TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/25 94/05/0241

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Veröffentlicht am 25.04.1995
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
BauO OÖ 1976;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der M in O, vertreten durch Dr. U., Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. Juli 1994, Zl. BauR - 020249/2 - 1994 Ru/Lan, betreffend eine Bauangelegenheit, (mitbeteiligte Parteien: 1. R in O, vertreten durch Dr. S., Rechtsanwalt in L,

2. Marktgemeinde O, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. November 1991 ersuchte der Erstmitbeteiligte als Bauwerber bei der Zweitmitbeteiligten um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Zu- und Umbaues seiner Bäckerei auf dem Grundstück Nr. .125 inneliegend der Liegenschaft EZ 58 KG O. Die mit ihren Grundstücken Nr. .120 und 2092, beide inneliegend der Liegenschaft EZ 57 KG O, dem vorzitierten Grundstück des Erstmitbeteiligten benachbarte Beschwerdeführerin führte in der am 16. Jänner 1992 von der Baubehörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Verhandlung aus, daß die westliche Grundgrenze des Grundstückes Nr. .125 des Erstmitbeteiligten nicht, wie im gegenständlichen Projekt dargestellt, linear verlaufe, sondern die bestehende westliche Außenwand der an den Bestand südlich anschließenden, auf Grund des vorliegenden Projektes abzureißenden Holzhütte die Grundgrenze bilde. Sollte die Grundgrenze nicht überschritten werden, erhebe sie gegen den Zubau keinen Einwand. Die südliche Baufluchtlinie der Holzhütte dürfe durch den Zubau nur dann überschritten werden, wenn die Feuermauer an der Grundgrenze die südliche Bauflucht des Holzschuppens nicht überrage. Um die Lage der gemeinsamen Grundgrenze feststellen zu können, werde beantragt, mit der Bescheidausfertigung noch 3 Wochen zuzuwarten.

In der bei der Baubehörde erster Instanz am 30. Jänner 1992 eingelangten schriftlichen Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin aus, aus dem vor dem Bezirksgericht Urfahr-Umgebung am 24. September 1974 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich ergebe sich, daß die gegenständliche Mauer auf dem Grund der Beschwerdeführerin liege und zur gemeinsamen Mauer erklärt worden sei.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde O vom 21. Februar 1992 wurde dem Erstmitbeteiligten unter Auflagen die Baubewilligung für den Zu- und Umbau des Bäckereibetriebes auf seinem Grundstück Nr. .125 KG O erteilt. Betreffend die Grundgrenze führte die Baubehörde erster Instanz in der Begründung aus, aus der Vergleichsausfertigung des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 24. September 1974 gehe hervor, daß die Außenmauer der gegenständlichen Hütte des Erstmitbeteiligten, also die Mauer gegen das Haus der Beschwerdeführerin, die Grundgrenze zwischen dem Anwesen der Beschwerdeführerin und dem Grundstück des Erstmitbeteiligten darstelle.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, die Frage des Eigentums an der fraglichen Mauer sei strittig. Mit dem Baubewilligungsbescheid würden offensichtlich behauptete private Rechte der Beschwerdeführerin verletzt.

Auf Grund eines hierauf vom Erstmitbeteiligten gegen die Beschwerdeführerin mit Klage eingeleiteten zivilrechtlichen Verfahrens wurde die Beschwerdeführerin mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 21. Oktober 1992, GZ. n Cg nnn/92-6 für schuldig erkannt, "im Bauverfahren GZ. Bau 401-36-1991 der Marktgemeinde O die Grenze zwischen den Grundstücken Nr. .125 KG O und .120 KG O, so wie im Vergleich vom 17.9.1974 zu C 353/73 des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung festgelegt, binnen 14 Tagen anzuerkennen, nämlich in der Weise, daß die gesamte westliche Außenmauer der auf dem Grundstück Nr. .125 KG O stehenden Hütte der klagenden Partei im Eigentum der klagenden Partei steht". Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Grenzberichtigung vom 21. Dezember 1992, "wonach der Grenzverlauf zwischen den Liegenschaften der Antragstellerin und dem Antragsgegner (Erstmitbeteiligter) von der nordwestlichen Hausecke R schräg durch die Hausmauer R befindlich auf dem Grundstück Nr. .125, EZ 58, zum nordöstlichen Mauerbeginn entlang der östlichen Mauerwand im Bereich der Hütte R bis zur anstoßenden Grundgrenze der Parzelle 3807 festgelegt werden soll," wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 15. Juli 1993, GZ. m Nc m/93-12, wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 10. Februar 1994 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.

Mit Bescheid vom 25. Juli 1994 gab die Oberösterreichische Landesregierung der Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 10. Februar 1994 keine Folge und stellte fest, daß die Beschwerdeführerin durch den genannten Berufungsbescheid in ihren Rechten nicht verletzt worden sei. Nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzeslage führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, eine strittige Grundgrenze könne ein subjektives Nachbarrecht begründen, wenn durch das beabsichtigte Bauvorhaben eine Rechtsverletzung denkbar sei. Dem hätten die Behörden des baurechtlichen Verfahrens Rechnung getragen und die entsprechenden Erhebungen und Feststellungen bezüglich der zwischen den Nachbarn strittigen Grundgrenze in nachvollziehbarer Weise getroffen. Der Baubehörde könne kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie bei Vorliegen entsprechender gerichtlicher Entscheidungen nicht auch noch ein weiteres, derzeit offensichtlich noch anhängiges (Gerichts-)Verfahren betreffend die gegenständliche Grundgrenze abwarten wolle. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin sei vom Projektwerber kein anderes Projekt vorgelegt worden, vielmehr sei - wie sich aus der Verhandlungsschrift vom 16. Jänner 1992 ergebe - das ursprüngliche Projekt über Ersuchen der Beschwerdeführerin geringfügig geändert worden. Diese Änderungen seien vom Sachverständigen entsprechend umschrieben und daraufhin bereits am 28. Jänner 1992 die entsprechenden Austauschpläne vorgelegt worden, aus welchen die Geringfügigkeit dieser Änderungen zu ersehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge erkennbar in dem Recht auf Nichtbewilligung des vorliegenden Bauprojektes verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie der Erstmitbeteiligte - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 Oberösterreichische Bauordnung 1976 sind Nachbarn die Eigentümer (Miteigentümer) der Grundstücke, die unmittelbar an jene Grundstücke angrenzen, auf denen das Bauvorhaben ausgeführt werden soll, und darüber hinaus jene Grundeigentümer, die durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

Gemäß § 48 leg. cit. hat der Bauwerber, soferne er im Zuge des Verfahrens das Bauvorhaben ändert, der Baubehörde einen entsprechend geänderten Bauplan (§ 44) vorzulegen. Wurde schon eine Bauverhandlung durchgeführt, so kann eine neuerliche Bauverhandlung entfallen, wenn die Änderung im Vergleich zum verhandelten Bauvorhaben unwesentlich ist und das Parteiengehör auf eine andere Weise gewahrt wird.

Gemäß § 50 Abs. 1 leg. cit. ist im Bewilligungsbescheid, sofern eine Baubewilligung erteilt wird, auch über die Einwendungen der Nachbarn abzusprechen. Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen sind Einwendungen der Nachbarn, mit denen nicht die Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das Bauvorhaben behauptet wird, öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn, die im Baubewilligungsverfahren nicht zu berücksichtigen sind (§ 46 Abs. 3), sowie privatrechtliche Einwendungen der Nachbarn, die zwingenden, von der Baubehörde anzuwendenden Bestimmungen widersprechen, als unzulässig zurückzuweisen. Gemäß Abs. 3 des § 50 leg. cit. stehen öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn, die im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen sind (§ 46 Abs. 3), der Erteilung einer Baubewilligung entgegen, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind; andernfalls sind sie abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin führt zunächst unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes aus, der Konsenswerber habe ein völlig neues Projekt eingereicht, das wesentlich von dem ursprünglichen und darüber hinaus in einer Unzahl von Punkten auch von ursprünglichen Plänen, die verfaßt worden seien, abweiche. Aus ihrer ergänzenden Stellungnahme an die Berufungsbehörde vom 4. Februar 1994 ergäben sich die wesentlichen Änderungen zum ursprünglich eingereichten Projekt. Über das geänderte Projekt sei nie verhandelt worden. Die belangte Behörde habe auf die im Akt erliegenden Pläne nicht Bezug genommen. Auch wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, den Planverfasser und den von ihr zur Überprüfung des Planes beauftragten Dipl.-Ing. K einzuvernehmen. Infolge dieser mangelnden Beweiserhebungen sei das Verfahren mangelhaft geblieben.

Der Erstmitbeteiligte hat sich in der Verhandlung vom 16. Jänner 1992 bereit erklärt, den Einwendungen der Beschwerdeführerin zu entsprechen, und hat dementsprechend einen mit 28. Jänner 1992 datierten geänderten Einreichplan des Architekten Dipl.-Ing. H der Baubehörde vorgelegt. Aus diesem Plan ist ersichtlich, daß gegenüber dem ursprünglichen Einreichplan - den Einwendungen der Beschwerdeführerin entsprechend - im Westen die Mauer des projektierten Zubaues gegenüber dem Altbau um 34 cm auf die Höhe der derzeitigen Steinmauer zurückversetzt, die derzeit vorhandene Sitznische in der neuen Außenwand an der gleichen Stelle wie bisher wieder errichtet werden soll und nunmehr vorgesehen ist, daß die Feuermauer des Zubaues an der Grundgrenze die südliche Baufluchtlinie des bestehenden Holzschuppens nicht überragt. Die in der ergänzenden Stellungnahme der Beschwerdeführerin an die Berufungsbehörde enthaltenen Ausführungen zum Projekt betreffen nicht die vorbeschriebenen Änderungen desselben, weshalb die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen - soweit hievon überhaupt ihre subjektiv-öffentlichen Rechte betroffen sind - im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG präkludiert ist. Es bedurfte daher diesbezüglich auch keiner weiteren Erhebungen durch die belangte Behörde.

Die Beschwerdeführerin führt weiters aus, daß selbst unter der Voraussetzung der Gültigkeit des im Jahre 1974 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleiches der hier zu beurteilende Zubau des Erstmitbeteiligten laut Projekt teilweise immer noch auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin errichtet werden soll. Rechtswidrig sei der Hinweis der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin könnte - sollte sich die Unrichtigkeit der von den Behörden festgestellten Grundgrenze erweisen - eine Wiederaufnahme nach § 69 AVG erreichen und allfällige Schadenersatzansprüche gegen den Konsenswerber geltend machen.

Eine strittige Grundgrenze begründet ein subjektives Nachbarrecht dann, wenn eine Rechtsverletzung durch das beabsichtigte Bauvorhaben denkbar ist, z.B. weil auf dem strittigen Teilgrundstück das Bauvorhaben errichtet werden soll. Insoweit hat die Baubehörde gemäß § 38 AVG über die Grundgrenze als Vorfrage zu entscheiden (vgl. die bei Hauer,

Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 83 dargestellte Judikatur).

Gestützt auf die im Verwaltungsakt erliegende Vergleichsausfertigung des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 24. September 1974 und das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes Linz vom 21. Oktober 1992, konnte die für das hier zu beurteilende Projekt maßgebliche Grundgrenze von den Baubehörden zweifelsfrei ermittelt werden. Dem trägt auch der geänderte Einreichplan vom 28. Jänner 1992 Rechnung. Danach wird das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben nicht auf fremdem Grund errichtet. Warum dennoch durch das Projekt das Eigentum der Beschwerdeführerin verletzt werden soll, läßt sich den Beschwerdeausführungen nicht entnehmen. Die Behörde ist gemäß § 38 AVG berechtigt, auftauchende Vorfragen nach eigener Anschauung zu beurteilen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn diese schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird. Die belangte Behörde konnte daher ohne Rechtsirrtum davon ausgehen, daß die Baubehörden berechtigt waren, die als Vorfrage zu beurteilende strittige Grenze selbst festzustellen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994050241.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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