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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. Jänner 1995, Zl. IV-548.060-FrB/95, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der belangten Behörde) vom 26. Jänner 1995 wurde der dem Beschwerdeführer, einem jugoslawischen Staatsangehörigen, am 28. Februar 1989 erteilte (unbefristete) Sichtvermerk gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 8 und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, für ungültig erklärt.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei in Wien geboren, habe hier die Volks- und Hauptschule besucht und in den Jahren 1989 bis 1993 eine Lehre absolviert. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten; seine Mutter lebe seit 1973 in Österreich, sein älterer Bruder sei bereits österreichischer Staatsbürger, sein jüngerer Bruder sei ebenfalls in Österreich geboren. Es bestünden demnach engste Beziehungen und Bindungen zum Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer sei am 9. Juni 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 15 StGB und § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz (SGG) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten unbedingt und neun Monaten bedingt auf drei Jahre rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrunde gelegen, daß der Beschwerdeführer gemeinsam mit zwei anderen Tätern 200 g Kokain weiter zu verkaufen versucht habe. Bei der Verhaftung sei das Kokain (mit einem Schwarzmarktwert von ca. S 300.000,--) sichergestellt worden. Der gleichen Tätergruppe habe im April 1994 ein weiterer Verkauf einer großen Menge von Kokain nachgewiesen werden können.
Bei Suchtgiftdelikten gehöre die Gefahr einer Wiederholung zum Wesen eines solchen deliktischen Verhaltens. Der Handel mit Suchtgift stelle in Anbetracht des um sich greifenden Mißbrauches von Suchtgift eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Menschen in besonders großem Ausmaß dar, somit eine Gefährdung der Allgemeinheit und damit zugleich eine Bedrohung der inneren Sicherheit der Republik Österreich.
Eine Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des Beschwerdeführers müsse angesichts dieses schweren Deliktes zuungunsten des Beschwerdeführers ausfallen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 11 Abs. 1 FrG ist ein Sichtvermerk ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung des Sichtvermerkes (§ 10 Abs. 1 und 2) rechtfertigen.
Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
2.1. In der Beschwerde bleibt die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung - die oben I.1. bezeichnete rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen § 15 StGB und § 12 Abs. 1 SGG - unbestritten. Der Beschwerdeführer hält indes den daraus gezogenen Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG im Hinblick auf die "Einmaligkeit eines versuchten Deliktes" für rechtswidrig.
2.2. Demgegenüber hält der Gerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers aufgrund seines der besagten Verurteilung zugrunde liegenden deliktischen Verhaltens die öffentliche Sicherheit gefährden würde, angesichts der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität für rechtlich unbedenklich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0864). Daß es sich bei dem in Rede stehenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers - seinem Vorbringen zufolge - um die erste derartige Verfehlung gehandelt habe und es beim Versuch geblieben sei, steht der berechtigten Annahme, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gefährde die öffentliche Sicherheit, nicht entgegen.
Gleiches gilt in bezug auf die in der Beschwerde hervorgehobenen Umstände, daß das Gericht die Freiheitsstrafe zum Teil bedingt nachgesehen und sich der Beschwerdeführer seit Begehung der Tat wohl verhalten habe. Zum ersten ist der seit Tatbegehung verstrichene Zeitraum von ca. neun Monaten viel zu kurz, um einen verläßlichen Schluß darauf ziehen zu können, daß der Beschwerdeführer von der Begehung weiterer einschlägiger strafbarer Handlungen Abstand nehmen werde; zum zweiten hat die für die Vollziehung des Fremdengesetzes zuständige Behörde eigenständig und damit ohne Bindung an die vom Gericht zur (teilweise) bedingten Strafnachsicht angestellten Erwägungen unter dem Gesichtspunkt der Erfordernisse eines geordneten Fremdenwesens zu beurteilen, ob sie die Voraussetzungen für die Versagung bzw. die Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes als gegeben erachtet (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 94/18/0864).
3. Was die bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gebotene Bedachtnahme auf die privaten und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers anlangt, so hat die belangte Behörde alle dazu in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände zu seinen Gunsten berücksichtigt und ihnen deutlich großes Gewicht beigemessen. Wenn sie trotzdem zu einem Übergewicht der gegenläufigen öffentlichen Interessen gelangt ist, so stößt diese Wertung angesichts der mit der Suchtgiftkriminalität verbundenen gravierenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auf keinen Einwand (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 94/18/0864).
4. Schließlich vermögen auch der Hinweis, daß dem Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes keine Möglichkeit zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung offenstehe, ebenso wie die Behauptung, daß der angefochtene Bescheid in seiner rechtlichen Auswirkung "ident mit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 FrG (ist)", eine solche aber im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG vorliegend unzulässig wäre, der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn allfällige negative Auswirkungen des bekämpften Bescheides auf das Ergebnis eines nach einem anderen Gesetz durchzuführenden Verfahrens machen diesen Bescheid nicht rechtswidrig. Die Gleichhaltung der Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes mit einem Aufenthaltsverbot hinsichtlich der rechtlichen Wirkung aber ist schon im Ansatz verfehlt, weil eine Sichtvermerksungültigerklärung vom Gesetz her weder eine Ausreiseverpflichtung nach sich zieht (vgl. § 22 FrG) noch einer Abschiebung eine Grundlage bietet (vgl. § 36 FrG).
5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995180569.X00Im RIS seit
11.07.2001