absatz eins, GewO 1994).
Dem Beschwerdevorbringen, Auflagenverstöße würden ein Vorgehen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 nicht tragen, kommt keine Berechtigung zu: Die mit dieser Bestimmung behördlich verfügte Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes dient nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sehr wohl auch der Einhaltung von erteilten Auflagen (vgl. VwGH 23. Juli 2021, Ra 2021/05/0007, mit Hinweis auf VwGH 29. Jänner 2015, Ra 2014/07/0059, mwN). Die belangte Behörde hat aber die Schließung nicht bloß deswegen verfügt, weil gegen Auflagen verstoßen worden wäre, sondern vielmehr deswegen, weil auf Grund des behaupteten Verstoßes gegen Auflagen der Verdacht bestand, der Konsens sei in qualitativer und in quantitativer Hinsicht überschritten worden. Der Amtssachverständige für Abfallchemie hat dazu unter Bezugnahme auf die Bilanz 2019 aus dem EDM Portal darauf hingewiesen, dass im Jahr 2019 der Abfallbehandlungsanlage etwa 488 000 t Abfälle zugeführt worden seien. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Verwendung als Bodenverbesserungsmaßnahmen bzw Bodenaustausch von etwa 210 000 t sei nicht nachvollziehbar. Der Behörde würden daher keine Nachweise für die Einhaltung des quantitativen Konsenses vorliegen (190 000 t pro Jahr). Der Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz hat auf Grenzwertüberschreitungen, somit die Nichteinhaltung des Konsenses in qualitativer Hinsicht, hingewiesen.Dem Beschwerdevorbringen, Auflagenverstöße würden ein Vorgehen nach Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 nicht tragen, kommt keine Berechtigung zu: Die mit dieser Bestimmung behördlich verfügte Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes dient nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sehr wohl auch der Einhaltung von erteilten Auflagen vergleiche VwGH 23. Juli 2021, Ra 2021/05/0007, mit Hinweis auf VwGH 29. Jänner 2015, Ra 2014/07/0059, mwN). Die belangte Behörde hat aber die Schließung nicht bloß deswegen verfügt, weil gegen Auflagen verstoßen worden wäre, sondern vielmehr deswegen, weil auf Grund des behaupteten Verstoßes gegen Auflagen der Verdacht bestand, der Konsens sei in qualitativer und in quantitativer Hinsicht überschritten worden. Der Amtssachverständige für Abfallchemie hat dazu unter Bezugnahme auf die Bilanz 2019 aus dem EDM Portal darauf hingewiesen, dass im Jahr 2019 der Abfallbehandlungsanlage etwa 488 000 t Abfälle zugeführt worden seien. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Verwendung als Bodenverbesserungsmaßnahmen bzw Bodenaustausch von etwa 210 000 t sei nicht nachvollziehbar. Der Behörde würden daher keine Nachweise für die Einhaltung des quantitativen Konsenses vorliegen (190 000 t pro Jahr). Der Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz hat auf Grenzwertüberschreitungen, somit die Nichteinhaltung des Konsenses in qualitativer Hinsicht, hingewiesen.
Auf Grund der (teilweisen) Nichterfüllung der Auflagen in Zusammenhang mit den Angaben der Amtssachverständigen konnte die belangte Behörde zu Recht vom Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes (Überschreitung in qualitativer und quantitativer Sicht) ausgehen. Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 lagen daher vor.Auf Grund der (teilweisen) Nichterfüllung der Auflagen in Zusammenhang mit den Angaben der Amtssachverständigen konnte die belangte Behörde zu Recht vom Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes (Überschreitung in qualitativer und quantitativer Sicht) ausgehen. Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 lagen daher vor.
7.3. Das Vorgehen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 ist mehrstufig ausgestaltet: Zunächst hat die Behörde eine entsprechende – nicht gesondert anfechtbare – Verfahrensanordnung betreffend die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes zu erlassen. Erst bei Nichtentsprechung hat die Behörde die den Gegenstand der Aufforderung bildenden Maßnahmen mittels Bescheid vorzuschreiben (vgl. Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 [2015] § 62 Rz 18).7.3. Das Vorgehen nach Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 ist mehrstufig ausgestaltet: Zunächst hat die Behörde eine entsprechende – nicht gesondert anfechtbare – Verfahrensanordnung betreffend die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes zu erlassen. Erst bei Nichtentsprechung hat die Behörde die den Gegenstand der Aufforderung bildenden Maßnahmen mittels Bescheid vorzuschreiben vergleiche Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 [2015] Paragraph 62, Rz 18).
Gegenständlich hat die belangte Behörde eine Verfahrensanordnung erlassen. Diese wurde ergänzt. Die Beschwerdeführerin ist der Aufforderung der belangten Behörde, den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen, nicht nachgekommen. Anschließend wurde die Schließung der Behandlungsanlage mit Bescheid verfügt.
Die belangte Behörde hat somit den zweistufigen Prozess nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 eingehalten.Die belangte Behörde hat somit den zweistufigen Prozess nach Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 eingehalten.
7.4. Das Verwaltungsgericht hat die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Im Zeitpunkt der Erlassung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung müssen daher ebenso wie im Zeitpunkt der Erlassung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung die Voraussetzungen für die Maßnahme (zB Schließung des Betriebs) gegeben sein. Fällt während des Verfahrens eine dieser Voraussetzungen weg, so ist eine vergangenheitsbezogene Feststellung zu erlassen (vgl. zur Rechtslage nach der GewO 1994 Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4 § 360 Rz 33). Die Kriterien der Erforderlichkeit und Geeignetheit beziehen sich darauf, ob mit Maßnahmen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 Konsenswidrigkeiten beseitigt werden können. Dazu muss eine Einzelfallbeurteilung erfolgen (vgl. Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 [2015] § 62 Rz 17 mwH; vgl. weiters Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4 § 360 Rz 14).7.4. Das Verwaltungsgericht hat die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Im Zeitpunkt der Erlassung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung müssen daher ebenso wie im Zeitpunkt der Erlassung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung die Voraussetzungen für die Maßnahme (zB Schließung des Betriebs) gegeben sein. Fällt während des Verfahrens eine dieser Voraussetzungen weg, so ist eine vergangenheitsbezogene Feststellung zu erlassen vergleiche zur Rechtslage nach der GewO 1994 Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4 Paragraph 360, Rz 33). Die Kriterien der Erforderlichkeit und Geeignetheit beziehen sich darauf, ob mit Maßnahmen nach Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 Konsenswidrigkeiten beseitigt werden können. Dazu muss eine Einzelfallbeurteilung erfolgen vergleiche Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 [2015] Paragraph 62, Rz 17 mwH; vergleiche weiters Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4 Paragraph 360, Rz 14).
Liegen – wie in diesem Fall – entsprechende Tatsachenfeststellungen vor, kommt der Behörde kein Ermessen zu. Sie trifft vielmehr die Pflicht, nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 vorzugehen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Maßnahmen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 schwerwiegende Eingriffe in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin darstellen können. Es sind daher, wie es der Gesetzeswortlaut des § 62 Abs. 2 AWG 2002 gebietet, lediglich erforderliche und geeignete Maßnahmen zu setzen. Die Schließung des Betriebes stellt dabei die härteste Zwangsmaßnahme dar und ist nur dann zu verfügen, wenn der gebotene Erfolg mit anderen Maßnahmen nicht erreicht werden kann (vgl. Berl/Forster, Abfallwirtschaftsrecht [2016] Rz 281). Dies unterscheidet § 62 Abs. 2 AWG 2002 von § 62 Abs. 2a AWG 2002, welcher ausschließlich eine Schließung des gesamten der Rechtsordnung nicht entsprechenden Betriebs vorsieht.Liegen – wie in diesem Fall – entsprechende Tatsachenfeststellungen vor, kommt der Behörde kein Ermessen zu. Sie trifft vielmehr die Pflicht, nach Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 vorzugehen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Maßnahmen nach Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 schwerwiegende Eingriffe in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin darstellen können. Es sind daher, wie es der Gesetzeswortlaut des Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 gebietet, lediglich erforderliche und geeignete Maßnahmen zu setzen. Die Schließung des Betriebes stellt dabei die härteste Zwangsmaßnahme dar und ist nur dann zu verfügen, wenn der gebotene Erfolg mit anderen Maßnahmen nicht erreicht werden kann vergleiche Berl/Forster, Abfallwirtschaftsrecht [2016] Rz 281). Dies unterscheidet Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002 von Paragraph 62, Absatz 2 a, AWG 2002, welcher ausschließlich eine Schließung des gesamten der Rechtsordnung nicht entsprechenden Betriebs vorsieht.
Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich war die im Jahr 2021 angeordnete gänzliche Schließung der Abfallbehandlungsanlage nicht erforderlich im Sinne des § 62 Abs. 2 AWG 2002, um die Konsenswidrigkeit (Konsensüberschreitungen im Jahr 2019) zu beseitigen. Die Voraussetzungen für die Schließung des Betriebes lagen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vor. Der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs in den Folgejahren vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich war die im Jahr 2021 angeordnete gänzliche Schließung der Abfallbehandlungsanlage nicht erforderlich im Sinne des Paragraph 62, Absatz 2, AWG 2002, um die Konsenswidrigkeit (Konsensüberschreitungen im Jahr 2019) zu beseitigen. Die Voraussetzungen für die Schließung des Betriebes lagen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vor. Der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs in den Folgejahren vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
Der Beschwerde ist daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ist aufzuheben.
8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Artikel 133, Absatz 4, B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung stützt sich auf die zitierte einheitliche Rechtsprechung bzw die klare und eindeutige Rechtslage (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage vgl. z.B. VwGH 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006).Die Entscheidung stützt sich auf die zitierte einheitliche Rechtsprechung bzw die klare und eindeutige Rechtslage (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage vergleiche z.B. VwGH 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006).
Schlagworte
Umweltrecht; Abfallwirtschaft; ortsfeste Behandlungsanlage; Schließungsauftrag; Auflagen; Nichterfüllung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2023:LVwG.AV.1052.001.2021Zuletzt aktualisiert am
14.11.2024