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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des
G in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. September 1993, Ve1-550-2093/1-1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Helga U in L,
2. Alois U in L, 3. Gemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Über Ansuchen der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien vom 18. Februar 1993 wurde diesen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. April 1993 die baubehördliche Bewilligung für die Aufstockung des Hauses R-Weg 19 erteilt. Die Wandhöhe wurde laut den seinen Bescheidbestandteil bildenden Plänen mit 5,8 m bewilligt, nach einer Auflage Pt. 2 durfte die Wandhöhe bezogen auf den Abstand maximal 4,70 m (laut Konzept 5,70 m) betragen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Ansuchen vom 10. Mai 1993 beantragten die Bauwerber die Abänderung des Baubewilligungsbescheides, beantragt wurde eine Bewilligung der Wandhöhe von 5,85 m, bezogen auf das Außengelände, sowie Abänderungen der Raumeinteilung im Bereich des 1. Obergeschoßes.
Mit Schreiben vom 12. Mai 1993 wurden der Beschwerdeführer und andere Anrainer davon verständigt, daß die Bauwerber eine geringfügige Abänderung des Bauvorhabens beantragt hätten. In Wahrung des Parteiengehörs werde eine Frist von 8 Tagen eingeräumt, in dieser Zeit könne in die Planunterlagen Einsicht genommen werden. Mit Schreiben vom 17. Mai 1993 brachte der Beschwerdeführer vor, daß ihm anläßlich seiner Vorsprache keine Einsicht in die Baupläne gewährt wurde, der Sachbearbeiter habe nicht erklären können, worin die Änderung bestehe. Nach § 68 Abs. 1 AVG sei ein Anbringen von Beteiligten von der Behörde zurückzuweisen, sofern sich nicht ein Anlaß zur Abänderung von Amts wegen finde.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Juni 1993 wurde den Bauwerbern die beantragte Planänderungsbewilligung erteilt, die Auflage Pt. 2 (maximale Wandhöhe von 4,70 m wieder bezogen auf den Abstand) wurde ebenso wie die anderen bisherigen Auflagen wieder vorgeschrieben.
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 16. Juli 1993 abgewiesen. Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 14. September 1993 keine Folge gegeben.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. September 1994, Zl. B 1881/93-10, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf richtige Festsetzung der Gebäudehöhe, der Mindestabstände, der Beachtung der Rechtskraft des Bescheides vom 14. April 1993, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Gewährung des Parteiengehörs sowie Berücksichtigung der Nichtigkeit des angefochtenen Bescheides verletzt.
Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat.
Gemäß § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (TBO), können subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.
Die Liegenschaft des Beschwerdeführers, R-Weg Nr. 20, liegt gegenüber der zu bebauenden Liegenschaft und ist von dieser durch eine öffentliche Verkehrsfläche getrennt.
Gemäß § 8 Abs. 1 TBO ergibt sich die zulässige Höhe von Gebäuden und anderen baulichen Anlagen aus den im Bebauungsplan festgelegten Maßen. Für die gegenständliche Liegenschaft besteht ein Verbauungsplan aus dem Jahre 1970. Demnach ist für das zu bebauende Grundstück die offene Bauweise mit E + 1 (Erdgeschoß und 1. Stock) vorgesehen. Nach der Legende zum Verbauungsplan beträgt die zulässige maximale Traufenhöhe 7 m. Die Wandhöhe des verfahrensgegenständlichen Gebäudes beträgt, wie aus dem einen Bestandteil der Baubewilligung vom 9. Juni 1993 bildenden Plan hervorgeht, 5,85 m, ausgehend vom anschließenden Gelände. Damit wird die nach dem Verbauungsplan zulässige Gebäudehöhe eingehalten; die Bedenken, die der Beschwerdeführer gegen die Gesetzmäßigkeit des Verbauungsplanes an den Verfassungsgerichtshof herangetragen hat, hat er in seiner ergänzenden Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht mehr aufrechterhalten. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die Gesetzmäßigkeit des Verbauungsplanes keine Bedenken.
Dem Eigentümer eines dem Bauplatz gegenüberliegenden, von diesem durch eine öffentliche Verkehrsfläche getrennten Grundstückes, kommt ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Abstandsvorschriften zu, die zur Verkehrsfläche in Beziehung stehen. Gemäß § 6 Abs. 1 TBO wird der Abstand baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen durch die im Bebauungsplan festgelegte Baufluchtlinie bestimmt, soweit in den Absätzen 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.
Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung müssen, soweit kein Bebauungsplan besteht, bauliche Anlagen von den Verkehrsflächen mindestens so weit entfernt sein, daß sie das Orts- und Straßenbild und die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigen. Soweit bestehende Gebäude einen einheitlichen Abstand von den Verkehrsflächen haben, ist auch bei weiteren baulichen Anlagen mindestens dieser Abstand einzuhalten.
Das aufzustockende Gebäude hält zur öffentlichen Verkehrsfläche einen Abstand von 6,92 m ein, die Verkehrsfläche ist 3 m breit. Im "Verbauungsplan" ist keine Baufluchtlinie festgelegt. Aufgrund der Entfernung des verfahrensgegenständlichen Objektes von der öffentlichen Verkehrsfläche und der Liegenschaft des Beschwerdeführers kommt eine Verletzung von subjektiven Rechten des Beschwerdeführers in Belangen des Abstandes nicht in Betracht.
Der Umstand, daß durch die Bewilligung einer Wandhöhe von 5,85 m gegebenenfalls die Vorschriften über den Seitenabstand verletzt wurden (weil der Seitenabstand dann mehr als 4,0 m betragen müßte), ist im Beschwerdefall nicht von Belang, da der Beschwerdeführer als "gegenüberliegender Nachbar" nicht die Einhaltung des SEITENabstandes als subjektiv-öffentliches Recht geltend machen kann.
Gemäß § 29 Abs. 1 TBO hat die Behörde über jedes Bauansuchen, soweit sie es nicht aus den in § 31 Abs. 2 und 3 angeführten Gründen ohne weiteres Verfahren zurück- oder abzuweisen hat, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Behörde kann, ausgenommen im Verfahren zur Erteilung von Bewilligungen nach § 25 lit. a, von der Durchführung einer Bauverhandlung absehen, wenn durch das Bauvorhaben Interessen der Nachbarn offensichtlich nicht beeinträchtigt werden können.
Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, daß bei Veränderung der Gebäudehöhe nicht auszuschließen ist, daß durch das Bauvorhaben Interessen der Nachbarn beeinträchtigt werden könnten, die Baubehörde wäre daher gehalten gewesen, aufgrund des Planänderungsansuchens eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Dennoch ist der Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt, weil die Verfahrensrechte einer Partei nicht weiter gehen als die materiellen Rechte. Der Beschwerdeführer wurde so behandelt wie eine übergangene Partei; die Einwendungen, die er in der Berufung gegen das Bauvorhaben erhoben hat, wurden von der Berufungsbehörde inhaltlich erledigt.
Grundsätzlich ist der Nachbar auch berechtigt, res judicata geltend zu machen, soweit er in subjektiven Rechten betroffen werden kann, was aber hier nicht der Fall ist.
Im Rahmen des dem Beschwerdeführer als Nachbar im Baubewilligungsverfahren zukommenden eingeschränkten Mitspracherechtes ist er nicht berechtigt, die Verletzung des Orts-, Straßen- oder Landschaftsbildes geltend zu machen, dadurch, daß sich die belangte Behörde nicht mit der in diesem Zusammenhang behaupteten Nichtigkeit des Bescheides des Gemeindevorstandes auseinandergesetzt hat, ist der Beschwerdeführer in keinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994060214.X00Im RIS seit
03.05.2001