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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Stmk 1968 §2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der S in Graz, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 7. Juli 1994, Zl. A 17-K-10.981/1993 - 4, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Parteien: G K und I K in Graz, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien zusammen Aufwendungen in der Höhe S 12.950,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligten Parteien (kurz: Widmungswerber) sind Eigentümer einer Liegenschaft in Graz, die katastral aus zwei Grundstücken besteht, nämlich aus der straßenseitig gelegenen Bauparzelle 1933 und der Grundparzelle 1932. Die Liegenschaft (in der Folge auch kurz: Liegenschaft C) hat eine im wesentlichen rechteckige Form und grenzt mit einer Schmalseite an die M-Straße, mit der nördlichen Längsseite an die Liegenschaft der Beschwerdeführerin (in der Folge auch kurz: Liegenschaft B) und mit der südlichen Längsseite an eine weitere Liegenschaft (in der Folge auch kurz: Liegenschaft D). Die Liegenschaft der Beschwerdeführerin ihrerseits grenzt mit der nördlichen Längsseite an die Liegenschaft A. Diese weiteren Liegenschaften - A, B und D - grenzen ebenfalls mit Schmalseiten an die M-Straße. Die Liegenschaft der Widmungswerber ist bereits mit einem Gebäude an der M-Straße, sowie mit einem Hofgebäude entlang der nördlichen und einem weiteren im Bereich der südlichen Grundgrenze bebaut.
Mit dem am 11. September 1992 bei der Baubehörde eingelangten Ansuchen kamen die Widmungswerber um Widmung ihrer Liegenschaft zu einem Bauplatz laut einem beigelegten Widmungsplan ein (angegebener Verwendungszweck: Nutzung nach § 23 ROG allgemeines Wohngebiet, unter Berücksichtigung des Altbestandes). Ein vom Stadtplanungsamt erstattetes Gutachten beschrieb den Gebietscharakter folgendermaßen: überwiegend eingeschossige Gebäude an der M-Straße, Ensemble schlichter Biedermeierhäuser, wobei sich Gebäudeteile in die Hofzonen erstrecken. Die Hausfluchten fallen mit der Straßenfluchtlinie zusammen. Im Süden und Norden grenzen Gebäude in gekuppelter Bebauung an. Im Gebietsbereich besteht kleinteilige, dichte Stadtstruktur. Für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin existiere eine Widmungsbewilligung vom 10. Jänner 1992. Vorgeschlagen wurde eine "geschlossene Bebauung bzw. im Bereich der Baugrenzlinien". Zu letzteren wurde auf eine Eintragung im Widmungsplan verwiesen. Nach der Einzeichnung der Baufluchtlinien im Widmungsplan ist die Bebauung entlang der M-Straße und sodann (hof- bzw. gartenseitig) entlang der nördlichen Grundgrenze (also entlang der Grenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin) bis in einen Abstand von 9 m zur nordöstlichen Grundstückecke vorgesehen. Das bedeutet, daß der gartenseitige Bereich entlang der südlichen Grundgrenze (zur Liegenschaft D) und das gesamte östliche Ende der Liegenschaft frei von Bebauung bleiben soll.
Die Beschwerdeführerin erhob Einwendungen gegen das Vorhaben. Sie verwies darauf, daß für ihre Liegenschaft mit Widmungsbescheid vom 10. Jänner 1992 die "offene Bebauung" festgelegt worden sei. Damit sei das sogenannte Wahlrecht für geschlossene oder gekuppelte Verbauung verbraucht worden, weshalb auf dem Grund der Widmungswerber keinerlei Widmungs- oder Baubewilligung für einen Zubau, Aufbau oder Umbau unmittelbar an der Grundgrenze zur ihrem Grundstück mehr erteilt werden dürfe. Das nordseitige Werkstättengebäude, das auf dem Grundstück der Widmungswerber errichtet sei, verfüge weder über eine Widmungs- noch über eine Baubewilligung, sondern sei mit einem "auf die konsenslose und rechtswidrige Errichtung abgestellten Abbruchsauftrag der Baubehörde (rechtskräftig) bedroht". Die Genehmigung eines Umbaues bzw. die Änderung des Verwendungszweckes eines konsenslos errichteten Gebäudes komme nicht in Betracht. Eine Änderung des Verwendungszweckes sowie insbesondere der Zubau eines Dachgeschosses zu Wohnzwecken laufe ihrem Recht auf bauordnungsgemäße Mindestabstände zuwider. Darüber hinaus seien vom Projekt auch unzumutbare Lärm-, Geruchs- und Luftschadstoffemissionen zu erwarten (wurde näher ausgeführt). In der vorgelegten Widmungsbewilligung vom 10. Jänner 1992 betreffend die Liegenschaft der Beschwerdeführerin (Liegenschaft B) wird folgende Bebauungsweise festgesetzt:
"Offen, zum Grst. Nr. Baufläche 1929/2 und zur Baufläche 1933, KG X, gekuppelte Bebauung im Bereich des Bestandes laut Kataster 1991" (Anmerkung: bei ersterer Baufläche handelt es sich um einen gartenseitig gelegenen Teil der nördlich angrenzenden Liegenschaft A; letztere ist Teil der Liegenschaft der Widmungswerber). Hinsichtlich der Bauflucht- und Baugrenzlinien wurde auf einen Widmungsplan verwiesen. Die Gebäudemindestabstände wurden folgendermaßen festgesetzt:
"Von der im Widmungsplan festgelegten Straßenfluchtlinie der "M-Straße" 0,00 m, welches mit der Baufluchtlinie zusammenfällt;
von den Bauplatzgrenzen mindestens so viele Meter, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um zwei, ergibt, ausgenommen konsentierter Bestand, entsprechend den im Widmungsplan eingetragenen Bauflucht- und Baugrenzlinien und der gekuppelten Bauweise;
der Gebäude auf dem Bauplatz untereinander, wenn sie nicht unmittelbar aneinandergebaut werden, mindestens 3,50 m, ansonsten so viele Meter, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um vier, ergibt, entsprechend den im Widmungsplan eingetragenen Bauflucht- und Baugrenzlinien und der gekuppelten Bauweise;
für kleinere, ebenerdige, unbewohnte Nebengebäude mindestens 0,00 m von den Bauplatzgrenzen im Norden und Süden".
Die im Widmungsplan eingezeichnete Baugrenzlinie verläuft ähnlich wie die nach Einzeichnung im Widmungsplan betreffend die Liegenschaft der Konsenswerber vorgesehene Baugrenzlinie (das heißt, hof- bzw. gartenseitig entlang der nördlichen Grenze, wobei demnach das östliche Ende des Hofes bzw. Gartens bzw. der südliche Bereich des Gartens entlang der Grenze zur Liegenschaft der Konsenswerber von Bebauung frei zu bleiben hat).
Zur Gebäudehöhe heißt es (unter Hinweis auf Eintragungen im Widmungsplan):
"Hauptgebäude mindestens 3,50 m, höchstens 4,50 m straßenseitig und an der nördlichen Grundgrenze, Hauptgebäude mindestens 3,50 m, höchstens 6,50 m hofseitig;
Nebengebäude mindestens 2,20 m, höchstens 3,00 m, gemessen von der bei mehreren Objekten jeweiligen Verschneidung des aufgehenden Mauerwerkes mit dem tiefsten Geländepunkt des natürlich gewachsenen Geländes."
Mit dem Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 11. Feber 1994 wurde die angestrebte Widmungsbewilligung unter Vorschreibung und Festsetzung der vorgesehen Bebauungsgrundlagen und Auflagen erteilt; darunter hinsichtlich der Gebäudehöhen (unter Hinweis auf entsprechende Eintragungen im Widmungsplan): "Hauptgebäude mindestens 3,00 m, höchstens 4,50 m, höchstens 6,50 m, im Bereich der südlichen Hofseite; Nebengebäude mindestens 2,00 m, höchstens 2,50 m". Auch hinsichtlich der Baugrenzlinie wurde auf eine Eintragung im Widmungsplan mit dem Beisatz verwiesen: "gilt nur für Hauptgebäude". Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden hinsichtlich der Bebauungsweise als unbegründet abgewiesen, und im übrigen als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die Behörde nach Darstellung der Gesetzeslage (§§ 61 Abs. 2 und 4 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung) aus, im Gegenstandsfall bestünde kein Bebauungsplan, durch den die Einhaltung eines Abstandes der Gebäude von den Grundgrenzen angeordnet werde. Der Gebietscharakter der M-Straße sei durch das Erscheinungsbild einer geschlossenen Bebauung gekennzeichnet. Das Gebäude der Beschwerdeführerin schließe mit einer Feuermauer unmittelbar an der Grundgrenze an das bestehende Gebäude auf der zu bebauenden Liegenschaft an. Die unmittelbar an die M-Straße angrenzenden Grundstücke im Bereich zwischen zwei näher genannten Straßenzügen seien dadurch gekennzeichnet, daß sie eine relativ geringe Breite aber eine große Tiefe aufwiesen (sogenannte Fahnenparzellen), daß straßenseitig die Gebäude in geschlossener Bebauung aneinandergebaut seien und verschiedentlich Hofgebäude bestünden, die entweder unmittelbar an der südlichen Grundgrenze oder aber an der nördlichen Grundgrenze situiert seien. Für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin sei am 10. Jänner 1992 eine Widmungsbewilligung erteilt worden. Ein Vergleich der für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin festgesetzten Bauweise mit der für die zu bebauende Liegenschaft geplante Bauweise zeige, daß straßenseitig jeweils eine geschlossene Bebauung bis in eine Tiefe von 15,0 m erfolgen solle, wobei Hofgebäude jeweils an der nördlichen Nachbargrundgrenze situiert werden sollten, wobei der von einer Bebauung frei zu haltende Hofbereich jeweils durch Baugrenzlinien "abgesichert" werde.
"Widersprüchlicherweise" zu der im Widmungsplan festgesetzen Bauweise des Nachbargrundstückes sei im Widmungsbescheid (vom 10. Jänner 1992) unter Punkt 2. eine offene Bebauung festgesetzt worden. "Ein Festhalten an dieser offenen Bebauungsweise für das Nachbargrundstück würde aber dazu führen, daß das Nachbargrundstück bei Berücksichtigung der festgesetzten Baugrenzlinien und der von den Nachbargrundgrenzen einzuhaltenden Abstände unbebaubar wird, was aber den Zweck der Erteilung einer Widmungsbewilligung zuwiderlaufen würde. Da Widersprüche zwischen einem Widmungsplan und Festsetzungen in einer Widmungsbewilligung nicht so gelöst werden können, daß der Inhalt der Widmungsbewilligung seinen Sinn verliert, ist davon auszugehen, daß auch für das Nachbargrundstück eine geschlossene Bebauung besteht". Der von der Beschwerdeführerin "geltend gemachte Verbrauch des sogenannten Wahlrechtes für geschlossene oder gekuppelte Verbauung, kann ihr deswegen nicht zum Erfolg verhelfen, da dieses Wahlrecht nur bei offener oder gekuppelter Bebauung im Sinne eines Einhaltens von Abständen oder eines Aneinanderbauens an der gemeinsamen Grundgrenze besteht - in diesem Falle würde die zuerst erteilte Widmungsbewilligung vorgehen - was im Gegenstandsfall aber aufgrund der geschlossenen Bebauungsweise jeweils straßenseitig und sowohl auf dem Widmungsgrundstück als auch auf dem Nachbargrundstück an der nördlichen Grundgrenze in einer Tiefe von ca. 52,0 m bzw. ca. 43,0 m nicht zum Tragen kommt". Das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin beziehe sich auf das Bauverfahren und sei daher im Widmungsverfahren als unzulässig zurückzuweisen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Die belangte Behörde ergänzte das Verfahren durch Einholung einer Stellungnahme des Stadtplanungsamtes. Darin wird ausgeführt, daß die Bebauung längs der M-Straße im fraglichen Bereich die geschlossene Bebauungsweise aufweise, teilweise bestehe gekuppelte Bauweise. Für die Bebauung an der Straßenfluchtlinie sei aus städtebaulicher Sicht die geschlossene Bebauungsweise anzustreben, weil damit ein wirksamer Immissionsschutz für die dahinter angrenzenden Grundstücke gewährleistet werde. Aus dem Katasterplan sei zu ersehen, daß im fraglichen Bereich schmale und lange Grundstücke bestünden. Es seien Grundstücke mit einem Seitenverhältnis Breite zu Länge von ca. 1:3 bis ca. 1:4 durchaus häufig vorfindlich. Im Laufe der Zeit habe sich eine Bebauung längs der seitlichen Grundgrenzen in die Tiefe der Grundstücke entwickelt. Sinnvollerweise sei bei Festlegung des Widmungsrahmens auf bauliche Bestände bzw. städtebauliche Muster Bedacht zu nehmen, wenn andere Gründe nicht entgegenstünden. So seien für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin in der Widmungsbewilligung (vom 10. Jänner 1992) Festlegungen getroffen worden, welche einen Anbau an die zu bebauende Liegenschaft über eine Tiefe von 15,00 m und weiters einen Anbau an die nördliche Baufläche 1929/2 vorsähen. Gartenseitig (Süden) sei ein 8,00 m breiter Streifen bzw. der östliche Gartenbereich im Ausmaß von ca. 16,00 m von Bebauung frei zu halten (Hinweis auf die im Widmungsplan eingetragenen Baugrenzlinien). Im Gegenstandsfall sei in Entsprechung und in Weiterführung dieser städtebaulichen Muster ein Anbau an die nördliche und südliche Grundgrenze im Rahmen der Baugrenzlinie verfügt worden (Hinweis auf die im Widmungsplan eingetragenen Baugrenzlinien). Der Bereich südlich und östlich der Baugrenzlinie sei künftig von Bebauung frei zu halten. Festzuhalten sei, daß auf der südlich angrenzenden Liegenschaft D wiederum eine Bebauung an der mit der zu bebauenden Liegenschaft gemeinsamen Grundgrenze bestehe. Zusammenfassend ergäbe die Bebauung im Rahmen der festgelegten Baugrenzlinien ein städtebauliches Muster, welche dem dortigen baulichen Kontext entspreche und auf den benachbarten Liegenschaften der Beschwerdeführerin und der Widmungswerber vergleichbare Bebauungsmöglichkeiten zulasse.
Die Beschwerdeführerin äußerte sich zu dieser Stellungnahme ablehnend, weil der Behörde "bei der Entscheidung über die Verbauungsart im Hinblick auf die klare und eindeutige Gesetzeslage KEIN Ermessensspielraum zur Verfügung" stehe. Die Überlegungen des Stadtplanungsamtes seien daher "für die gegenständliche Widmungsangelegenheit ohne jeden Belang" (wurde in Aufrechterhaltung des bisherigen Standpunktes näher ausgeführt).
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und die Entscheidung der Behörde erster Instanz bestätigt. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Gesetzeslage führte die belangte Behörde aus, daß der Nachbar im Widmungsbewilligungsverfahren die Unzulässigkeit einer Widmungsbewilligung mit der Begründung geltend machen könne, die Festsetzung der Bebauungsweise im Widmungsbescheid verstoße gegen zwingende gesetzliche Vorschriften, oder sie beruhe auf einer Handhabung des Planungsermessens, die nicht dem Sinne des Gesetzes entspreche. Dies bedeute aber nicht, daß dem Nachbarn ein Rechtsanspruch auf die Festsetzung einer bestimmten Bebauungsweise zukomme, wohl aber, daß die Ausübung des Planungsermessens auf der Grundlage von schlüssigen und vollständigen Unterlagen, insbesondere Sachverständigengutachten erfolge. Diese Voraussetzungen seien vorliegendenfalls gegeben (wird unter Hinweis auf die ergänzende Stellungnahme des Stadtplanungsamtes näher dargestellt). Im Gegensatz zu der Beurteilung der Beschwerdeführerin stelle die gekuppelte Bauweise auch keine Sonderform der geschlossenen Bebauungsweise, sondern eine solche der offenen Bebauungsweise dar. Dieses Wahlrecht bestehe im Sinne eines Einhaltens von Abständen (offene Bebauung) oder eines Aneinanderbauens an der gemeinsamen Grundgrenze (gekuppelte Bebauung) nur dann, wenn aufgrund des Gebietscharakters eine offene (oder gekuppelte) Bebauung bestehe oder aus städtebaulichen Gründen erforderlich erscheine. Nicht aber bestehe ein Wahlrecht zwischen einer geschlossenen und einer gekuppelten Bebauung. Wenn die Beschwerdeführerin meine, sie habe deshalb einen Rechtsanspruch auf die Einhaltung von Abständen, weil in dem ihre Liegenschaft betreffenden Widmungsbescheid vom 10. Jänner 1992 eine offene Bebauung festgesetzt worden sei, sei dem entgegenzuhalten, daß "ein Widerspruch zwischen der im Bescheidtext getroffenen Festsetzung der offenen, zum Grundstück Nr. Bfl. 1929/2 und zur Bfl. 1933, gekuppelte Bebauung im Bereich des Bestandes, zu den im Widmungsplan eingetragenen Bauflucht- und Baugrenzlinien" bestehe. Aus dem Widmungsplan sei nämlich ersichtlich, daß auch auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin straßenseitig eine geschlossene Bebauung in einer Tiefe von ca. 43,0 m an der nördlichen Grundgrenze vorgesehen sei und die Freiflächen auf dem Widmungsgrundstück durch Baugrenzlinien abgesichert würden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für den Inhalt einer Bewilligung ausschließlich der Inhalt des schriftlichen Bescheides im Zusammenhang mit den bewilligten Plänen maßgeblich, wobei Widersprüche zwischen Plänen und Vorschreibungen in einer Bewilligung nicht so gelöst werden könnten, daß der Inhalt der Bewilligung seinen Sinn verlöre. Aus diesem Grund erfolge die Handhabung des Planungsermessens bezüglich der Festsetzung der Bebauungsweise für das Widmungsgrundstück aufgrund eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens des Amtssachverständigen, in dem insbesondere die Bebauungsweise in der kleinräumigen Umgebung, das sei der Straßenzug der M-Straße, berücksichtigt worden sei. Dem Berufungsvorbringen, daß das Hofgebäude an der Grundgrenze der Beschwerdeführerin nicht als Bestand angesehen werden dürfe, weil diesbezüglich ein Beseitigungsauftrag vorliege, sei auszuführen, daß sich dieser Abbruchauftrag aus dem Jahre "1941" (richtig wohl: 1944) nur auf das Dachgeschoß, nicht aber auf das darunterliegender Erdgeschloß beziehe. "Daher bildet dieses Gebäude einen durchaus bei der Festsetzung der Bebauungsweise zu beachtenden Umstand".
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die Widmungswerber - in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren (bzw. im Widmungsbewilligungsverfahren nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung) in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A uva.).
Gemäß § 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (BO), LGBl. Nr. 149, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 54/1992, bedarf die Widmung von Grund zu einem oder mehreren Bauplätzen oder eine Widmungsänderung der Bewilligung der Baubehörde. Gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz BO sind im Widmungsverfahren die Bestimmungen über die Bauverhandlung (§ 61 BO) sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 61 Abs. 2 BO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen; diese sind in dieser Bestimmung taxativ aufgezählt. Dazu zählen unter anderem die Bestimmungen über das Planungsermessen bei Festlegung der Bebauungsgrundlagen und hinsichtlich der Abstände (lit. c und d).
Gemäß § 3 Abs. 3 BO sind in der Widmungsbewilligung unter anderem die Baugrenzlinien und die Bebauungsweise, sowie die Abstände von anderen Gebäuden und von den Grundgrenzen festzusetzen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (siehe dazu beispielsweise die in Hauer, Steiermärkisches Baurecht2, in E 38 und 39a wiedergegebene Judikatur) besitzt der Nachbar ein subjektiv-öffentliches Recht auf die gesetzmäßige Handhabung des der Behörde zukommenden Planungsermessens, wozu auch die Vollständigkeit und Schlüssigkeit der für die Ermessensübung erforderlichen Grundlagen gehört.
Die Behörde hat für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin die offene Bauweise mit Kuppelung festgesetzt (Kuppelung ist eine Abart der offenen Bauweise - siehe dazu Hauer, aaO, Anmerkung 11 zu § 1 BO), für die Liegenschaft der mitbeteiligten Widmungswerber hingegen die geschlossene Bauweise. Die Planungsabsicht der Behörde ging aber in beiden Fällen dahin - wie durch die Festlegung der Baugrenzlinien unmißverständlich zutage tritt - hof- bzw. gartenseitig "Anbauten" jeweils an der nördlichen Grundgrenze zu "verfügen", das östliche Ende des Hofes bzw. Gartens und die südliche Grundgrenze hof- bzw. gartenseitig hingegen von einer Bebauung (durch Hauptgebäude) freizuhalten.
Die Beschwerdeführerin wendet sich nun nicht dagegen, daß für die straßenseitige Bebauung die geschlossene Bauweise festgesetzt wurde, sondern dagegen, daß dies auch für den hofseitigen Bereich entlang der gemeinsamen Grundgrenze erfolgte, weil die Festsetzung einer offenen Bebauung hinsichtlich ihrer Liegenschaft notwendigerweise Auswirkungen hinsichtlich der Bebauungsweise der Liegenschaft der Konsenswerber haben müsse. Dem ist zu entgegnen, daß die Festsetzung einer offenen Bebauung für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin nicht zwingend zur Folge hat, daß eine derartige Bebauungsweise auch für die Hofseite der angrenzenden Liegenschaft festzusetzen wäre; vielmehr kann - im Rahmen des gegebenen Planungsermessens - dort auch eine andere Bebauung festgelegt werden. Auch aus dem Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Abstandsvorschriften ist nichts zu gewinnen:
Gemäß § 4 Abs. 1 BO müssen Gebäude entweder unmittelbar aneinandergebaut werden oder voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um vier, ergibt. Eine Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrundgrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens soviele Meter entfernt sein, als die Anzahl der Geschosse, vermehrt um zwei, ergibt. Bei Gebäuden ohne die übliche Geschoßeinteilung errechnet sich die Geschoßanzahl aus der Gebäudehöhe in Metern, geteilt durch drei.
Daraus ergibt sich zunächst, daß die Errichtung von Gebäuden an der Grundgrenze nicht unzulässig ist (weil das Gesetz hiefür Regelungen trifft). Eine Einschränkung dieser Zulässigkeit auf Fälle, in denen Gebäude an der Grundgrenze aneinandergebaut werden - was hier in bezug auf die Liegenschaften der Beschwerdeführerin bzw. der Widmungswerber im "Hofbereich" nicht der Fall ist - läßt sich dieser gesetzlichen Bestimmung nicht entnehmen, sodaß zu prüfen bleibt, ob durch die - hier nur in Form von Widmungsbescheiden vorgenommene - Bebauungsplanung die Interessen der Beschwerdeführerin auf eine ausreichende Bebaubarkeit, sowie eine ausreichende Besonnung gewahrt ist. Dies ist im Beschwerdefall zu bejahen, weil die Beschwerdeführerin ihrerseits an die nördliche Grundgrenze heranbauen kann und durch die auf ihrem Grundstück festgelegte Baugrenzlinie ein ausreichender Abstand gegeben ist. Durch Festlegung dieser Baugrenzlinien im Hofbereich der Liegenschaft der Beschwerdeführerin ergibt sich ein (Mindest-)Abstand zwischen einer allfälligen Hofbebauung auf ihrem Grundstück und der gemeinsamen Grundgrenze von 8,00 m, womit (als Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl) für beide "Hofgebäude" zusammen vier Geschosse zulässig wären. Dem entspricht auch die Festlegung der Gebäudehöhen in diesen Bereichen mit maximal 6,50 m hofseitig hinsichtlich der Liegenschaft der Beschwerdeführerin und maximal 4,50 m entlang der gemeinsamen Grundgrenze hinsichtlich der Liegenschaft der Konsenswerber (die Festlegung von maximal 6,50 m gilt nur, wie sich auch aus dem Widmungsplan unmißverständlich ergibt, für den südlichen hofseitigen Bereich, also zur Mitte der zu bebauenden Liegenschaft hin).
Der Verwaltungsgerichtshof vermag somit nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde das ihr zustehende Planungsermessen nicht gesetzmäßig ausgeübt hätte. Damit ist im Beschwerdefall der Umfang des Abtragungsauftrages vom 30. Mai 1944 hinsichtlich des nördlichen Hofgebäudes auf der Liegenschaft der Konsenswerber nicht zu untersuchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1995.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994060187.X00Im RIS seit
11.07.2001