TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/30 93/05/0108

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Veröffentlicht am 30.05.1995
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118;
BauO NÖ 1976 §47;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des JB und 2. der HB, beide in I, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. März 1993, Zl. R/1-V-88161/02, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde W, vertreten durch den Bürgermeister; 2. K und TU in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 10. März 1988 ersuchten die Zweitmitbeteiligten um Bewilligung für den "Umbau des bestehenden Wohnhauses" auf dem Grundstück Nr. 29, EZ. 47, KG S, in der Marktgemeinde W. Im eingereichten Plan ist ein Zubau im Bereich der Einfahrt zum bestehenden Wohnhaus vorgesehen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde W vom 12. April 1988 wurde die Bewilligung gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 Nö Bauordnung 1976 erteilt. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde W vom 15. Juli 1988 abgewiesen. Aufgrund der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hob die Nö Landesregierung mit Bescheid vom 31. Oktober 1988 den Bescheid des Gemeinderates vom 15. Juli 1988 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Es sei das Ladungsformular zur mündlichen Verhandlung am 8. April 1988 vom Erstbeschwerdeführer zwar unterschrieben worden, ihm jedoch keine Ausfertigung dieser Ladung samt Hinweis auf die Säumnisfolgen des § 42 AVG ausgehändigt worden. Die Ladung sei somit gesetzwidrig und könnten die Säumnisfolgen des § 42 AVG nicht eintreten. Weiters sei die Ladung der Zweitbeschwerdeführerin nie zugestellt worden, da die Unterschrift des Erstbeschwerdeführers nicht als Ersatzzustellung auch für die Ehegattin rechtswirksam sein könne. Es sei daher der Vorstellung stattzugeben gewesen. Die Vorstellungsbehörde verwies darauf, daß auch zu untersuchen sein werde, ob der Zubau bereits Gegenstand eines Bauverfahrens gewesen sei.

In der Folge gab der Gemeinderat der Marktgemeinde W mit Bescheid vom 21. November 1988 der Berufung der Beschwerdeführer Folge, behob den Bescheid des Bürgermeisters vom 12. April 1988 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Baubehörde erster Instanz zurück.

Am 25. April 1989 stellten die Zweitmitbeteiligten einen neuerlichen Antrag auf Bewilligung "zur Errichtung eines Zubaues zum bestehenden Wohnhaus" auf dem bereits genannten Grundstück in der Marktgemeinde W. Das eingereichte Projekt des Zubaues in diesem Antrag ist ident mit jenem des Antrages vom 10. März 1988.

Am 9. Mai 1989 schrieb die Marktgemeinde W betreffend den Antrag der Zweitmitbeteiligten um "die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Zubaues zum bestehenden Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. 29, EZ 47, KG S," die mündliche Verhandlung für den 19. Mai 1989 aus. In dieser Verhandlung erklärten die Beschwerdeführer, daß sie sich gegen das beabsichtigte Bauvorhaben aussprächen, da durch die Errichtung der Mauer und insbesondere durch die vorgesehene Überdachung eine wesentliche Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse in ihrer Küche zu erwarten sei. Außerdem sei über ein gleichartiges Bauvorhaben bereits in nicht stattgebender Form im Jahre 1965 durch die Gemeinde S entschieden worden. Es sei daher ein gleichartiges Ansuchen wegen entschiedener Sache nicht mehr zulässig.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde W vom 23. Mai 1989 wurde den Zweitmitbeteiligten die Bewilligung betreffend "ihr Ansuchen vom 25.04.1989" aufgrund der Ergebnisse der Bauverhandlung vom 19. Mai 1989 gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 100 Abs. 1 Nö Bauordnung 1976 erteilt. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde W vom 30. August 1989 abgewiesen. Aufgrund der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer wurde der zuletzt genannte Bescheid des Gemeinderates mit Bescheid der Nö Landesregierung vom 2. März 1990 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat verwiesen. Der Bürgermeister habe dem Antrag der Beschwerdeführer vom 25. April 1989 stattgegeben, obwohl der ursprüngliche Antrag vom 10. März 1988 aufgrund des Ersatzbescheides des Gemeinderates vom 21. November 1988 noch unerledigt sei. Die Baubehörde habe vorerst eine Sachentscheidung über den Antrag vom 10. März 1988 zu treffen. Nach einer entsprechenden Sachentscheidung wäre der neuerliche Antrag vom 25. April 1989 als unzulässig zurückzuweisen.

Mit Bescheid des Gemeinderates vom 5. März 1991 wurde dieser neuerliche Antrag der Zweitmitbeteiligten als unzulässig zurückgewiesen. Der dazu ergangene Bescheid des Bürgermeisters vom 23. Mai 1989 wurde aufgehoben und "die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung im Sinne des ersten Antrages vom 10. März 1988 an den Bürgermeister der Marktgemeinde W verwiesen".

Mit Bescheid vom 6. März 1991 erteilte der Bürgermeister unter Berufung auf die Ergebnisse der Bauverhandlung vom 19. Mai 1989 den Zweitmitbeteiligten die baurechtliche Bewilligung. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom 15. Juli 1991 abgewiesen. Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Nö Landesregierung vom 22. März 1993 als unbegründet abgewiesen. Auch wenn die Bauverhandlung am 19. Mai 1989 aufgrund eines unzulässigen Antrages der Zweitmitbeteiligten durchgeführt worden sei, so sei doch der Verhandlungsgegenstand dieser Bauverhandlung mit dem Antrag vom 10. März 1988 ident. Abgesehen davon habe sich der bautechnische Sachverständige in seinem Gutachten vom 21. Juli 1990 schlüssig auf die bisherigen Verhandlungsergebnisse bezogen. Eine Neudurchführung der Bauverhandlung hätte daher zu keinem im Spruch für die Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis geführt. Bereits in einer früheren Vorstellungsentscheidung sei darauf hingewiesen worden, daß die Frage, ob ein Licht- oder Fensterrecht duch die Verwirklichung des Bauvorhabens beeinträchtigt werde, ausschließlich auf dem Zivilrechtsweg zu klären sei. Aus baurechtlicher Sicht sei darin jedenfalls keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte gelegen. Auch wenn im übrigen das gegenständliche Fenster der Beschwerdeführer an der Grundstücksgrenze bereits seit ca. 90 Jahren bestehe, so dürfe nicht übersehen werden, daß nach § 35 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Nö Bauordnung 1976 Außenwände an einer Grundstücksgrenze als Brandwände und daher öffnungslos ausgestaltet sein müßten. Gemäß § 35 Abs. 5 und 6 leg. cit. dürften Bewilligungen für Nebenfenster und Lüftungsöffnungen in äußeren Brandwänden nur mit Zustimmung der Anrainer auf die Dauer von 25 Jahren erteilt werden. Diese Bestimmung werde allerdings durch § 63 Abs. 2 leg. cit. im Hinblick auf die Erhaltung des Baubestandes in Altortgebieten etwas gemildert. Der Bestand des gegenständlichen Küchenfensters als solches garantiere jedenfalls für sich allein nicht dessen (bauordnungswidrigen) Fortbestand für die Zukunft. Der Bausachverständige habe wiederholt festgestellt, daß die Küche durch den eigenen Hof der Beschwerdeführer ausreichend belichtet und belüftet werden könne, was von den Beschwerdeführern nicht bestritten worden sei. Auf allfällige, durch ein zulässiges Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück entstehende Bauordnungswidrigkeiten auf dem Grundstück der Beschwerdeführer wäre in einem eigenen Verfahren einzugehen. Daraus erwachse den Beschwerdeführern kein Rechtsanspruch. Es sei den Beschwerdeführern weiters entgegenzuhalten, daß § 120 Abs. 3 und 4 Nö BO 1976 lediglich auf die Straßen- und Baufluchtlinien, die Bebauungsweise, Bebauungshöhe, Bebauungsdichte und die äußere Gestaltung von Baulichkeiten abstelle, jedoch keineswegs als Grundlage für eine nicht durch Servitut gesicherte Rücksichtnahme auf (grundsätzlich auf Eigengrund zu schaffende) Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse herangezogen werden könne. Die Beschwerdeführer seien daher in keinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführer erachten sich insbesondere in dem durch § 99 Nö Bauordnung 1976 garantierten Recht "auf Abhaltung einer Bauverhandlung vor Erlassung eines Baubewilligungsbescheides", weiters "in dem durch § 120 Abs. 3 Z. 1 Nö BO 1976 statuierten Recht auf Versagung der Baubewilligung, wenn die beabsichtigte Bauführung zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch" stehe, und in dem durch § 118 Abs. 9 Z. 4 Nö Bauordnung 1976 in Verbindung mit §§ 21, 47 Abs. 1 lit. c leg. cit. garantierten Recht, insbesondere auf Einhaltung der Baufluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung, verletzt.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 Nö Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0 in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung der Novelle LGBl. 8200-6, darf ein Bauplatz nur insoweit bebaut werden, als der freie Lichteinfall gemäß § 47 leg. cit. auf alle Hauptfenster gewahrt ist. Gemäß § 47 Abs. 1 leg. cit. in der Stammfassung müssen Hauptfenster, in der Architekturlichte gemessen, eine Fensterfläche von mindestens einem Zehntel, bei Raumtiefen über 5 m mindestens einem Achtel der Fußbodenfläche aufweisen. Gemäß § 47 Abs. 2 leg. cit. in der Stammfassung muß bei Hauptfenstern der freie Lichteinfall auf die gemäß Abs. 1 erforderliche Fensterfläche unter 45 Grad gesichert sein. Die Hauptfenster von Wohnräumen sind so anzuordnen, daß bei einem angenommenen Lichteinfallswinkel von 45 Grad der Wohnraum bis zu einem Drittel seiner Tiefe unmittelbar belichtet wird (§ 47 Abs. 3 Nö Bauordnung 1976 in der Stammfassung). Gemäß § 99 Abs. 1 Nö Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-6, hat die Behörde über jedes Ansuchen gemäß den §§ 92 und 93 leg. cit. eine Bauverhandlung abzuhalten, in deren Verlauf ein Augenschein vorzunehmen ist. Zur Bauverhandlung sind u.a. der Antragsteller, die Anrainer, deren Grundstücke mit dem vom Bauvorhaben betroffenen eine gemeinsame Grenze haben, der Verfasser der Pläne, der Baubeschreibung und der Berechnungen, die beteiligten Dienststellen und der Bauleiter, soweit er schon bestellt ist, persönlich zu laden. Die übrigen Parteien und Beteiligten sind von der Bauverhandlung durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde zu verständigen. Gemäß § 118 Abs. 4 leg. cit. in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-6 leiden Bescheide, die u.a. gegen § 99 Abs. 1 leg. cit. verstoßen, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler. Eine Aufhebung ist jedoch nur bis zum Baubeginn gemäß § 106 Abs. 1 leg. cit. möglich. § 106 Abs. 1 leg. cit. in der Fassung LGBl. 8200-1 der Novelle sieht vor, daß vor Rechtskraft der Bescheide gemäß den §§ 92, 93 und 101 leg. cit. mit der Ausführung des Vorhabens nicht begonnen werden darf. Als Zeitpunkt des Beginns gilt jener Tag, an dem mit den Erd- oder Bauarbeiten begonnen wird, die der Verwirklichung des Vorhabens dienen.

Zunächst führen die Beschwerdeführer ins Treffen, daß die Bauverhandlung vom 19. Mai 1989 das Ansuchen der Zweitmitbeteiligten vom 25. April 1989 betreffe. Dieser zu diesem Ansuchen ergangene Bescheid des Gemeinderates ist durch den Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde vom 2. März 1990 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Marktgemeinde W zurückverwiesen worden. Auch wenn das zweite Ansuchen mit jenem vom 10. März 1988 inhaltlich völlig identisch ist, hätte die Baubehörde erster Instanz in der Folge eine neuerliche Bauverhandlung anberaumen müssen. Es sei nicht zulässig, die für die Erlassung eines Baubewilligungsbescheides erforderlichen Beweisergebnisse ohne Abhaltung einer Bauverhandlung zu ermitteln, indem Ergebnisse eines anderen Verwaltungsverfahrens verwertet würden.

Gemäß § 99 Abs. 1 erster Satz leg. cit. hat die Baubehörde

-

wie bereits erwähnt - über jedes Ansuchen gemäß §§ 92 und 93 leg. cit. eine Bauverhandlung abzuhalten. Es trifft nicht zu

-

wie die Beschwerdeführer behaupten -, daß die Ladung zur Verhandlung vom 19. Mai 1989 das Ansuchen der Zweitmitbeteiligten vom 25. April 1989 zum Gegenstand hatte. Diese Ladung erfolgte vielmehr zum Antrag der Zweitmitbeteiligten "zur Errichtung eines Zubaues" zum bestehenden Wohnhaus. Am Beginn der Niederschrift über diese Verhandlung ist folgendes festgehalten:

"Gegenstand der Verhandlung ist das Ansuchen von Herrn und Frau K u. TU in S, um Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Zubaues zum bestehenden Wohnhaus auf deren Grundstück, Parzelle Nr. 29, EZ 47 KG S."

Der in der Folge ergangene Bescheid führt im Spruch allerdings das Ansuchen der Zweitmitbeteiligten vom 25. April 1989 an. Aus dem Hinweis in der Ladung, daß die auf das Bauvorhaben bezughabenden Pläne und sonstigen Unterlagen zur Einsichtnahme während der Amtsstunden im Gemeindeamt aufliegen, kann anhand des Aktes nicht abgeleitet werden, ob damit nur die mit dem Ansuchen vom 25. April 1989 eingereichten Pläne und sonstigen Unterlagen gemeint waren. Auch aufgrund des Umstandes, daß sich der in der Folge ergangene Bescheid auf das Ansuchen vom 25. April 1989 bezog, kann dies nicht angenommen werden. Im Hinblick auf die Identität der beiden eingereichten Projekte und im Hinblick darauf, daß aufgrund der angeführten verbalen Umschreibung in der Ladung und in der Niederschrift beide Ansuchen als erfaßt angesehen werden können, ist vielmehr davon auszugehen, daß Gegenstand der Verhandlung vom 19. Mai 1989 sowohl das Ansuchen vom 10. März 1988 als auch jenes vom 25. April 1989 mit dem jeweils identen Projekt eines Zubaues war. Für diese Schlußfolgerung spricht auch, daß das Verwaltungsverfahren über den Antrag vom 10. März 1988 seit dem Bescheid des Gemeinderates vom 21. November 1988 nach Aufhebung des Bescheides des Bürgermeisters vom 12. April 1988 und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Baubehörde erster Instanz seit 9. Dezember 1988 wieder beim Bürgermeister der Marktgemeinde W offen war. Die Bauverhandlung vom 19. Mai 1989, zu der die Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurden und an der sie teilnahmen, betraf somit beide von den Zweitmitbeteiligten gestellten (inhaltlich identen) Ansuchen. Es hat daher auch zum Ansuchen vom 10. März 1988 eine mündliche Verhandlung gemäß § 99 Abs. 1 Nö Bauordnung 1976 stattgefunden. Der Rüge der Beschwerdeführer, es liege Nichtigkeit des Bescheides gemäß § 99 Abs. 1 in Verbindung mit § 118 Abs. 4 Nö Bauordnung 1976 vor, kommt daher keine Berechtigung zu.

Weiters meinen die Beschwerdeführer, die Anberaumung einer Bauverhandlung sei unabdingbar gewesen, weil zu der Frage, ob die Belichtung der Küche des den Beschwerdeführern gehörenden Wohnhauses ausreichend sei, Feststellungen über den Grundriß, die Wohnnutzfläche, die Art und Weise der Belichtungsquelle, die Fensterfläche und das Verhältnis von Wohnnutzfläche zur Fensterfläche im Hinblick auf § 47 Nö Bauordnung 1976 zwingend notwendig gewesen wären. Die Behauptung des Bausachverständigen, dessen Gutachten keinerlei Angaben über die genannten Faktoren enthalte, die Küche werde durch ein Fenster zum Hof ausreichend belichtet und belüftet, sei daher unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang ist den Beschwerdeführern entgegenzuhalten, daß sie in der Bauverhandlung vom 19. Mai 1989 geltend gemacht haben, daß "durch die Errichtung der Mauer und insbesondere durch die vorgesehene Überdachung eine wesentliche Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse in ihrer Küche zu erwarten" seien. In der Beschwerde berufen sich die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf § 47 Nö Bauordnung. Diese Bestimmung begründet keine subjektiv-öffentlichen Rechte von Nachbarn. Der Landesgesetzgeber hat mit dieser Norm vielmehr ganz allgemein den Grundsatz zum Ausdruck gebracht, daß der Eigentümer eines Grundstückes durch Schaffung entsprechender Freiräume auf den EIGENEN Grundflächen für ausreichende Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse zu sorgen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1951, Slg. Nr. 2382/A, und vom 13. Dezember 1976, Zl. 116/76). § 47 Nö Bauordnung 1976 begründet mit Ausnahme von Abs. 4 keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Nachbarn, weil diese Bestimmung bezweckt, daß der für Wohngebäude vorgesehene Lichteinfall im wesentlichen durch Abstände auf dem eigenen Grundstück gesichert wird (vgl. u.a. auch das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1985, Zl. 85/05/0015, BauSlg. Nr. 394).

Insoweit sich die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang letztlich auf das Recht gemäß § 118 Abs. 9 Z. 4

Nö Bauordnung 1976 berufen, nach dem subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer insbesondere durch Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung begründet werden, ist ihnen entgegenzuhalten, daß sie in ihrer Äußerung in der Verhandlung vom 19. Mai 1989 die Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse nicht damit begründet haben, daß Abstandsbestimmungen oder andere im § 118 Abs. 9 Z. 4 leg. cit. genannte Bestimmungen verletzt worden seien. Sie behaupten dies auch nicht in der Beschwerde. Einwendungen von ordnungsgemäß geladenen Nachbarn müssen spätestens am Tage vor der Verhandlung bei der Behörde oder während der Bauverhandlung vorgebracht werden, andernfalls werden sie gemäß § 42 Abs. 1 und 2 AVG in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Nö Bauordnung 1976 als dem Bauvorhaben zustimmend angesehen. Für die Beschwerdeführer ist diesbezüglich Präklusion eingetreten, die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beachtlich ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A). Es kann daher auch keine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer darstellen, wenn die belangte Behörde die geltend gemachten Ansprüche der Beschwerdeführer betreffend die Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse zur Gänze auf den Zivilrechtsweg verwiesen hat.

Die Beschwerdeführer rügen weiters, daß das Bauansuchen für den von den Zweitmitbeteiligten beantragten Zubau bereits im Jahre 1965 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 21. Juli 1990, der lediglich feststellt, daß die im Jahre 1965 abgeführte Bauverhandlung den NEUBAU eines Wohngebäudes in S Nr. 47 und keinen Zubau bzw. Umbau betroffen habe, seien unrichtig. Die Beschwerdeführer hätten daher drei Zeugen beantragt. Diese hätten, da offensichtlich keine Akten aus dem Jahre 1965 vorliegen, beweisen sollen, daß über das Ansuchen der Zweitmitbeteiligten bereits 1965 rechtskräftig negativ entschieden worden sei. Diese Einwendungen trugen die Beschwerdeführer in ihrer Stellungnahme vom 13. November 1990 nach Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der Marktgemeinde W vom 30. August 1989 und Verweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat und in der Berufung vom 16. April 1991 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Markgemeinde W vom 6. März 1991 vor. In dem Bescheid des Gemeinderates vom 15. Juli 1991 wurde dieses Vorbringen als unzutreffend erachtet, da aus den von den Beschwerdeführern vorgelegten Unterlagen aus dem Jahre 1965 hervorgehe, daß es sich bei dem damaligen Bauverfahren um den Neubau des Wohnhauses zugunsten der Zweitmitbeteiligten gehandelt habe, wobei auf die Verhandlungsschrift, die Baubewilligung vom 18. Jänner 1965 und den Einreichplan verwiesen wurde. Bei der damaligen Bauverhandlung seien keine Einwendungen erhoben worden. Eine spätere Berufung an die Bezirkshauptmannschaft sei mit Bescheid vom 29. Jänner 1965 als unzulässig zurückgewiesen worden. Mit Bescheid der Nö Landesregierung vom 21. April 1965 sei der Bescheid vom 18. Jänner 1965 zwar behoben worden und die Angelegenheit zur Durchführung einer neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister der Gemeinde S verwiesen worden. Der Bescheid sei aus formalrechtlichen Gründen aufgehoben worden. Über den weiteren Verfahrensverlauf lägen keine Unterlagen vor. Das Bauvorhaben sei jedoch in der ursprünglich eingereichten Form laut vorliegenden Einreichplan und Verhandlungsschrift vom 18. Jänner 1965 bewilligt und verwirklicht worden. Gegen diese Ausführungen des Bescheides des Gemeinderates der Marktgemeinde W vom 15. Juli 1991 haben sich die Beschwerdeführer in ihrer Vorstellung vom 5. August 1991 nicht gewendet, insbesondere wurde nicht bestritten, daß das Bauvorhaben der Zweitmitbeteiligten entsprechend dem vorgelegten Einreichplan und der Verhandlungsniederschrift vom 18. Jänner 1965 bewilligt und in dieser Form auch ausgeführt wurde.

Wenn sich die Beschwerdeführer nunmehr neuerlich in der Beschwerde gegen die vom Sachverständigen in seinem Gutachten vom 21. Juli 1990 dazu gemachten Ausführungen wenden und die Ansicht vertreten, daß die namhaft gemachten Zeugen zu dieser Frage hätten einvernommen werden müssen, so ist den Beschwerdeführern entgegenzuhalten, daß sich die Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidung nicht primär auf dieses Gutachten berufen hat und die anderen, von der Berufungsbehörde zu dieser Frage ins Treffen geführten Beweismittel, wie die Verhandlungssschrift, die Baubewilligung vom 18. Jänner 1965 und der Einreichplan von den Beschwerdeführern nicht angezweifelt worden sind. Gegenstand dieser Unterlagen war der Neubau des Wohngebäudes der Zweitmitbeteiligten unter Beibehaltung der alten Bauflucht und unter Mitverwendung der hofseitigen Hauptmauer des bis dahin bestehenden Hauses. Es kommt somit auch dieser Rüge der Beschwerdeführer keine Berechtigung zu.

Sofern sich die Beschwerdeführer gegen die Auffassung der belangten Behörde wenden, sie hätten ihr Recht auf den Bestand des verfahrensgegenständlichen Küchenfensters durch Eintragung einer Servitut sichern müssen, ist ihnen entgegenzuhalten, daß daraus keine Verletzung eines durch die Nö Bauordnung 1976 eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechtes abgeleitet werden kann.

Letztlich ist in Erwiderung auf das Vorbringen der Beschwerdeführer, es sei nicht geprüft worden, ob das Bauvorhaben der bestehenden Bebauung widerspreche und somit gemäß § 120 Abs. 3 Nö Bauordnung 1976 zu untersagen gewesen wäre, festzuhalten, daß die Beschwerdeführer diesbezüglich im Hinblick auf ihr Vorbringen in der Verhandlung vom 19. Mai 1989 präkludiert sind.

Die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993050108.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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